Kryptowerte vererben: So sichern Sie Bitcoin & Co. in der Nachlassplanung ab

Kryptowerte vererben: So sichern Sie Bitcoin & Co. in der Nachlassplanung ab


Im digitalen Zeitalter gehört Bitcoin längst zu vielen Depots. Doch was passiert mit Wallets und Coins im Erbfall? Ohne klare Regelungen können Kryptowerte schnell verloren gehen. Experten wie Dr. Arendt und Herr Utz betonen: Nur wer Zugangsdaten sicher verwahrt, Testamentsvollstrecker einsetzt und steuerliche Besonderheiten beachtet, stellt sicher, dass das digitale Vermögen nicht im Nirwana verschwindet. Ein Interview.

Interview: „Einen Testamentsvollstrecker gibt es in der gesetzlichen Erbfolge nicht.“

Bitcoin & Co. sind längst Teil vieler Vermögensstrategien. Bei Unfall oder Todesfall droht jedoch: Zugriffsverlust auf Wallets und Coins. Bei Online-Wallets gibt es regelmäßig keinen Ansprechpartner, ein Erbschein hilft häufig nicht, um den Zugang zu Krypto-Wallets zu erhalten.

Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass ein Zugriff auf Wallets nur im Notfall ermöglicht wird – anderenfalls besteht ein hohes Missbrauchsrisiko. Frühzeitige Regelungen verhindern, dass Vermögen verloren geht. In jedes Testament und jede Generalvollmacht gehören deshalb spezielle Krypto-Klauseln.

Vermögensverwalter können Kunden aktiv vom Kauf über die Verwahrung bis hin zum optimalen Übergang in die nächste Generation begleiten.
Tipp der Experten: Denken Sie beim Testament auch an Ihr digitales Vermögen!

Dr. Christopher Arendt

“Bitcoin & Co sind auf stetigem Vormarsch und dabei, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.”

Nicolai Utz

“Ein Testament ist nicht nur in Bezug auf digitale Nachlasswerte empfehlenswert, sondern hierüber sollte sich grundsätzlich jeder frühzeitig Gedanken machen.”

Warum werden Bitcoin & Co bei der Vermögensnachfolge immer wichtiger?

Herr Dr. Arendt: Bitcoin & Co sind auf stetigem Vormarsch und dabei, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Die Beimischung sogenannter digitaler Investments wird gegenwärtig immer mehr Bestandteil diversifizierter Anlagestrategien. Der technische Wandel kann diesen Trend noch weiter verstärken.

Die Anleger werden sich im zweiten Schritt zwingend mit der Frage auseinanderzusetzen müssen, wie sie ihre Kryptovermögenspositionen in die nächste Generation übertragen können. Das mag für viele Anleger gegenwärtig noch keine hohe Priorität haben, doch was passiert im Fall eines Unfalls oder eines plötzlichen Todes mit den Kryptovermögenspositionen? Wie werden ihre Bevollmächtigten oder Erben überhaupt in Kenntnis über die Existenz gesetzt und ist deren Zugang zur Wallet sichergestellt? Man kann die Abwicklung bei vielen Wallets nicht mit Depots bei Banken vergleichen.

Insofern besteht beim Thema Bitcoin & Co ein hoher, mit Vorsicht und Umsicht verbundener Vorsorge- bzw. Regelungsbedarf.

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Kostenloses V-CHECK eBook:
Der digitale Nachlass

Im digitalen Zeitalter ist es wichtig, über die traditionelle Nachlassplanung hinauszudenken und sich Gedanken darüber zu machen, was mit unserem digitalen Vermögen nach unserem Tod geschieht.

Ein digitales Testament ist ein juristisches Dokument, das festlegt, was nach Ihrem Tod mit Ihrem digitalen Vermögen geschieht. Zu diesen Vermögenswerten können Konten in sozialen Medien, E-Mail-Konten, digitale Fotos, Online-Banking, Anlagekonten und vieles mehr gehören. Im eBook zeigen wir Ihnen, warum Sie sich um Ihr digitales Testament kümmern und an was Sie alles denken sollten.

Was ist bei der Verwaltung des digitalen Nachlasses alles zu beachten, wenn Kryptowerte vorhanden sind?

