Ungeahnte Klumpenrisiken bei ETFs: So streuen Anleger ihr Geld wirklich breit

Ungeahnte Klumpenrisiken bei ETFs: So streuen Anleger ihr Geld wirklich breit


Die Goldene Regel beim Investieren heißt Streuung. Daher empfehlen Verbraucherschützer: Einfach einen weltweit anlegenden Indexfonds (ETF) kaufen – das war‘s! So beteiligen sich Anleger mit nur einem Wertpapier an Hunderten, wenn nicht Tausenden von Firmen. Das stimmt zwar, ist aber nicht die volle Wahrheit. Denn die allermeisten Aktien-ETF streuen wegen der Index-Konstruktion bei Weitem nicht so breit, wie die große Mehrheit der Anleger glaubt. Doch für das Problem gibt es passende Lösungen.

In vielen ETFs lauern Gefahren, die Experten als Klumpenrisiken bezeichnen und deren sich die wenigsten Anleger bewusst sind, die auf Indexfonds setzen. „Der Grund dafür ist, dass weit über 90 Prozent aller Indizes die Anteile der Unternehmen nach ihrer Marktkapitalisierung gewichten“, sagt Anton Vetter von der BV&P Vermögen AG mit Sitz in Kempten und München. Das bedeutet: Je höher der Börsenwert einer Firma, desto größer ist ihr Anteil im Index. Aus diesem Grund hat die Apple-Aktie im Nasdaq 100-Index ein Gewicht von zwölf und Microsoft von knapp zehn Prozent. Amazon folgt mit gut sieben Prozent. Unterm Strich machen also drei Konzerne fast ein Drittel des Index aus, zu dem insgesamt 100 Unternehmen gehören.

Geballte Power nicht nur in den USA

Diese geballte Power ist keine Spezialität der USA. So bewegen die fünf größten Unternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX) ungefähr 40 Prozent des Volumens, auf die letztplatzierten fünf Firmen entfallen gerade mal fünf Prozent. Diese Ballung setzt sich bei den Sektoren und Ländern fort. „Im prinzipiell sehr weit gestreuten MSCI All Country World Index (ACWI), zu dem auch Schwellenländer zählen, haben die US-Firmen einen Anteil von 60 Prozent“, sagt Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung GmbH in Stuttgart. Trotz der gut 1.600 Aktien in den ACWI-ETFs kommen die erwähnten Tech-Firmen dort immer noch auf zehn Prozent. Kaum anders sieht es bei Emerging Markets-ETFs aus: Wer anlegt, investiert ein Drittel seines Geldes in China. Am krassesten ist es wohl im SMI-Index. Dort stehen drei Schweizer Unternehmen – Nestlé, Roche und Novartis – für 60 Prozent der Marktkapitalisierung.

Weltaktien-Indizes
Egal ob es sich um Industrieländer handelt oder um deren Kombination mit Schwellenländern: Die Vereinigten Staaten dominieren alle Indizes, die den weltweiten Aktienmarkt abbilden – sprich den World Index wie auch den All Country World Index. In ETFs auf den ACWI machen die USA rund 60 Prozent aus (Bild, Quelle: MSCI), im MSCI World kommen sie sogar auf fast 70 Prozent. Dies übersteigt den Anteil der US-Unternehmen am weltweiten Sozialprodukt deutlich.
ETF-Anleger, die dem Übergewicht Amerikas in ihrem Depot entgegenwirken wollen, können einen Weltaktien-ETF mit Indexfonds kombinieren, die die unterrepräsentierten Regionen, Branchen und Aktiengrößen abbilden. Durch einen solchen Core-Satellite-Ansatz reduzieren sie das Risiko, das durch „den Elefanten“ USA entsteht und können Chancen in anderen Regionen und Branchen wahrnehmen.

Segen und Fluch der Aktien-Konzentration

Doch ist dieser starke Fokus auf gewisse Unternehmen, Branchen, Länder und Regionen stets von Übel? Diese Frage kann man aus zwei Blickwinkeln beantworten – aus taktischer und aus strategischer Sicht. In taktischer Hinsicht fuhren Anleger mit marktkapitalisierten Indizes zuletzt meist etwas besser als mit Indexfonds, die alle Aktien gleich gewichteten und sich noch immer an einer Hand abzählen lassen. Fakt ist aber auch, dass die erfolgreichsten Aktien, Sektoren oder Länder der vergangenen Jahre in diesen ETFs das höchste Gewicht haben. „Das kann den Anlegern auf die Füße fallen, wenn das Momentum dieser Titel nach unten dreht. Dann ziehen die Schwergewichte in den marktkapitalisierten ETFs diese Fonds stärker nach unten als in Equal-Weight-ETFs oder bei einer gleichmäßigeren Portfolio-Struktur“, gibt Vermögensverwalter Kaim zu bedenken.

