Wie funktioniert ein Entnahmeplan mit der Trinity-Formel?

Wie funktioniert ein Entnahmeplan mit der Trinity-Formel?


Es klingt wie ein Traum: Ich lege mein Vermögen richtig an, brauche nur einen bestimmten Prozentsatz auf und lebe ansonsten von Zinsen und Erträgen glücklich bis an mein Lebensende.

Wissenschaftler an der Trinity Universität in Texas haben dazu auch eine eigene Formel entwickelt: die Trinity-Formel. Wie ein Entnahmeplan gelingen kann, erklärt der bankenunabhängige Vermögensverwalter Andreas Görler von Pruschke & Kalm, Berlin.

Interview mit Andreas Görler, Senior Wealth Manager und zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager bei der Pruschke & Kalm GmbH

Andreas Görler

Bei Fonds würde ich darauf achten, dass halbjährliche bzw. vierteljährliche Ausschüttungen stattfinden. Auch amerikanische Aktien schütten vierteljährlich aus. Es geht hier nicht um die Rendite an sich, sondern um regelmäßige Zahlungsströme, damit man nicht so oft Verkaufsorders erfassen muss.

Erst einmal grundsätzlich: Wenn ich ein größeres Geldvermögen aufgebaut habe und davon eine gewisse Zeit lang leben will, z.B. 20 oder 30 Jahre, woher weiß ich, wie viel vom Vermögen ich regelmäßig entnehmen kann? 

Andreas Görler: Das Wichtigste ist zunächst eine Übersicht über die Ein- und Ausgaben zu tätigen, die innerhalb eines Jahres getätigt werden. Man sollte hier auch selektieren, welche Ausgaben für die Befriedigung von Primärbedürfnissen (z.B. trinken, essen, wohnen) unbedingt notwendig sind.

Die Ausgaben stellen den Ertrag dar, der jährlich aus der Geldanlage benötigt wird.

Wenn das Primärziel in „völliger finanzieller Unabhängigkeit“ liegt, ist es ggfs. auch notwendig, den privaten Konsum zu reduzieren, weniger zu verreisen, den Wohnraum zu verkleinern oder auf einen PKW zu verzichten, so wie es beispielsweise Frugalisten umsetzen.

Oft wird auch gewünscht, dass der Kapitalstock stabil bleibt. Dann benötigt man natürlich auch entsprechend viel Anfangskapital um 30 Jahre durchzuhalten oder gar, mit 40, nie wieder arbeiten zu müssen, wie es Frugalisten vorhaben. Wenn man aber keine Angehörigen versorgen muss, ist das meiner Meinung nach, nicht notwendig, zumindest sollte man dann aber auch einen guten Plan haben, was nach dem eigenen Ableben mit dem Geld passiert.

Wie kommt die 4%-Entnahme-Regel zustande, gern auch Trinity-Formel genannt, die seit Jahrzehnten kursiert? 

Görler: In der Studie der Trinity Universität in Texas von 1998 haben die Wissenschaftler Vergangenheitsdaten bemüht und im Jahr 1925 „begonnen“. Ein fiktives Geldvermögen wurde zur Hälfte in US-Aktien und in US$-Anleihen angelegt. Dann haben wurde berechnet, wie viel man von diesem Vermögen in den folgenden Jahren jedes Jahr ausgeben kann, so dass nach 30 Jahren noch etwas übrigbleibt.

Diese Rechnung wurde dann für alle einundvierzig 30-Jahres-Zeiträume zwischen 1925 und 1995 wiederholt (z.B. 1926 bis 1955, 1927 bis 1956 usw.). Wenn man jedes Jahr nur 4% verfügt hätte, hätte man danach am Schluss immer noch Geld übrig.

Wie sollte ein Vermögen idealerweise strukturiert sein (z.B. nach Anlageklassen), aus dem ich regelmäßig Geld entnehme? 

Görler: Wenn man mal davon absieht, dass man sich erst Mal ein größeres Vermögen aufbauen muss, dass ggfs. a. EUR 500.000, – beträgt-, damit ich jährlich EUR 20.000, — entnehmen kann, die mir evtl. reichen, sollte es meiner Meinung nach eine Mischung aus 60% internationalen Aktien bzw. aktienähnlichen Instrumenten (Aktienfonds), 30% internationalen Anleihen bzw. entsprechenden Fonds und 10% Mischfonds sein.

Die Summe, die im ersten Jahr benötigt wird, sollte gar nicht erst in ein Depot eingezahlt werden, sondern, unabhängig von der Verzinsung auf einem Tagesgeldkonto verbleiben.

Bei Fonds würde ich darauf achten, dass halbjährliche bzw. vierteljährliche Ausschüttungen stattfinden. Auch amerikanische Aktien schütten vierteljährlich aus. Es geht hier nicht um die Rendite an sich, sondern um regelmäßige Zahlungsströme, damit man nicht so oft Verkaufsorders erfassen muss. Ich würde auch die Entnahmen quartalsweise und nicht monatlich durchführen.

Welche Faktoren werden bei einem Entnahmeplan häufig unterschätzt, sollten aber unbedingt mit bedacht werden? (z.B. Volatilität, Liquidität, Steuern, Kosten)

Görler: Wie bei Ansparplänen, kann es auch bei Entnahmeplänen dazu kommen, dass die Zahlungsströme zu ungünstigen Zeitpunkten erfolgen.

Außerdem kann eine Börsenschwäche dazu führen, dass das „Primärziel“ rein rechnerisch nicht mehr erreichbar scheint (z.B. Abwärtsentwicklung nach platzen der Dotcom-Blase 2000, Finanzkrise 2008, Beginn des Russland-Ukraine-Krieges 2022). Das Problem besteht darin, dass man dazu neigt Entwicklungen einfach linear fortzuschreiben. Das sollte man sowohl in negativen, wie in positiven Phasen unterlassen.

Auch das Trinity-Modell beinhaltete ja einige Krisen, beginnend mit dem Börsencrash von 1929 oder der ersten Erdölkrise von 1973, der zweiten Ölkrise von 1979/1980 oder der nordischen Bankenkrise der 90er Jahre.

Von 1970 bis 2007 gab es übrigens 124 Bankenkrisen, 326 Währungskrisen und 64 Staatsverschuldungskrisen (z.B. GREXIT).

Wenn man in solchen Phasen jedes Mal in Panik gerät uns sein Depot komplett umstrukturiert, wird es wohl eher nichts mit dem ruhigen Vorruhestand.

Volatilitäten müssen ausgehalten werden. Einmal im Jahr sollte man aber die Allokation prüfen und ggfs. anpassen. Wenn beispielsweise, die Aktienkurse überproportional ansteigen und die Aktienquote dadurch signifikant steigt, sollte man Aktien verkaufen und in Rententitel umschichten.

Bei allen Berechnungstools für Spar- und Entnahmepläne, sollte die Funktion zur Berücksichtigung der Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag vorhanden bzw. aktiviert sein.

Da die Nettorendite für die Auszahlungen zur Verfügung stehen muss, sollten auch die Kosten der Geldanlage berücksichtigt werden.

Da Eventualitäten nicht ausbleiben, sollten auch hier stets ca. drei „Monatsgehälter“ auf einem Tagesgeld geparkt werden.

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Wie das Auto oder die Gesundheit, sollte auch die Geldanlage regelmäßig überprüft werden. Ein jährlicher Portfolio-Check hilft, Risiken zu minimieren und sicherzustellen, dass die Anlage den individuellen Zielen weiterhin entspricht.

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