Herr Utz: Wichtig ist, dass der Erbe im Bedarfsfall Zugriff auf die relevanten Zugangsinformationen hat. Also auf public keys / private keys / seed phrases. Ganz entscheidend sind private key bzw. seed phrase, da bei Verlust von private keys und seed phrase niemand mehr auf den Kryptowert zugreifen kann. Insofern muss ich mir Gedanken über eine sowohl sichere als auch dauerhafte Verwahrung der jeweils aktuellen Zugangsdaten machen und dafür Sorge tragen, dass mein Erbe bzw. Testamentsvollstrecker – und auch nur dieser – im Todesfall auf die Zugangsdaten zugreifen kann. Etwaige Zugangsdaten in das Testament aufzunehmen, ist eine denkbar ungeeignete Lösung. Denn neben dem Nachlassgericht können alle durch das Testament Bedachten oder durch das Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossenen Personen Einsicht in das Testament erhalten. Eine Möglichkeit besteht darin, alle Zugangsdaten in einem physischen (offline-)Datenspeicher anzulegen, diesen mit einem sehr sicheren Masterpasswort zu schützen und sicherzustellen, dass der Erbe bzw. Testamentsvollstrecker bei meinem Tod sowohl den Aufbewahrungsort des Datenspeichers als auch das Masterpasswort erfährt. Ferner muss ich die auf dem Datenspeicher hinterlegten Zugangsdaten aktuell halten. Bei seed phrases gibt es die Möglichkeit, diese auf einer Metallplatte einzustanzen. Auch hier müssen die sichere Verwahrung und die Zugriffsmöglichkeit des Erben bzw. Testamentsvollstreckers im Bedarfsfall geplant werden.

Wie sichere ich Private Keys und Seed Phrases, damit Bitcoin & Co. im Erbfall nicht verloren gehen?

  • Private Keys & Seed Phrases sind entscheidend – ohne sie sind Kryptos unwiederbringlich verloren. Ob es in diesem Fall nichtsdestoweniger zur Erbschaftsteuerpflicht kommt, ist noch nicht entschieden.
  • Nicht ins Testament aufnehmen! → zu viele Personen hätten Einsicht.
  • Empfohlene Lösung:
    • Unabhängiger Kryptoverwahrer
    • Multisig-Verschlüsselung
    • Speicherung auf einem physischen Datenträger (Hard Wallet)
    • Schutz durch starkes Masterpasswort
    • Erben/Testamentsvollstrecker kennen Ort & Passwort(teile)

Was hat es mit dem angesprochenen Testamentsvollstrecker auf sich?

Herr Dr. Arendt: Einen Testamentsvollstrecker gibt es in der gesetzlichen Erbfolge nicht, sondern nur, wenn ich dies in meinem Testament anordne. Gleiches gilt, wenn ich einzelne Vermögensgegenstände als sogenanntes Vermächtnis einer einzelnen Person zukommen lassen möchte. Dies kann zur optimalen Ausnutzung erbschaftsteuerlicher Freibeträge überaus sinnvoll sein, setzt allerdings zwingend ein Testament voraus. Wenn ich in meinem Testament einen Testamentsvollstrecker bestimme, hat dieser meine Weisungen in Bezug auf den Nachlass auszuführen. Hierdurch kann ich sicherstellen, dass der Vermächtnisnehmer den ihm zugedachten Gegenstand aus dem Nachlass erhält. Gleichzeitig kann ich den Testamentsvollstrecker mit der Abwicklung des gesamten Nachlasses betrauen. Dies ist in Bezug auf den digitalen Nachlass dann geboten, wenn ich über digitale Vermögenswerte verfüge, deren Abwicklung ein gewisses technisches Wissen und Kenntnis von bestehenden Sicherheitsrisiken voraussetzt. Aufgrund der Machtfülle des Testamentsvollstreckers – er hat bis zur vollständigen Abwicklung die Entscheidungsgewalt – ist wichtig, dass dieser mein volles Vertrauen genießt.

Testamentsvollstrecker…

  • sind nur durch Testament einsetzbar.
  • sorgen für die ordnungsgemäße Abwicklung des digitalen Nachlasses.
  • müssen über technisches Wissen und Vertrauen verfügen.

Der große Vorteil: Erben erhalten, was vorgesehen ist – ohne Streit oder technische Probleme.

