Der Klimawandel als Rendite-Killer: Haben ESG & Co. noch Zukunft?

Der Klimawandel als Rendite-Killer: Haben ESG & Co. noch Zukunft?


Die Prognose hat es in sich: Nach einer Studie von Allianz Research werden Anleger bald nicht mal mehr halb so viel verdienen wie früher – vier statt bis zu zehn Prozent für ausgewogene Depots. Grund sei der Klimawandel, der die Erträge von Unternehmen und Aktien gehörig unter Druck setze. Doch argumentieren die Allianz-Analysten stichhaltig oder gibt es nicht gute Gründe, dass es doch anders kommen könnte? Und was bedeutet das Ganze für die nachhaltige Geldanlage (ESG)?

Inhalt:

  1. Alles was Anleger über den Klimawandel und die Geldanlage wissen müssen
  2. Extra: Objektiv und verständlich: E-Booklet zum Thema Nachhaltigkeit
  3. Interview mit Andreas Enke, Geneon Vermögensmanagement in Hamburg: Anleger sollten beim Thema „nachhaltige ETF“ genau hinschauen
  4. ETF mit Nachhaltigkeits-Label schneiden durch die Bank besser ab
  5. Grafik: 120 Jahre Aktien und Anleihen: Erstaunliche Renditen waren möglich

Seit 1980 sind Investoren mit einem klassischen Depot aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen in den USA als dem global lukrativsten Kapitalmarkt gut gefahren: Im Durchschnitt wurden sie mit Jahresrenditen von zehn Prozent verwöhnt. Doch wenn es stimmt, was die Allianz-Ökonomen in der aktuellen englischsprachigen Studie „Langfristige Erträge am Kapitalmarkt in Zeiten des Klimawandels“ behaupten, müssen Anleger bei ihren Rendite-Erwartungen in Zukunft abspecken: Zur Mitte dieses Jahrhunderts werden nach ihrer Einschätzung für ausgewogene Depots nur Renditen von vier Prozent drin sein.

Klimawandel soll Erträge der Unternehmen deutlich drücken

Hinter der prognostizierten Halbierung (!) der Renditen stehen der globale Klimawandel und seine ökonomischen Folgen. Die Analysten rechnen damit, dass Extremereignisse wie Überflutungen, Brände oder Verwüstung das Wachstum der Wirtschaft spürbar bremsen werden. Diese Naturkatastrophen werden nach ihrer Meinung durch Produktionsausfälle oder die Unterbrechung von Lieferketten die Erträge vieler Firmen und damit von Aktien negativ beeinflussen, heißt es bei Allianz Research.

Zudem müsse wegen der in Zukunft höheren Schwankungen am Aktienmarkt der Anteil von (Staats-)Anleihen im Depot spürbar erhöht werden. Da nach Ansicht der Analysten die Zinsen mittelfristig sinken werden, dürfte sich auch das ungünstig auf die Rendite auswirken, die sich mit ausgewogenen Depots erzielen lässt. Ihre Folgerung: Mitte des Jahrhunderts werden sich Anleger mit jährlichen Renditen von vier Prozent begnügen müssen statt mit bis zu zehn Prozent, wie seit den 1980er-Jahren zu erzielen waren.

Wo bleibt da der technische Fortschritt?!

Soweit die Theorie! Doch wie sehen ausgewiesene Praktiker der Vermögensverwaltung die Studie: Zerstört der Klimawandel den Anlegern tatsächlich die Rendite – oder basiert die These auf Annahmen, die nur bedingt über Jahre oder sogar Jahrzehnte in die Zukunft projiziert werden können? Andreas Enke von Geneon Vermögensmanagement in Hamburg sieht solche weitreichenden Prognosen mit Skepsis: „Es gibt viele Faktoren, die sich mit der Zeit ändern können. Der Erfindungsreichtum der Menschheit, der sich auch im technischen Fortschritt ausdrückt, gehört dazu“, sagt der unabhängige Vermögensverwalter, der sich auf nachhaltige Geldanlage spezialisiert hat. So könnten Unternehmen Lösungen für eine bessere Anpassung an den Klimawandel entwickeln, mit denen sich gutes Geld verdienen lasse. Zudem dürfte der Technologie-Sektor auch künftig für Produktivitätsschübe sorgen, von denen die Aktienmärkte profitieren werden.

