
Schwieriges Umfeld für Häuslebauer
Seit 2010 steigen die Preise von Wohnimmobilien fast ungebremst. Und selbst im schwierigen ersten Halbjahr 2022 kletterten sie laut der Bundesbank um 10,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch inzwischen erscheint das Umfeld, das von extrem niedrigen Zinsen geprägt war, nicht mehr ganz so rosig.
So droht derzeit nicht nur ein wirtschaftlicher Abschwung, vielleicht sogar eine Rezession, sondern vor allem sind die Zinsen zuletzt deutlich gestiegen. Mit der Erhöhung der Leitzinsen von null auf 2,5 Prozent durch die Europäische Zentralbank im vergangenen Jahr zogen auch die Zinsen für ein zehnjähriges Baudarlehen deutlich an: von rund einem auf fast vier Prozent in der Spitze.
„Das bedeutet in etwa eine Vervierfachung der Kreditkosten pro Jahr“, rechnet Fabian Thaler von der TOP Vermögen AG in Starnberg vor. „Es ist also kein Wunder, dass die deutlich höheren Zinsen die Nachfrage nach Wohnimmobilien dämpfen.“ Und das wiederum dürfte nicht ohne Auswirkungen auf die Immobilienpreise bleiben.
So rechnet das Forschungsinstitut DIW in Berlin, auch weil sich die Preise und die Mieten stark auseinanderentwickelt haben, mit einem Preiseinbruch von rund zehn Prozent. „Allerdings werden die Preise nur dort in diesem Jahr zurückgehen, wo die Nachfrage geringer ist als das Angebot“, sagt Samir Zakaria von dem Vermögensverwalter Hansen & Heinrich aus Frankfurt am Main / mit Niederlassung in Buchenberg im Allgäu. „Und das bedeutet für Käufer von Wohnungen oder Häusern, dass sie nun bei den einzelnen Objekten sehr viel genauer hinsehen müssen.“

Das gilt insbesondere für Investoren. „Für sie sind vor allem die Marktentwicklung und die Rendite ausschlaggebend“, erklärt Zakaria. „Und da wird es im aktuellen Umfeld schwieriger noch attraktive Objekte zu finden.“
Dazu gilt es nach Ansicht von Fabian Thaler noch etwas zu bedenken: „In großen Städten wie München liegt die Mietrendite im Durchschnitt bei unter drei Prozent“, sagt er. „Das liegt unter den Finanzierungskosten, während Sie zugleich am Kapitalmarkt bei konservativen Anleihen schon wieder vier bis sechs Prozent Rendite bekommen.“ Ein Investment in Wohnimmobilien rechnet sich folglich kaum noch oder nur in den seltensten Fällen.
Anders ist die Situation bei Investitionen für den Eigenbedarf. „Hier ist weniger die Marktentwicklung, sondern die finanzielle Machbarkeit und die persönliche Präferenz, also ob jemand lieber zur Miete wohnen oder ein Eigenheim haben möchte, entscheidend“, macht Zakaria klar.
Für wen das Eigenheim noch erschwinglich ist, der hat derzeit womöglich sogar einen Vorteil. „Wir stellen fest, dass es inzwischen deutlich weniger Interessenten für Wohnimmobilien gibt, und diese können deshalb wählerisch sein und sogar über Preisnachlässe verhandeln“, sagt Thaler.
Mit größeren Unsicherheiten behaftet ist der längerfristige Ausblick über 2023 hinaus. Hier könnte die Neuregelung zur Erbschaftssteuer eine Rolle spielen. „Künftig wird der aktuelle Bodenwert zugrunde gelegt und der ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, weshalb auf Erben deutlich höhere Steuern zukommen können“, erläutert Thaler.
Zwar haben viele deshalb die Übertragung der Immobilie auf die Erben auf 2022 vorgezogen. „Wer das aber nicht getan hat, für den kann die neue Regelung im schlimmsten Fall einen Verkauf im Erbfall notwendig machen“, sagt Zakaria. Für den Immobilienmarkt könnte dies ein steigendes Angebot an Immobilien bedeuten, was für weitere Preisrückgänge sorgen könnte.
„Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass über das laufende Jahr hinaus die Nachfrage von Seiten der Investoren wieder zunehmen wird“, sagt Thaler. „Ich denke, dass wir deshalb langfristig wieder steigende Preise sehen werden, allerdings wird der Anstieg sehr viel langsamer und moderater vor sich gehen als in den vergangenen Jahren.“
Servicekasten: Was die neue Erbschaftssteuer für Immobilienbesitzer bedeutet
Immobilien vererben oder schenken kann künftig teurer werden. Grund dafür ist eine Änderung bei der Immobilienbewertung. So wurde der Sachwertfaktor für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie für Eigentumswohnungen, der bei der Feststellung des Wertes einer Immobilie zum Tragen kommt, von 0,5 bis 1,5 auf 0,8 bis 1,8 angehoben.
Zwar können auch weiter bis zu 400.000 Euro steuerfrei übertragen werden. Dennoch kann die Steuerbelastung in manchen Fällen für die Erben deutlich steigen. Experten gehen von 30 bis 40 Prozent Mehrbelastung aus.
Wer seine Immobilie nicht noch im vergangenen Jahr übertragen hat, für den sieht Fabian Thaler von der TOP Vermögen AG in Starnberg zwei Wege: „Zum einen eine Erhöhung der Miete, um damit die Mehrbelastung aufzufangen, wobei Mieterhöhungen auch enge Grenzen gesetzt sind“, sagt er. „Die andere Möglichkeit ist der Verkauf der Immobilie, um die Mehrbelastung zu umgehen.“
Interview mit Fabian Thaler: „Von Gewerbeimmobilien rate ich derzeit ab“

Herr Thaler, wie entwickeln sich derzeit die Preise für Gewerbeimmobilien?
Fabian Thaler: In den vergangenen zehn Jahren sind die Preise von Büroimmobilien stark gestiegen, aktuell stagnieren sie jedoch. Im Einzelhandelsbereich sind sie schon etwa seit 2017 rückläufig. Im Gegensatz zu Wohnimmobilien sind im Gewerbebereich auch die Mieten nicht so stark angestiegen und wir sehen bei Büro- und Einzelhandelsflächen einen deutlichen Rückgang bei den Nettoanfangsrenditen.
Worin liegen die Gründe für die schwache Entwicklung?
Thaler: Zum einen spielen hier, wie bei Wohngebäuden auch, die gestiegenen Zinsen und die unsichere wirtschaftliche Entwicklung eine Rolle. Zum anderen kommt bei Büros der Trend zum Homeoffice dazu, weshalb weniger Büroflächen benötigt werden. Beim Einzelhandel ist es der Online-Handel, der belastet.
Das klingt nicht positiv für den Gewerbebereich…
Thaler: Das Umfeld war nicht gut und wird auch in diesem Jahr nicht gut aussehen. Wir wissen aktuell zwar nicht, ob eine Rezession kommt und wenn ja, wie stark sie sein wird. Sicher ist aber, dass ein wirtschaftlicher Abschwung den Einzelhandel belastet, womöglich auch den Bürobereich.
Sie raten aktuell also eher ab?
Thaler: Ja. In den großen Städten in Deutschland liegen die Mietrenditen im Schnitt bei unter drei Prozent. Da aber konservative Anleiheinvestments bereits wieder vier bis sechs Prozent liefern, sind Anlagen in Gewerbeimmobilien derzeit unattraktiv. Das Risiko übersteigt die Chancen deutlich.
Was sollen Anleger tun, die bereits investiert sind?
Thaler: Wenn es ohne größere Verluste möglich ist und Sie einen Käufer finden, würde ich verkaufen. Denn aktuell ist unklar, wann wir hier eine Erholung sehen. Ansonsten bleibt nur übrig, abzuwarten und auf eine Erholung zu hoffen.
Interview Samir Zakaria: Chancen bei ausgewählten Immobilienaktien

Herr Zakaria, Immobilienaktien haben stark verloren. Worin liegen die Gründe?
Samit Zakaria: Die gestiegenen Zinsen haben zu einer Neubewertung von Immobilien geführt und verteuern zugleich die Finanzierungskosten. An der Börse schlagen sich solche Entwicklungen sofort nieder. Deshalb sind die Kurse von Immobilienkonzernen so stark unter Druck geraten.
Können sich daraus für Anleger Chancen ergeben?