Dann ist die Errichtung eines Testaments im Hinblick auf den digitalen Nachlass empfehlenswert?

Herr Utz: Ein Testament ist nicht nur in Bezug auf digitale Nachlasswerte empfehlenswert, sondern hierüber sollte sich grundsätzlich jeder frühzeitig Gedanken machen. Denn die gesetzliche Erbfolge entspricht in der Regel nicht den individuellen Vorstellungen bzw. birgt bei Entstehen einer Erbengemeinschaft – was den Normalfall darstellt – erhebliches Streitpotential. Die gesetzliche Erbfolge stattet alle Erbberechtigten zwar mit möglicherweise unterschiedlichen Erbquoten, aber mit einer gleichstarken Rechtsstellung aus. Es gilt der Grundsatz der sogenannten „Universalsukzession“, dass also alle meine Rechte und Pflichten mit meinem Tod auf den Alleinerben bzw. die Erbengemeinschaft übergehen. In Bezug auf den digitalen Nachlass bedeutet das beispielsweise, dass alle Erben gemäß Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) Anspruch auf Zugriff auf meine sämtlichen sozialen Netzwerke oder meine Foto-Cloud haben, auch wenn die Durchsetzung in der Praxis nicht ganz leicht ist. Gerade bei solchen sehr persönlichen Angelegenheiten ist oftmals nicht gewollt, dass hierauf alle Erben zugreifen können. Will ich das verhindern, muss ich dies im Testament regeln, indem ich nur einzelne Beteiligte als Erben einsetze oder den digitalen Nachlass der Obhut eines Testamentsvollstreckers anvertraue – zum Beispiel mit der Anweisung, sämtliche Profile in sozialen Netzwerken zu löschen oder nur bestimmten Beteiligten zugänglich zu machen.

Universalsukzession einfach erklärt

Mit dem Tod gehen automatisch alle Rechte und Pflichten – auch digitale Inhalte – auf die Erben über. Nur durch ein Testament lässt sich festlegen, wer Zugriff auf welche Daten oder Wallets erhält.

Heißt das, alle Finanzinformationen auf Social Media sind unseriös?

Urban: Nein. Es gibt viele sinnvolle digitale Angebote im Finanzbereich. Eine ganze Reihe von kompetenten und erfahrenen Kollegen und Journalisten bietet auf verschiedensten Kanälen fundierte Informationen, spannend und verständlich aufbereitet. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Nutzer eher auf namhafte Finanzexperten setzen – statt auf besonders peppig produzierte Inhalte.

Gesetzliche Erbfolge oder eigenes Testament – was ist für den digitalen Nachlass mit Kryptowährungen sinnvoller?

  • Gesetzliche Erbfolge → alle Erben gleichberechtigt → hohes Streitpotenzial -> oftmals fehlende Handlungsfähigkeit.
  • Universalsukzession: Auch Social-Media-Profile & Clouds gehen automatisch über.
  • Individuelles Testament: Ermöglicht gezielte Verteilung und Schutz persönlicher Daten.

Erbschaftssteuerrecht:

Wie wird Kryptovermögen in puncto Erbschaftsteuer grundsätzlich behandelt?

Herr Dr. Arendt: Auch wenn man in der rechtlichen Literatur gegenwärtig noch über die zivilrechtliche Einordnung von Krypto-Titel diskutiert, blickt das Steuerrecht pragmatisch auf den Sachverhalt. Kryptovermögen wird bei der Erbschaftsteuer genauso behandelt wie die übrigen Nachlasswerte. Einige besondere Einzelfragen bergen steuerliche Risiken etwa beim Verlust des private Key oder beim Umgang mit Pflichtsteilsergänzungsansprüchen. Das Erbschaftsteuergesetz geht gemäß dem bereits angesprochenen Rechtsgrundsatz der „Universalsukzession“ davon aus, dass mit dem Tod alle Vermögenspositionen des Erblassers übergehen. Sie unterliegen normal der Erbschaftsteuer. Maßgeblich ist der Bestand zum Zeitpunkt des Erbfalls (Todestag).