Ein klassischer Welt-ETF streut nicht weit genug

Unter dem strategischen Blickwinkel spricht ebenfalls einiges dafür, weiter zu streuen, als es der übliche ETF-Ansatz vermag. So sorgen die Schwellenländer nach Vetters Worten derzeit für ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung – was sich seiner Meinung nach in langfristig höheren Renditen solcher Investments widerspiegeln dürfte. In den ACWI-ETFs sind die Emerging Markets jedoch bislang mit weniger als zehn Prozent vertreten. „Dieses Missverhältnis“, so Vetter, „lässt sich korrigieren, wenn man das Welt-Portfolio am Bruttoinlandsprodukt der Regionen ausrichtet. Auf diese Weise bekommen die USA einen geringeren und die Schwellenländer einen höheren Anteil am Portfolio.“

Bewährtes ETF-Prinzip komplett über Bord werfen?

Stellt sich die Frage, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, so weit wie nur irgend möglich auf „das Prinzip Marktkapitalisierung“ zu verzichten. Immerhin ist das eindeutig die dominierende Methode, mit der die globalen Kapitalströme gelenkt werden. Und den Anlegern würde es wenig nutzen, die damit verbundenen Risiken auszuschalten, wenn ihnen dafür womöglich (erhebliche) Performance entgeht. „Die Lösung des Dilemmas könnte sein, einen der üblichen marktkapitalisierten Welt-ETF mit anderen regionalen oder Themen-ETFs so zu kombinieren, dass im Portfolio ein besseres Gleichgewicht entsteht“, sagt Vermögensverwalter Kaim.

Das Beste aus verschiedenen Welten kombinieren

Die Vorteile: Anleger erhalten sich die Aussicht, mit einem einzigen marktkapitalisierten ETF am Wachstum der Weltwirtschaft teilzuhaben. Gleichzeitig reduzieren sie das Klumpenrisiko und können Chancen nutzen, die sich in Regionen, Ländern, Branchen und bei Aktien bieten, die von diesem klassischen Weltaktien-ETF nicht oder kaum abgedeckt werden. Dabei könnten folgende Kombinationen sinnvoll sein:

  • Weltaktien-ETF plus ETFs für unterrepräsentierte Regionen
  • Weltaktien-ETF plus ETFs für unterrepräsentierte Branchen
  • Weltaktien-ETF plus ETFs für mittel/gering kapitalisierte Aktien (Mid/Small Caps)

Wie sich ein solches Portfolio konkret zusammenstellen lässt, erklärt Franz Kaim im Interview. Anleger, die noch gleichmäßiger investieren wollen, können zu gleichen Teilen ETFs auf USA, Europa (inkl. Großbritannien und Schweiz), Japan und Emerging Markets kombinieren (siehe ETF-Tabelle). Dabei werden die Titel innerhalb der Regionen weiter nach dem Börsenwert gewichtet, während die Regionen gleich stark vertreten sind. Noch einen Schritt weiter gehen die gleichgewichteten ETFs (Equal Weight), von denen es aber gerade mal eine Handvoll gibt.

Portfolio-Bau mit Köpfchen: ETFs für Weltaktien (Core) und Ergänzungen (Satellite)

ETFs (Indexfonds)WKNKostenRegionen/Branchen
Weltaktien-ETF (Core, USA mit bis zu 70 Prozent vertreten)
iShares MSCI WorldA0RPWH0,20 %Industrieländer
iShares MSCI World SRIA2DVB90,20 %Industrieländer, nachhaltig
Vanguard FTSE All WorldA2PKXG0,22 %Industrie- und Schwellenländer
ETF für Regionen (Satellite, in Weltaktien-ETFs unterrepräsentiert, weniger als 20 Prozent)
iShares MSCI USA SRIA2AFC00,20 %USA, nachhaltig
iShares MSCI Europe SRIA1H7ZS0,20 %Europa, nachhaltig
Amundi Emerging MarketsA2ATYY0,20 %Schwellenländer
UBS MSCI Pacific SRIA1JA1U0,40 %Asien-Paz. inkl. Japan, nachhaltig
ETF für Branchen (Satellite, in Weltaktien-ETFs unterrepräsentiert, weniger als 10 %)
Xtrackers MSCI World CommunicationA113FK0,25 %Kommunikation, global
Xtrackers MSCI World Cons. StaplesA113FG0,25 %Basis-Konsumgüter, global
Xtrackers MSCI World MaterialsA113FL0,25 %Grundstoffe, global
Xtrackers MSCI World EnergyA113FF0,25 %Energie-Erzeugung, global
Xtrackers MSCI World UtilitiesA113FJ0,25 %Energie-Versorgung, global
ETF für mittelgroße und kleine Aktien (Satellite, in Weltaktien-ETFs klar unterrepräsentiert)
iShares Edge MSCI World Size FactorA12ATH0,30 %mittelgroße Aktien, weltweit
SPDR MSCI World Small CapA1W56P0,45 % kleine Aktien, weltweit
iShares MSCI World Small CapA2DWBY0,35 %kleine Aktien, weltweit
Quelle: justetf.com / Recherche: Jürgen Lutz / Stand: 9. September 2022

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