Offene Immobilienfonds - Das sichere Betongold wackelt

Offene Immobilienfonds - Das sichere Betongold wackelt


Offene Immobilienfonds stecken in der Krise. Wieder einmal. Die Preise für Immobilien fallen. Doch dieses Mal kommt ein weiterer Nackenschlag für die Branche hinzu. Ein Gericht versagt einem Fonds die Einstufung als sichere Geldanlage. Anleger sind verunsichert, wie es weitergeht.

Offene Immobilienfonds sind keine sichere Geldanlage. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hält zumindest den in die Krise geratenen offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ für risikoreicher als von der Fondsgesellschaft angegeben. Für die Fondsbranche und Banken war das Urteil ein Schock. Sie werben gerne mit dem geringen Risiko der Immobilienanlage um Investorengelder. Meist werden die Fonds mit den Risikostufen 1 oder 2 von 7 möglichen angegeben. „Das führte in der Vergangenheit dazu, dass viele Anleger die Fonds als Alternative für ein Sparkonto sahen“, sagt Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement. Diese Sicherheit stellt das Urteil nun infrage.

Fondsverband BVI: Hohe Abwertungen und milliardenschwere Kapitalabflüsse

Der UniImmo Wohnen ZBI investiert ausschließlich in Wohnimmobilien. Diese verloren nach den massiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren deutlich an Wert. Der Fonds musste Mitte vergangenen Jahres sein Portfolio innerhalb eines Tages um knapp 17 Prozent abwerteten. Es war der höchste Tagesverlust, den Anleger bisher bei offenen Immobilienfonds hinnehmen mussten.

In der Folge zogen Anleger nach der Statistik des Fondsverbands BVI mehr als sechs Milliarden Euro aus offenen Immobilienpublikumsfonds ab. Allein die Schwergewichte DWS und Union Investment mussten jeweils mehr als zwei Milliarden Euro an die Investoren zurückzahlen. Aus dem Hausinvest der Commerzbank-Tochter Commerz Real floss eine weitere Milliarde ab. Einzig die Fonds der Sparkassentochter Deka bekamen mehr Geld von den Anlegern. Unter dem Strich wurden fast 200 Millionen Euro mehr angelegt. Die Marktbeobachter des Analysehauses Barkow Consulting gehen davon aus, dass das weniger an der Attraktivität der Fonds liegt als an der hohen Zahl von Sparplänen und automatischen Wiederanlagen bei den Deka-Fonds. Erste Fonds wie der vor allem in Österreich vertriebene LLB Semper Real Estate mussten bereits schließen und nehmen seit Ende 2023 keine Fondsanteile mehr zurück.

Verkauf unter Zeitdruck drückt Immobilienpreise

Das Problem der Fonds: Um die Gelder in dieser Höhe auszahlen zu können, müssen sie Immobilien verkaufen. Das ist derzeit alles andere als einfach. „Einer der Hauptgründe für die jetzigen Situation am Immobilienmarkt ist das gestiegene Zinsniveau. Die Nachfrage am Immobilienmarkt ist schwächer und das drückt auf die Preise, erklärt Walter. „Wenn viele Anteilsbesitzer gleichzeitig ihr Geld wieder zurückbekommen wollen, müssen Immobilien unter Druck verkauft werden. Man braucht kein Makler zu sein, um zu wissen, dass Zeitdruck für die Preise nicht vorteilhaft ist“, weiß der Vermögensfachmann.

Unrealistische Bewertungen und geringe Renditen

Trotz fallender Preise auf den Immobilienmärkten haben manche Fonds in den vergangenen Jahren ihre Immobilien sogar noch aufgewertet. „Spätestens, wenn die Fonds die Immobilien verkaufen, müssen sie die Preise korrigieren. Das dürfte derzeit meist zu Abwertungen führen“, meint Walter.

Michael Thaler, Vorstand der Münchner TOP Vermögen rät Anlegern deshalb, sich eher von ihren Fonds zu trennen. „Die Börsenkurse der Fonds liegen teilweise deutlich unter den Immobilienwerten, die die Fondsgesellschaften angeben. Der Markt geht also von weiteren Abwertungen aus“, resümiert er. Zudem seien die Renditen gering. Seit der Finanzkrise 2008 lagen die jährlichen Renditen von offenen Immobilienfonds nach Kosten bei durchschnittlich 2,5 bis 3 Prozent. Im vergangenen Jahr waren sie laut BVI-Statistik über alle Fonds hinweg sogar negativ. „Für das Risiko ist das zu wenig“, findet Thaler.

Zumal die Herausforderungen blieben. „Der Immobilienmarkt ist mit steigender Regulatorik, Kosten für die energetische Sanierung, sinkender Nachfrage und steigenden Baukosten konfrontiert“, fasst Thaler zusammen.

Fonds ISIN Fondsvermögen in Mio. Euro Rücknahmepreis in Euro Börsenkurs in Euro Abschlag Performance 3 Jahre
Deka-ImmobilienEuropa DE0009809566 18.440 47,6 45,1 5,25% 2,93%
Deka-ImmobilienGlobal DE0007483612 7.130 54,47 51,65 5,18% 1,98%
WestInvest InterSelect DE0009801423 10.892 48,6 45,75 5,86% 0,76%
Unilmmo: Deutschland DE0009805507 12.500 96,2 89,92 6,53% 2,48%
Unilmmo: Europa DE0009805515 13.778 53,16 47,63 10,40% 1,31%
Unilmmo: Global DE0009805556 3.246 47,09 41,26 12,38% 0,32%
Unilmmo: ZBI Wohnen DE000A2DMVS1 3.770 42,29 37,39 11,59% -7,09%
Hausinvest DE0009807016 16.300 43,99 40,55 7,82% 4,20%
DWS Grundbesitz Europa DE0009807008 6.377 36,67 32,29 11,94% -2,19%
DWS Grundbesitz D DE0009807081 680 51,61 45,71 11,43% -0,42%
DWS Grundbesitz global DE0009807057 2.916 47,34 40,66 14,11% -4,87%

Stand: 28.2 / aktuelle Geschäftsberichte der Fondsgesellschaften

Dass sich die Fonds jahrelang gut verkauft haben, hat für ihn vor allem einen Grund: „Für Sparkassen und Banken ist das Geschäft lukrativ. Sie verdienen an den hohen Provisionen“, sagt Thaler. Jetzt könne ein Verkauf über die Börse, notfalls mit Verlust, der bessere Weg sein.