Aufgrund starker Kursschwankungen von Kryptopositionen kann sich dieses Stichtagsprinzip als Damoklesschwert für die Erbschaftsteuer erweisen. Wenn es also innerhalb weniger Tage zu signifikanten Kurskorrekturen kommt, ist das für die Erbschaftsteuer grundsätzlich irrelevant. Es ist mithin sicherzustellen, dass die Erben unmittelbar handeln können.

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Krypto-Gewinne mit Bitcoin, NFTs & Co erzielen und richtig versteuern

Das Interesse an sogenannten Krypto-Assets steigt rasant. Durch vereinfachte Zugängen zum Markt, etwa durch Blackrock ETFs, eröffnen sich neue Perspektiven für die Geldanlage. Neben dem Handel mit Krypto-Coins bieten auch andere blockchainbasierte Geschäftsideen und erfolgreiche Projekte im NFT-Bereich spannende Investitionsmöglichkeiten. Die Finanzbehörden stehen angesichts dieser Veränderungen vor noch nie dagewesenen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die steuerliche Behandlung. Im Webinar beantworten die Experten Dr. Christopher Arendt und Markus van de Weyer die wichtigsten Fragen.

Was gilt es im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung zu beachten?

Herr Dr. Arendt: Digitale Vermögenswerte sind ebenso wie analoge Werte in die Erbschaftsteuererklärung aufzunehmen, Dem jeweiligen Erwerber steht für seinen gesamten Erwerb einschließlich Kryptovermögen der von seinem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser abhängige individuelle Erbschaftsteuerfreibetrag (Ehepartner € 500.000, Kinder je € 400.000, Enkel je € 200.000) zur Verfügung. Testamentarische Vermächtnisanordnungen des Erblassers können die Gesamtsteuerlast durch geschickte Ausnutzung der Freibeträge der Beteiligten erheblich reduzieren.

Gibt es spezielle Erbschaftsteuerbefreiungen für Kryptowerte?

Herr Utz: Das ist eine sehr spannende Frage, nämlich ob „analoge“ Steuerbefreiungen auch im digitalen Bereich gelten. Beispielsweise, ob Kryptokunst / NFTs als Kunstwerke/-sammlungen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes gelten können. Auch wenn es sich hierbei ebenfalls um Kunst handelt, dürfte die Steuerbefreiung an weiteren Tatbestandsvoraussetzungen wie notwendigen Kosten der Erhaltung scheitern. Hierzu gibt es leider wie bei vielen Themen der Übertragung einer analogen Gesetzgebung in eine digitale Welt bislang keine belastbare Rechtsprechung. Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im betrieblichen Bereich.

Inwiefern im betrieblichen Bereich?

Herr Utz: Betriebliches Vermögen kann weitgehend oder sogar vollständig von der Erbschaftsteuer befreit sein. Im Endeffekt will der Gesetzgeber produktives Vermögen privilegieren, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Insofern knüpfen diese Befreiungsvorschriften zum einen daran an, dass für einen bestimmten Zeitraum – 5 Jahre für eine 85%-Verschonung bzw. 7 Jahre für eine Vollverschonung – weder der Betrieb veräußert noch die jährliche Lohnsumme reduziert wird. Weiterer relevanter Punkt ist, dass im Wesentlichen das produktive Vermögen, nicht jedoch das sogenannte Verwaltungsvermögen begünstigt werden soll. Eine zu hohe Verwaltungsvermögensquote im Verhältnis zum Gesamtwert des Betriebs kann eine Verschonung teilweise oder vollständig vereiteln. Relevant ist also, ob Kryptowerte als nichtbegünstigtes bzw. schädliches Vermögen einzustufen sind oder nicht. Für Kryptowährungen und Kryptokunst ist das im betrieblichen Bereich eher zu bejahen. Bei der Planung der Unternehmensnachfolge muss also ein Augenmerk auf die digitalen Vermögenswerte des Betriebs gelegt werden.

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Macht es fiskalisch einen Unterschied, ob Krypto-Direktanlagen oder Finanzprodukte (Krypto-ETPs oder -ETNs) vererbt werden?

