Die Zinsen sinken: Das sollten Anleger jetzt beachten

Die Zinsen sinken: Das sollten Anleger jetzt beachten


Sinkende Zinsen beeinflussen die gesamte Anlagelandschaft: Aktien, Anleihen und Immobilien bieten neue Chancen, während Festgeld an Attraktivität verliert. Was bedeutet das für Anleger und welche Anlageklassen könnten davon profitieren? Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen und Empfehlungen

Mitte Oktober hat die Europäische Zentralbank die Zinsen bereits zum dritten Mal in diesem Jahr gesenkt. Das hat Auswirkungen auf sämtliche Anlageklassen.

Inhalt:

  1. Zinssenkungen der EZB: Chancen und Risiken für Anlegerportfolios
  2. Interview mit Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung: Wie funktioniert Geldpolitik und was bedeutet sie für die Konjunktur und die Verbraucher?
  3. Interview mit Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung: Aktien mit geringer Marktkapitalisierung profitieren normalerweise von Zinssenkungen, doch Herr Rath bezweifelt, dass dies diesmal zutreffen wird.
  4. Infokasten: Zinssenkungen – gute Nachrichten für die Anschlussfinanzierung

„Die Zinsen wirken auf Vermögenswerte wie eine Schwerkraft“, soll der legendäre Investor Warren Buffett gesagt haben. Was er damit meint: Sind die Zinsen hoch, dann drückt das die Bewertungen aller Anlageklassen nach unten. Sinken sie, dann rechtfertigt das eine höhere Bewertung und die Preise der Vermögenswerte steigen.

Sinkende Zinsen und ihr Einfluss auf Vermögenswerte

Seit Juni dieses Jahres befinden wir uns nun in einem Zinssenkungszyklus. Dreimal hat die Europäische Notenbank den Leitzins in diesem Jahr schon gesenkt – aktuell liegt er bei 3,25 Prozent. Doch was passiert, wenn die Zinsen sinken? Worauf sollten sich Anleger einstellen?

Zuallererst hat der Leitzins Auswirkungen auf die kurzfristigen Zinsen. „Sparer, die ihr Geld auf Tageskonten liegen haben oder als Festgeld anlegen wollen, müssen deshalb mit einer sinkenden Verzinsung rechnen“, sagt Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg. Tatsächlich ist der Zins für Festgeldanlagen bei den meisten Kreditinstituten schon gesunken – von über vier Prozent in der Spitze auf unter drei Prozent.

Und selbst wer jetzt noch zu drei Prozent sein Geld fest anlegt, wird nicht viel Freude haben. „Festgeld läuft nur einen bestimmten Zeitraum, oft nur ein Jahr“, sagt Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung in Stuttgart. „Man muss heute aber damit rechnen, dass die Zinsen nach einem Jahr noch niedriger sind.“

Anleihen als langfristige Alternative zu Tagesgeld und Festgeld

Die Experten raten deshalb sich die aktuell noch attraktiven Zinsen längerfristig zu sichern. Eine Möglichkeit dazu bieten festverzinsliche Wertpapiere. Die Idee dahinter: Bei Anleihen bekommt der Anleger den Kupon über die gesamte Laufzeit. „Wenn Sie eine zehnjährige Anleihe kaufen, dann bekommen Sie die Verzinsung eben für zehn Jahre“, erklärt Rath.

Das Risiko: Dass es zu Zahlungsschwierigkeiten bei dem Emittenten kommt. „Das ist gerade in einem konjunkturell schwierigen Umfeld, wie wir es aktuell haben, nicht auszuschließen“, sagt Kaim. „Ich würde deshalb auf gute Bonitäten setzen, also eher Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich, dafür aber eine längere Laufzeit.“ Schließlich bieten Anleihen mit längerer Laufzeit bei sinkenden Zinsen zusätzlich die Chance auf Kursgewinne. Für ein Investment in Anleihen empfiehlt Rath Exchange Traded Funds (ETFs). „Damit investieren Sie breit gestreut in viele Titel und können auch die Laufzeiten passend auswählen.“  

V-CHECK-Video: Der Zins ist zurück: Sollten Stiftungen dennoch weiter auf Aktien & Immobilien setzen?

Stiftungen benötigen regelmäßige Erträge oder Ausschüttungen. Allerdings wird genau das in Zeiten turbulenter Finanzmärkte zunehmend schwierig. Wie eine solche Strategie aussieht, erklärt Dr. Dirk Rathjen, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau (IVA) AG im Interview mit Börsenmoderator Andreas Franik – aufgezeichnet im Rahmen des Vermögenstages der V-Bank.