V-CHECK Podcast mit Prof. Dr. Hartwig Webersinke und Wolfgang Juds: Wie risikoreich sind Investments in offene Immobilienfonds wirklich?

Offene Immobilienfonds gelten oft als sichere Anlage, doch wie sicher sind sie wirklich? Prof. Dr. Hartwig Webersinke und Wolfgang Juds, Geschäftsführer der CREDO Vermögensmanagement GmbH diskutieren im Gespräch mit Peter Heinrich vom Börsenradio die Risiken und die Schwankungen von Immobilienanlagen. Erfahren Sie, warum bei Immobilienfonds nur quartalsweise stattfinden, was die 17%-Abwertung des UniImmo Wohnen ZBI im Juni 2024 bedeutet und wie gesetzliche Fristen Panikverkäufe verhindern sollen.

Bessere Alternativen: REITs, ETFs und Immobilienaktien

Für die Vermögensexperten sind liquide Immobilienanlagen wie Immobilienaktien, börsengehandelte Immobilienfonds (Reits) oder Indexfonds (ETFs) die bessere Wahl. „Aktien von großen Wohnungsgesellschaften können angesichts der hohen Nachfrage nach Wohnraum eine spannende Alternative sein“, sagt Thaler. ETFs und Reits, die globale Immobilienmärkte und verschiedene Immobilienarten abdeckten, seien zudem deutlich günstiger als offene Immobilienfonds. „Für uns sind offene Immobilienfonds auf jeden Fall keine gute alleinige Anlageform für sicherheitsorientierte Anleger“, resümiert Walter.

Interview mit Michael Thaler, Vorstand der TOP Vermögen AG in München: Offene Immobilienfonds sind kein risikoloses Produkt

Michael Thaler

Wer langfristig plant und in soliden Fonds investiert ist, kann die Krise auch aussitzen und hoffen, dass die Immobilienpreise wieder steigen. Eine Gewähr dafür gibt es nicht.

Michael Thaler: Ganz vorsichtig gesprochen, könnten in manchen Fällen eine Falschberatung vorliegen. Wenn der Fonds den Anlegern als sichere Anlage verkauft wurde, wären Schadenersatzansprüche möglich. Aber so weit ist es noch nicht. Die Fondsgesellschaft wird wahrscheinlich in Berufung gehen.

Thaler: Auch das lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Natürlich könnte ein weiteres Urteil, das die Auffassung des Gerichts bestätigt, weitreichende Konsequenzen für andere offene Immobilienfonds haben. Generell sehen wir unsere Auffassung bestätigt, die wir schon seit Jahren haben: Offene Immobilienfonds sind kein risikoloses Produkt.

Thaler: Die Fonds haben ein Grundproblem, sozusagen einen Konstruktionsfehler. Es wird versucht, aus einem illiquiden Investment wie Immobilien ein liquides Investment in Form eines Publikumsfonds zu machen. Die schnellen Zinserhöhungen haben den Wert von Immobilien in viel stärkerem Maße beeinflusst als erwartet. Wenn die Zinsen steigen und die Preise fallen, müssten die Fonds eigentlich ihre Immobilien abwerten. Das passiert aber vielfach nicht. Die Anleger glauben, dass die Fonds mehr wert sind. Diese Situation ist nicht neu. Die Finanzkrise 2008 führte zu erheblichen Problemen bei offenen Immobilienfonds. Nach der Abwertung des Immobilienbestandes zogen viele Anleger Gelder aus den Fonds ab, was bei einigen schwere Liquiditätsprobleme verursachte.

Thaler: Das droht den aktuellen Fonds noch nicht. Allerdings steht es um einige Fonds nicht sonderlich gut. Auszuschließen ist es nicht.

Thaler: Als erste Einschätzung reicht ein Blick auf die Börsenkurse der Fonds. Sie spiegeln die aktuellen Markterwartungen der Anleger wider. Wenn die Kurse für Immobilienfonds fallen, könnte dies darauf hindeuten, dass die Anleger besorgt sind. Sind die Börsenkurse deutlich niedriger als der von den Sachverständigen ermittelte Nettoinventarwert des Fonds, kann dies ein Warnsignal sein.

Thaler: Nein. Einige offene Immobilienfonds erzielen weiterhin positive Renditen. Es kommt darauf an, wie gut der Bestand vermietet ist und wie viel Fremdkapital im Einsatz ist.

Thaler: Das Problem für viele Anleger sind die Kündigungsfristen, die nach der Finanzkrise eingeführt wurden. Wer seine Anteile zurückgeben will, muss grundsätzlich zwölf Monate auf sein Geld warten. Eine Alternative ist der Verkauf über die Börse. Allerdings werden die Fonds da mit einem Abschlag gehandelt. Wer langfristig plant und in soliden Fonds investiert ist, kann die Krise auch aussitzen und hoffen, dass die Immobilienpreise wieder steigen. Eine Gewähr dafür gibt es nicht.

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