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Viele Langfrist-Prognosen sind kläglich gescheitert

Stefan Eberhardt von e/r/w Vermögensmanagement in Stuttgart und Villingen-Schwenningen verweist zudem auf das Schicksal vieler früherer, teils spektakulärer Langfrist-Prognosen: „Denken Sie an die These von Peak Oil, also die Behauptung, der Welt werde in den 2010er-Jahren das Öl ausgehen. Diese Prognose hat sich als falsch erwiesen, viele neue Fördermöglichkeiten wurden entdeckt bzw. entwickelt“, sagt der unabhängige Vermögensverwalter. Im Gegenzug hätten selbst hoch dekorierte Ökonomen große Gefahren wie die Finanzkrise in den Jahren 2008/09 auch kurz vor dem Ausbruch nicht kommen sehen. Fazit: „Wenn selbst unmittelbare Risiken nicht erkannt werden – was soll man dann von Vorhersagen halten, die 20 Jahre in der Zukunft liegen?“

Nachhaltige Geldanlage fokussiert auf Klima-Gewinner

Vor diesem Hintergrund halten es Enke wie auch Eberhardt für sinnvoll, dass sich Anleger zunehmend mit nachhaltigen Geldanlagen beschäftigen – aus ethischen Gründen sowie aus finanziellen Motiven. Zum einen seien in nachhaltigen Portfolios bzw. Fonds und ETF weniger oder keine Unternehmen aus Sektoren enthalten, deren Anlagen unter den Folgen des Klimawandels leiden könnten – etwa Schwerindustrie, Bergbau, Ölförderung –, was die Risiken mindere. „Durch diese engere Auswahl setzen Anleger automatisch verstärkt auf weniger gefährdete Wirtschaftssektoren. Zudem haben nachhaltige Portfolios auch den Fokus auf Unternehmen, die neue, renditeträchtige Produkte und Dienstleistungen für die bessere Anpassung an den Klimawandel entwickeln“, sagt Eberhardt.

Bleibt die Mehrrendite von nachhaltigen ETF stabil?

Was aber ist mit Rendite-Rennern wie der Rüstungsindustrie, die bei der nachhaltigen Geldanlage keine Rolle spielt? Solche Aktien, etwa jene von Rheinmetall, haben sich in einem Jahr im Wert verdoppelt. Könnten nachhaltige ETF so gegenüber den üblichen Finanzprodukten bei der Rendite ins Hintertreffen geraten? Andreas Enke hält das für unwahrscheinlich: „Bereits einfache ESG-Indexfonds haben im Vergleich zu den üblichen Schwester-ETFs in den letzten fünf Jahren etwa einen Prozentpunkt per anno mehr an Rendite erzielt. Ich denke, dass sich dieser Trend mittelfristig fortsetzen wird“, so der Vermögensverwalter.

Objektive Infos statt Greenwashing

Anlegern, die es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen, rät Enke ohnehin, sich nicht mit ESG-ETFs zufrieden zu geben. Seiner Ansicht wird seit einiger Zeit „zu viel Greenwashing betrieben“, weil es den meisten Akteuren in der Branche vor allem um den Absatz von Produkten gehe statt um sauber definierte Nachhaltigkeit. Andreas Enke hat daher eine Broschüre zum Thema verfasst, in der er sich aus Anlegersicht verständlich und prägnant mit den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit auseinandersetzt (Extra).

V-CHECK Podcast mit Andreas Enke: Klimaneutral ist nicht alles!

Wenn es nach Vermögensverwalter Andreas Enke, Vorstand der Geneon Vermögensmanagement AG, geht, gehören vermeintlich „klimaneutrale“ Unternehmen wie Microsoft, Amazon oder Alphabet nicht ein wirklich nachhaltiges Portfolio. Warum das so ist, erklärt er in unserem Podcasts.