Zakaria: Zum Teil ja. In manchen Fällen bilden die fallenden Kurse diese Probleme, vor denen Immobilienkonzerne stehen, nur zum Teil ab. Hier sind die niedrigeren Kurse berechtigt. In manchen Fällen übersteigt der Marktwert des Immobilienportfolios abzüglich der Schulden aber die Marktkapitalisierung des Unternehmens. Und das selbst dann, wenn man einen skeptischen Marktausblick zugrundlegt. Die Kunst ist es, die richtigen Titel zu identifizieren.
Wie sind offene Immobilienfonds im aktuell schwierigen Umfeld einzuschätzen?
Zakaria: Tatsächlich haben wir gesehen, dass es bei offenen Immobilienfonds in den USA zu Liquiditätsabflüssen gekommen ist. Das muss sich aber nicht auf Deutschland auswirken. Hier liegen die Renditen relativ konstant bei 2,5 Prozent.
Woher kommen die konstanten Renditen?
Zakaria: Diese Stabilität ist durch die in der Regel längeren Vertragszeiten der Mieter gewährleistet. Die Mieten werden daher, wenn überhaupt, nur mit Zeitverzögerung dem sinkenden Preisniveau der Immobilienmärkte folgen.
Eigentlich ist der Anleihemarkt derzeit aber attraktiver…
Zakaria: In der Tat hat die Attraktivität offener Immobilienfonds angesichts der inzwischen höheren Renditen am Anleihemarkt abgenommen. Ob wir bei Anleihen schon die niedrigsten Kurse schon gesehen wurden, ist aber nicht sicher. Laut den Aussagen der US-Notenbank Fed kann der Zinserhöhungszyklus noch deutlich weiter gehen, was zu einer anhaltenden Volatilität bei Anleihen führen dürfte. Wer mit solchen Schwankungen nicht leben kann, für den sind offenen Immobilienfonds trotz geringerer Rendite eine Alternative.
Interview mit Stephan Witt: Immobilien-Geheimtipp Garage?

Eignen sich Garagen als Kapitalanlagen?
Stephan Witt: Neben dem geringeren Kaufpreis im Vergleich zur Wohnimmobilie ist sicher der geringere Verwaltungsaufwand bei der Vermietung ein Vorteil von Garagen. In Großstädten und Ballungszentren sind Parkmöglichkeiten rar und gute Stellplätze/Garagen deshalb sehr nachgefragt. Dies gilt vor allem bei Bestandsimmobilen bei denen es teilweise viel zu wenige Stellplätze im Verhältnis zu den Wohneinheiten oder Büros gibt. Neben den Anschaffungskosten inklusive Nebenkosten darf man aber grundsätzlich nicht vergessen, dass auch für Garagen laufenden Kosten entstehen (Strom, Hausmeisterservice, Versicherung). Dies muss in der Ertragsrechnung berücksichtigen. Der wichtigste Schlüssel ist, dass man dauerhaft zu einem angemessenen Mietpreis vermieten kann. Lage ist bei Garagen noch mehr wie bei Wohnimmobilien der ausschlaggebende Faktor.
Wo stecken die Risiken?
Das größte Risiko ist, dass man die Garage nicht vermieten kann, da die Nachfrage plötzlich zurückgeht. Viele Leute verzichten gerade in den Innenstädten auf ein eigenes Auto, oder um Geld zu sparen, wird auf den Garagenplatz verzichtet. Diese Nachfrageentwicklung lässt sich sehr schwer vorhersehen und auch die Wertentwicklung von Garagenplätzen ist nicht transparent. Wenn sich die Situation rund um die Garage ändert, z.B. durch Zu- oder Weggang von Läden und gut besuchter Infrastruktur, kann sich die Nachfrage plötzlich in die eine oder andere Richtung verändern.
Gibt es dafür einen transparenten Markt?
Es gibt auch Beteiligungsangebote für Garagen und Parkhäuser, hier muss man zusätzlich den Emittenten prüfen und berücksichtigen dass man eine langfristige Kapitalbindung damit eingeht. Aktuell habe wir dazu aber keine Nachfragen.
Mit unseren Social Media Kanälen bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Sie finden uns auf: Facebook | LinkedIn | YouTube | Instagram | Pinterest