Herr Dr. Arendt: Ein Unterschied ergibt sich im Fall der Veräußerung bei der Einkommensteuer. Direktinvestitionen wie in Bitcoin stellen grundsätzlich sogenannte „private Veräußerungsgeschäfte“ dar, sodass der Veräußerungsgewinn mit dem individuellen Einkommensteuersatz plus Soli zu versteuern ist. Bei einer Haltedauer von mehr als einem Jahr ist die Veräußerung von Direktinvestitionen allerdings grundsätzlich steuerfrei. Für ETPs / ETNs gilt diese Einordnung grundsätzlich nicht. Einen Sonderfall könnten indes die ETPs / ETNs darstellen, die einen sogenannten Auslieferungsanspruch auf Krypto-Token beinhalten. Da man sich in diesem Fall die Tokens auch „ausliefern“ lassen könnte, wird vertreten, die bisher zu Gold-ETPs ergangene Rechtsprechung insoweit auszuweiten. Allerdings wird die Frage der physischen Hinterlegungsfähigkeit von Coins kontrovers diskutiert. Die Finanzverwaltung geht aber bislang davon aus, dass eine Gleichbehandlung mit Gold-ETPs erfolgen kann.

Und erbschaftsteuerlich?

Herr Utz: Im Hinblick auf die Erbschaftsteuer ergibt sich kein wesentlicher Unterschied. ETPs / ETNs sind aufgrund ihrer Börsennotierung in der Regel einfacher zu bewerten.

Wie ist der erbschaftsteuerliche relevante Wert bei Krypto-Anlagen zu ermitteln?

Herr Dr. Arendt: Hier gelten ebenfalls die allgemeinen Grundsätze des Erbschaftsteuer- bzw. Bewertungsgesetzes. Für die Bewertung gilt ein striktes Stichtagsprinzip. Maßgeblich für die Bewertung von Nachlassgegenständen ist der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls (Todestag). Spätere Wertschwankungen – also zum Beispiel ein gravierender Kursverfall – sind erbschaftsteuerlich grundsätzlich unbeachtlich. Der relevante Wert ist der sogenannte „gemeine Wert“, also der Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts zum Stichtag zu erzielen gewesen wäre. In der Literatur wird teilweise argumentiert, dass es sich bei DLT / Blockchain-Produkten nicht um werthaltige Wirtschaftsgüter handelt, da es sich lediglich um nicht aus der Blockchain herauslösbare Datensätze handelt, denen kein eigenständiger Wert zukommt. Die Argumentation von Bundesfinanzhof (BFH) und Finanzverwaltung, dass Token an Märkten handelbar sind und der Begriff des Wirtschaftsguts entsprechend weit zu fassen ist, ist jedoch überzeugender.

Wie ermittelt man diesen „gemeinen Wert“?

Herr Utz: Die konkrete Bewertung wirft in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten auf und ist in vielen Punkten offen. Die Wertermittlung hängt davon ab, um was für einen Vermögensgegenstand es sich handelt. Werden Kryptowerte an einem regulierten Markt (Börse) gehandelt, gilt der Tageskurs am Todestag. Streiten lässt sich darüber, welcher Tageswert (Uhrzeit) zugrunde zu legen ist und auf welche Börse abzustellen ist. In zeitlicher Hinsicht dürfte zugunsten des Erben auf den tiefsten Tageskurs abzustellen sein. Werden Kryptowerte nur an unregulierten Märkten gehandelt, dürfte wohl – ebenfalls zugunsten des Erben – auf den niedrigsten Wert am Todestag abzustellen sein, der an einem verfügbaren Marktplatz vorliegt. Bei Krypto-Assets ohne Marktplatz und beispielsweise bei NFT oder Unikaten dürfte mangels Vergleichswerten eine Schätzung zweckmäßig sein. Hierbei können ein etwaiger Nennwert und ein gezahlter Kaufpreis von Bedeutung sein. Im Zweifel sind Sachverständigengutachten einzuholen, wobei diese hinterfragt werden können.

Wie wird Kryptovermögen im Erbfall bewertet – und warum spielt der Todestag eine so große Rolle?

  • Stichtagsprinzip: Kurs am Todestag zählt – spätere Verluste grundsätzlich erbschaftsteuerlich irrelevant.
  • Börsennotierte Kryptos: wegen hoher Volatilität muss unmittelbare Handlungsfähigkeit der Erben sichergestellt sein!
  • Nicht börsennotierte Werte / NFTs: Schätzung oder Gutachten nötig.