Aktienmärkte und Zinssenkungen: Chancen und Risiken

Chancen versprechen in einem Umfeld sinkender Zinsen auch Aktien. „Das gilt vor allem, wenn wir keine Rezession erleben, sondern eine sanfte Landung“, so Kaim. „Dann hätten wir sinkende Zinsen, die zu niedrigeren Refinanzierungskosten führen, bei gleichzeitig stabilen Unternehmensgewinnen, was ein ideales Umfeld für Aktien wäre.“ Dass die Aktienkurse in einem Zinssenkungszyklus aber nur steigen, davon ist nicht auszugehen. „Ich rechne zwar grundsätzlich damit, dass sinkende Zinsen höhere Bewertungen bei Aktien rechtfertigen, aber sie sind aktuell schon nicht mehr günstig und wir haben viele Unsicherheitsfaktoren und Risiken, weshalb Korrekturen nicht ausgeschlossen werden sollten“, so Rath.

Zudem ist fraglich, ob der gesamte Aktienmarkt gleichermaßen profitiert. „Wir sehen gerade im Euroraum eine schwache wirtschaftliche Entwicklung, weshalb ich zyklische Branchen wie Automobil oder Chemie eher meiden würde“, sagt Kaim. Dafür empfiehlt er, Unternehmen aus wachstumsstarken Branchen, insbesondere Technologietitel, zu wählen.

Immobilienfinanzierung und Preise im Kontext fallender Zinsen

Auch für den Immobilienmarkt sind sinkende Zinsen generell gute Nachrichten. „Tatsächlich sind die Finanzierungskosten wieder rückläufig“, sagt Kaim. „Lagen sie in der Spitze bei über 4,5 Prozent, so bekommen Kunden eine zehnjährige Finanzierung zum Teil derzeit für unter drei Prozent.“ Zudem scheinen sich die Immobilienpreise zu stabilisieren. „Zum Teil steigen sie sogar wieder“, so Rath. „Niedrigere Finanzierungskosten, hohe Mieteinnahmen und die gestiegenen Löhne führen insgesamt dazu, dass die Haushalte wieder mehr Geld in der Kasse haben und langsam wieder in Immobilien investieren.“ Viele Anlageklassen scheinen also im Umfeld sinkender Zinsen interessanter zu werden, während Tages- oder Festgeld an Attraktivität verlieren. Anleger sollten deshalb die Chancen, die der Zinssenkungszyklus bietet, nutzen.

V-CHECK-Video: Mit Small & Mid Caps breit streuen – und rendite-orientiert anlegen: Interview mit Gerd Häcker

Breit streuen – und gleichzeitig rendite-orientiert anlegen: das ist der Traum vieler Anleger. Mit Hilfe von Small und Mid Caps war dies in den vergangenen Jahren sehr gut möglich. Spannende Details zu Nebenwerten verrät Vermögensverwalter Gerd Häcker von der steinbeis & häcker vermögensverwaltung gmbh im Interview mit Börsenmoderator Andreas Franik – aufgezeichnet auf dem Vermögenstag der V-Bank in München.

Interview mit Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung: Wie funktioniert Geldpolitik und was bedeutet sie für die Konjunktur und die Verbraucher?

Franz Kaim

Die Zinsen müssen rasch und deutlich sinken.

Franz Kaim: Die grundsätzliche Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht darin, für Preisstabilität im Währungsraum zu sorgen. Das heißt, die Notenbank sorgt dafür, dass die Inflation nicht deutlich über oder unter dem mittelfristigen Zielwert von rund zwei Prozent liegt. Eine weitere Aufgabe ist die Unterstützung der Wirtschaftsentwicklung im Euroraum.

Kaim: Genau. Steigt die Inflation über das Zwei-Prozent-Ziel, dann muss sie die Zinsen, so wie in den vergangenen beiden Jahren, entsprechend erhöhen. Aktuell ist die Inflation auf dem Rückzug und dürfte sich weiter abschwächen, aber die Wirtschaft im Euroraum ist schwach. Deshalb hat die EZB damit begonnen, die Zinsen zu senken.

Kaim: Mit niedrigeren Zinsen verbilligen sich zum Beispiel Kredite und Finanzierungen, und zwar sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher. Die Idee ist es also, durch niedrigere Zinsen die Investitionstätigkeit der Unternehmen und den Konsum anzukurbeln.

Kaim: Der neutrale Zinssatz für risikolose Anlagen dürfte etwa bei zwei bis 2,5 Prozent liegen. Aktuell haben wir einen Leitzins von 3,25 Prozent. Da wir in Deutschland in der Rezession sind und auch in anderen Ländern die Wirtschaft schwach läuft, ist dieser Zins zu hoch. Die EZB müsste die Zinsen schnell in Richtung des neutralen Niveaus ansenken. Ich erwarte deshalb weitere rasche Zinssenkungen.

Kaim: Interessanterweise ist die Situation dort eine ganz andere. Die Wirtschaft läuft gut und die Inflation erweist sich als hartnäckiger als in Europa. Deshalb wird die Fed das aktuelle Zinsniveau eher beibehalten. Der Spielraum für weitere Zinssenkungen ist derzeit begrenzt.

