
Offene Immobilienfonds und Corona: "Anleger sollten zunächst die Ruhe bewahren"
Frage: Stehen die offenen Immobilienfonds angesichts der Corona-Pandemie vor einer ähnlichen Krise wie im Schlepptau der Finanzkrise?
Markus C. Zschaber: Nein, „Offene Immobilienfonds“ stehen nicht vor einer Situation wie nach der Finanzkrise 2008. Das damalige Problem lag nicht an möglichen Mietausfällen, mit denen jetzt zu rechnen ist, sondern an der Tatsache, dass die Offenen Immobilienfonds in der Finanzkrise von der Börsenkorrektur zunächst verschont wurden. Auf Grund dieser Tatsache flossen Milliarden Euro in diese Anlageklasse. Die damalige Konstruktion der sogenannten „Offenen Immobilienfonds“ sah auf der einen Seite vor, dass Anleger täglich verkaufen und kaufen können, auf der anderen Seite aber auch, dass das Fondsmanagement den Liquiditätszufluss abbauen muss, in dem es Immobilien kauft.
Hier offenbarte sich ein Konstruktionsfehler, der über 30 Jahre so nicht beachtet wurde. „Offene Immobilienfonds“ galten bis dato als die sicherste Anlageklasse mit einer BVI Durchschnittsrendite von knapp 5 % p.a., auf 10 Jahre im Durchschnitt. Der vorläufige Tod dieser Anlageklasse stand bevor, als die Anleger mit der Entspannung der Finanzkrise wieder in andere Anlageklassen investieren wollten und die Fondsanteile, um Liquidität zu schaffen, wieder verkauften.
2019 investierten die Deutschen so viel Vermögen in Offene Immobilienfonds wie nie zuvor

Anlagevolumen offener Immobilienfonds in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2019 (in Millionen Euro) Quelle: Statista
Da keiner der in Deutschland zum Verkauf angebotenen „Offenen Immobilienfonds“ es schaffte, diese enorme Liquidität zur Verfügung zu stellen, schloss man zunächst die Rückgabe der Anteile aus, bevor einzelne Fonds dann liquidiert und abgewickelt wurden. Die Liquidation bedeute für viele Anleger einen hohen Verlust, da die Immobilien innerhalb der Fonds oft unter Marktwert verkauft werden mussten. Zudem offenbarte sich ein weiterer Fehler in diesem Konstrukt: die Überbewertung von Immobilien in den „Offenen Immobilienfonds“ selbst, ein absolutes Desaster. Nur einige wenige haben überlebt, aber mit einem andere und neuen Regelwerk!
Frage: Was können betroffene Anleger jetzt tun?
Zschaber: Anleger können davon ausgehen, dass sich die prognostizierten Renditeentwicklungen bei vielen Anbietern von „Offenen Immobilienfonds“ in der jetzigen Zeit und möglicherweise für die nächsten 3 bis 4 Jahre nicht umsetzen lassen. Zwar sind die Fonds breit investiert und man müsste als Anleger einmal den Jahresmanagementbericht einsehen, um zu ermitteln, in welchen Branchen, in wie vielen Objekten und möglicherweise welchen Ländern der einzelne Fonds investiert.
Verteilung der Liegenschaften in offenen Immobilienfonds im Jahr 2020 nach Nutzungsarten

Fakt ist, es wird Mietausfälle geben, mal weniger, mal mehr. Das zehrt an der Rendite. Der Anleger sollte auch den sogenannten Rücknahmepreis seiner Fondsanteile bei der Fondsgesellschaft direkt ansehen und nicht im täglichen Börsenhandel. Dort wird zu viel an Emotion und möglicherweise Fehlinformation gehandelt. Klar ist auf jeden Fall, es kommt zu Neubewertungen bei den Einnahmen und dieses spiegelt sich in den Fondskursen wieder.
Offene Immobilienfonds die beispielsweise Immobilien im Portfolio haben, deren Mieter in der Krise geöffnet waren, also Supermärkte, Drogerien oder andere Geschäfte des täglichen Bedarfs, sind gar nicht oder nur wenig betroffen. Das gilt auch für die sogenannten Logistikimmobilien. Wer hingegen einen Fonds besitzt, der möglicherweise in Hotels, Restaurant und ähnliches investiert hat, der könnte vor größeren Neubewertungen und Ausfällen stehen.
Mein Tipp ist daher: Anleger sollten zunächst die Ruhe bewahren und ihren Berater nach oben beschrieben Unterlagen und Szenarien befragen.
Frage: Wie können Anleger aus einem Immobilienfonds aussteigen?
Zschaber: Mit den Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 hat der Gesetzgeber grundsätzliche Änderungen eingeführt, damit diese Anlageklasse wieder zum „Leben“ erweckt werden konnte. Dabei ging es um die Haltedauer, bevor überhaupt wieder die Anteile veräußert werden können, bis hin zur näheren Beschreibung der Anlageklasse, wie diese funktioniert und wie lange man investiert sein sollte.
Generell müssen Verkäufe schon 12 Monate vorher angemeldet werden. Dazu kommt, dass diese Anteile mindestens 24 Monate im Besitz des Anlegers sein müssen. Unter diesem Gesichtspunkt ist genau abzuwägen, ob man verkauft oder nicht. Denn das Ende des Lockdowns steht kurz bevor und dann wird es einen starken konjunkturellen Aufschwung mit Nachholeffekten geben, der sich ebenso bei den Mietern und den Immobilien innerhalb der jeweiligen Immobilienfonds widerspiegeln wird! Natürlich steht es dem Anleger frei, seine Anteile auch über die Börse zu verkaufen, aber teils mit erheblichen Abschlägen.
Frage: Welchen abschließenden Rat geben Sie Anlegern?
Zschaber: Prüfen Sie zunächst drei Dinge: Erstens, warum Sie diese Anlageklasse wählten. Zweitens Ihren angestrebten Zeithorizont. Drittens den Anteil, den Ihre Investition an Ihrem Gesamtvermögen ausmacht.
Dann fragen Sie Ihren Berater, über den Sie den Fonds bezogen haben, wie es um die Immobilien, die möglichen Neubewertungen oder auch das gesamte Immobilienportfolio steht.
Notieren Sie sich die Aussagen und fragen Sie auch, ob die Anlage noch Ihrem Risiko entspricht. Dann entscheiden Sie was zu tun ist.
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