Gibt es, analog zu vererbten Aktien, eine Art „Fußstapfentheorie“ bei Kryptowerten: Können Erben Gewinne aus Bitcoin, die der Erblasser zuvor mehr als ein Jahr gehalten hatte, steuerfrei veräußern?

Herr Dr. Arendt: Zum Verständnis ist zunächst anzumerken, dass die „Fußstapfentheorie“ nicht die Erbschaftsteuer betrifft, sondern die Veräußerungsgewinnbesteuerung bei der Einkommensteuer. Wie bereits erwähnt, können private Veräußerungsgeschäfte steuerfrei sein, wenn der Gegenstand mindestens ein Jahr gehalten worden ist. Hier wirkt die Vorbesitzzeit des Erblassers grundsätzlich zugunsten des Erben, die Fußstapfentheorie gilt also. Allerdings ist hier im Einzelfall immer entscheidend, um was für einen Vermögenswert es sich handelt, und auch, ob ich beim Erwerb von Todes wegen eine Gegenleistung erbracht habe oder nicht. Eine Ausgleichszahlung an andere Erben kann beispielsweise eine für die Fußstapfentheorie schädliche Gegenleistung darstellen.

V-CHECK Video: Krypto-Assets: Gewinne mit Bitcoin, NFTs & Co. erzielen und richtig versteuern

Steuerfallen bei Krypto-Investitionen? Das Interesse an Krypto-Assets steigt rasant – ebenso wie die aktuellen Kurse. Angesichts der Rally und der neuen Investment-Möglichkeiten wie die Blackrock ETFs ergeben sich neue Perspektiven für Anleger.Was hier aus dem steuerlichen Blickwinkel zu beachten ist, erklärt Rechtsanwalt Dr. Christopher Arendt, Geschäftsführer von Acconsis, im Interview mit Börsenmoderator Andreas Franik – aufgezeichnet auf dem Vermögenstag der V-Bank AG in München.

Sonderthema Scheidung

Was sollten Paare, die in Zugewinngemeinschaft leben, bei der Auseinandersetzung von Kryptovermögen steuerlich beachten?

Herr Utz: Hinsichtlich der Zugewinngemeinschaft ist zunächst wichtig zu wissen, dass beide Ehepartner jeweils ein eigenständiges Vermögen haben. Ein gemeinschaftliches eheliches Vermögen gibt es in der Zugewinngemeinschaft nicht. Wenn also ein Ehegatte den Kaufpreis bezahlt, anschließend beide Ehegatten hälftige Berechtigte werden, stellt dies grundsätzlich eine Schenkung dar, da der andere Ehegatte etwas ohne eigene Leistung erlangt hat. Dies wird oftmals übersehen, kann bei Überschreiten des Schenkungsteuerfreibetrages des Ehegatten (€ 500.000 innerhalb von 10 Jahren) unbeabsichtigt erhebliche Schenkungsteuer auslösen. Da solche Vorgänge meist erst nachträglich entdeckt werden, steht in diesen Fällen regelmäßig sogar eine Steuerhinterziehung im Raum. Es ist also wichtig, zu dokumentieren, wer wieviel des Kaufpreises aufgebracht hat und in welchem Verhältnis der Kryptowert den Beteiligten zuzurechnen ist.

Und im Falle einer Scheidung?

Herr Dr. Arendt: Im Falle der Scheidung in Zugewinngemeinschaft wird verglichen, welcher Ehegatte während der Ehedauer wieviel hinzugewonnen hat. In den Vermögensvergleich ist der Wertzuwachs / -verlust von Kryptovermögen ebenso einzubeziehen wie beispielsweise der Wertzuwachs / -verlust von Immobilien. Derjenige, der während der Ehe mehr Vermögen hinzugewonnen hat, muss von diesem Mehr-Zugewinn die Hälfte abgeben. Dieser Vorgang unterliegt nicht der Schenkungsteuer, da ein rechtlicher Zahlungsanspruch besteht. Diesen schenkungsteuerlichen Vorteil kann man sich auch bei der Beendigung der Zugewinngemeinschaft ohne Scheidung – also durch bloßen Güterstandswechsel bei einer sogenannten „Güterstandsschaukel“ zunutze machen. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn in Erfüllung des Zugewinnausgleichs anstelle des Geldbetrages Vermögensgegenstände wie Bitcoin oder Immobilien hingegeben bzw. verrechnet werden, da dies grundsätzlich als Veräußerungsvorgang anzusehen ist und somit erhebliche Einkommensteuer auslösen kann.