Kaim: Ich denke, dass Europa und insbesondere Deutschland einen Standortnachteil gegenüber den USA hat. Entscheidende Faktoren sind der Fachkräftemangel und die relativ gesehen höheren Energiepreise. Hinzu kommt, dass die europäische Wirtschaft, anders als die konsumgetriebene US-Wirtschaft mit ihrem enorm großen Binnenmarkt, stärker von Exporten abhängig ist. Und hier leiden wir stark unter der Schwäche in China, aber sicherlich auch unter strukturellen Problemen. So sieht beispielsweise der Sachverständigenrat die langfristigen Wachstumsaussichten für Deutschland auf einem historischen Tiefststand.

Interview mit Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung: Wie entwickeln sich die Nebenwerte?

In einem Umfeld sinkender Zinsen entwickeln sich Aktien mit geringer Marktkapitalisierung oft besser als die großen Standardwerte. Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung befürchtet, dass das dieses Mal nicht der Fall sein wird.

Manfred Rath

Nebenwerten droht ein dauerhaftes Schattendasein.

Manfred Rath: Kleinere Unternehmen profitieren von niedrigeren Zinsen, weil sie traditionell höhere Kreditkosten haben. Denn anders als die großen Konzerne, die sich zum Beispiel auch über Anleihen am Kapitalmarkt Fremdkapital besorgen können, bleibt kleinen Firmen oft nur der Weg über Bankkredite. Die sind aber meist teurer.

Rath: Da wäre ich sehr vorsichtig, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen fließt das meiste Geld heute nicht in kleinere Werte, weil sie zu wenig liquide sind, sondern fast nur noch in die großen Indexfonds und von da vor allem in Konzerne mit hoher Marktkapitalisierung. Zum anderen bauen die Banken Stellen ab und deshalb gibt es immer weniger Analysten, die sich intensiv mit Nebenwerten beschäftigen.

Rath: Ja, das ist richtig. Und wer sich selbst die Mühe macht und gründlich analysiert, findet genau aus diesem Grund jetzt viele unentdeckte Perlen. Nur wenn kein Kapital reinfließt, dann können auch die Kurse nicht steigen, egal wie günstig sie bewertet sind.

Rath: Ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird. Früher kletterten Nebenwerteindizes in Zinssenkungsphasen überproportional. Weil aber kein Geld mehr reinfließt, wird das dieses Mal nicht passieren. Sie werden womöglich dauerhaft ein Schattendasein an der Börse führen. In der Breite auf kleinere Werte zu setzen, wird sich deshalb kaum auszahlen.

Rath: Möglich ist zum Beispiel, dass ein strategischer Investor, also ein großes Unternehmen, kommt, der eine günstig bewertete Firma kauft. Das bietet dann die Chance auf sehr große Kurssprünge. Allerdings ist da viel Spekulation dabei. 

Zinssenkungen – gute Nachrichten für die Anschlussfinanzierung

Mit den aggressiven Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank kletterten auch die Konditionen für Baufinanzierungen – von etwa einem Prozent Anfang 2022 bis auf über vier Prozent in der Spitze. Wer in dieser Zeit eine Anschlussfinanzierung benötigte, für den hatten sich die Zinskosten massiv verteuert. Die gute Nachricht: Inzwischen ist die Baufinanzierung mit unter drei Prozent wieder möglich. Wer vor zehn Jahren ein Darlehen mit zehn Jahren Laufzeit aufgenommen hatte, musste damals rund 1,9 Prozent Zinsen zahlen. Dank der jüngsten Zinssenkungen ist eine Anschlussfinanzierung somit heute nicht mehr viel teurer. Nicht beunruhigen lassen sollten sich Hausbesitzer auch davon, dass Banken zuletzt Kunden, die eine laufende Baufinanzierung haben, aufforderten, ihren Energieausweis vorzulegen. „Tatsächlich“, erläutert Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung, „muss man zwischen einer Finanzierung beim Kauf und der Anschlussfinanzierung oder Prolongation unterscheiden. Während beim Kauf der Energieausweis entscheidend ist, weil der Käufer in der Regel innerhalb von 24 Monaten bei einer renovierungsbedürftigen Immobilie die Heizung erneuern muss, genießt der Hauseigentümer Bestandsschutz in Bezug auf seine Heizung.“ Auch hat der energetische Zustand einer Immobilie und somit auch der Energieausweis bei der Anschlussfinanzierung keinen Einfluss auf die Konditionen. „Das ist nur beim Verkauf der Immobilie der Fall“, erklärt Manfred Rath von der KSW Vermögensverwaltung. „Denn eine energetisch sanierte Immobilie hat einen besseren Werterhalt und wird einen höheren Verkaufspreis erzielen.“

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