Ehe & Scheidung – besondere Stolperfallen

  • Zugewinngemeinschaft: Jeder Ehepartner hat eigenes Vermögen -> ungewollte Schenkung möglich!
  • Scheidung: Kryptowerte fließen in den Zugewinnausgleich ein.
  • Wallets: Besser frühzeitig trennen oder dokumentieren, wem welche Werte gehören.

Welche Bewertungs-Stichtage sind in dem Zusammenhang steuerlich relevant?

Herr Utz: Es gibt hier keinen steuerlichen Bewertungsstichtag im engeren Sinn – maßgeblich ist der zivilrechtlich berechnete Ausgleichsanspruch. Maßgeblich für die Berechnung des Zugewinns sind das jeweilige Anfangsvermögen, also der Wert des jeweiligen Vermögens bei Eheschließung, und das jeweilige Endvermögen, also der Wert des jeweiligen Vermögens bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft (Scheidung). Etwaige Kursgewinne / -verluste sind beim jeweiligen Endvermögen zu berücksichtigen, erhöhen oder reduzieren dieses also. Besonderheiten gelten für Schenkungen, die ein Ehegatte gemacht oder erhalten hat, das würde hier im Detail aber zu weit führen. Anhand des jeweiligen Anfangs- und Endvermögens errechnet sich der jeweilige Zugewinn während der Ehedauer, dessen Differenz anschließend auszugleichen ist.

Rechtlich und technisch-praktisch gefragt: Wie vollziehen sich trennende Partner die Aufteilung einer Wallet?

Herr Dr. Arendt: Rechtlich ist das im Detail eine hochkomplexe, derzeit nur unbefriedigend zu beantwortende Frage. Der Diskurs ist noch im Fluss. Eine klare gesetzliche Regelung fehlt. Hintergrund ist, dass das deutsche Sachenrecht, das die rechtliche Vermögenszuordnung von analogen Gegenständen / Rechten regelt, bei digitalen Werten an seine Grenzen stößt. Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff passt nicht, da Token lediglich Datensätze in einer allgemeinen Blockchain sind, die dem Einzelnen nicht gehört. Token sind in rechtlicher Hinsicht weder Sachen, Forderungen, Urheberrechte, Schuldurkunden noch Inhaberwertpapiere. Insofern ist fraglich, woran die rechtliche Vermögenszuordnung zu knüpfen ist. Überzeugend ist, die Vermögenszuordnung danach vorzunehmen, wer sowohl physischen Zugriff auf die Wallet – beispielsweise eine Hardware-Wallet – hat als auch den private key kennt. Dies können jedoch, insbesondere bei Multisig-Wallets (Multi-Signature-Wallets), mehrere Personen sein. Bei mehreren Personen besteht die Schwierigkeit darin, dass innerhalb der Wallet keine anteilige Zuordnung der Vermögenswerte an verschiedene Personen vorgesehen ist. Insofern ist aus praktischer Sicht zu empfehlen, von Anfang an separate Wallets anzulegen oder die Vermögenszuordnung separat zu regeln bzw. zu dokumentieren. Bei mangelnder Regelung bzw. Dokumentation dürfte bei der Aufteilung einer Wallet bei Trennung wie bei der Aufteilung von Gemeinschaftskonten vorzugehen sein. Sofern keine abweichende Vermögenszuordnung nachgewiesen werden kann, ist von hälftiger Aufteilung auszugehen. Auch hier zeigt sich, dass aufgrund des unzureichenden rechtlichen Rahmens für digitale assets Vorsorge getroffen werden muss.

Fazit:

1. Frühzeitig planen – Kryptowerte gehören in jede Nachlassplanung und bringen spezifische Herausforderungen mit sich.

2. Sichere Verwahrung – Zugangsdaten niemals im Testament, sondern geschützt hinterlegen.

3. Handlungsfähigkeit sicherstellen – Hohe Volatilität der Digital Assets erfordert schnelle Handlungsfähigkeit.

4. Individuelles Testament – um Streit und unerwünschte Zugriffe zu vermeiden.

5. Steuern optimieren – Freibeträge und Haltefristen klug nutzen.

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