Extra: Objektiv und verständlich: E-Booklet zum Thema Nachhaltigkeit

Vielen Anlegerinnen und Anlegern ist es wichtig, bei ihrer Geldanlage Sinnvolles zu tun, ohne auf Rendite zu verzichten. Sie setzen daher auf nachhaltige Geldanlage. Doch was genau ist das eigentlich? Diese Frage beantwortet der unabhängige Vermögensverwalter Andreas Enke in dem E-Booklet „Damit Ihre Geldanlage gelingt: Gewissen und Rendite vereinen – so investieren Sie erfolgreich nachhaltig“. Der Finanzprofi erklärt folgende Themen objektiv, verständlich und prägnant:

  • Wie Privatanleger ihre Anlageziele definieren und dafür sorgen, dass sie sie auch erreichen;
  • Welche verschiedenen Formen nachhaltiger Geldanlage es gibt und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind;
  • Warum viele „nachhaltige“ ETF unter falscher Flagge segeln und wie man sie erkennen kann;
  • Wie Anleger gute aktiv verwaltete Nachhaltigkeits-Fonds von schlechten unterscheiden.

Interview mit Andreas Enke, Geneon Vermögensmanagement in Hamburg: Anleger sollten beim Thema „nachhaltige ETF“ genau hinschauen

Andreas Enke

Der wichtigste Rat ist, sich nicht von schönen Präsentationen oder leeren Worthülsen blenden zu lassen, wie das etwa beim norwegischen Staatsfonds geschieht. Anleger sollten vielmehr genau hinschauen und das Gelesene oder Gehörte hinterfragen.

Andreas Enke: Als Vermögensverwaltung, die sich seit ihrer Gründung auf nachhaltige Geldanlagen konzentriert, beobachten wir die Szene genau. Und seit einigen Jahren ist Nachhaltigkeit als Investment-Idee in aller Munde. Doch wie so oft, wird auch diese gute Idee von großen Akteuren der Finanzbranche entweder mittelmäßig oder sogar schlecht umgesetzt. Der Grund ist deren Motiv: Meist geht es ihnen um Gewinnmaximierung und nicht um die Frage, wie sich eine solche Idee möglichst optimal verwirklichen lässt.

Enke: Dass viel zu oft alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird – Stichwort Greenwashing. So entsprechen viele angeblich nachhaltige ETF zu 90 bis 95 Prozent exakt dem nicht-nachhaltigen Index. Nehmen wir als Beispiel den MSCI Europe ESG Screened: Er enthält aktuell 384 der 416 Aktien, die sich auch im „normalen“ MSCI Europe befinden.

Enke: Das ist leider nicht so. Sehen Sie, ob eine Firma in einem Index enthalten ist, legen Indexanbieter wie MSCI fest. Je laxer die Ausschlusskriterien sind, desto mehr Unternehmen bestehen das Screening. Zudem gilt für den ESG Screened-Index, dass es keinen Best-in-Class-Ansatz gibt. Es werden also alle Unternehmen aufgenommen, die das Primär-Screening bestehen statt etwa nur diejenigen, die unter den besten 50 Prozent sind.

Enke: Das ist richtig. In fünf Jahren kommt der ESG-ETF derzeit auf 58,8 Prozent, der übliche ETF auf 57,6 Prozent. Mit dem MSCI Europe SRI waren indes 60,7 Prozent möglich. Und der SRI-ETF (für „Socially Responsible Investing“) hat eine weiter reichende und striktere Ausschluss-Praxis, untersucht die Geschäftspraxis der Unternehmen genau und nimmt nur einen Teil der Unternehmen auf, die das vorherige Screening bestehen. Der Effekt: Der SRI-Index enthält nur 113 Unternehmen statt 384 wie der ESG-Index. Das ist sicherlich mehr im Sinne echter Nachhaltigkeit.

Enke: Der wichtigste Rat ist, sich nicht von schönen Präsentationen oder leeren Worthülsen blenden zu lassen, wie das etwa beim norwegischen Staatsfonds geschieht. Anleger sollten vielmehr genau hinschauen und das Gelesene oder Gehörte hinterfragen. Wer auf sicherem Grund in das Thema starten will, kann die schon erwähnte Broschüre nutzen. Mit einschlägiger Literatur lassen sich diese Erkenntnisse im Anschluss vertiefen.

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ETF mit Nachhaltigkeits-Label schneiden durch die Bank besser ab

ETFISIN3 Jahre5 Jahre
iShares Core MSCI WorldIE00B4L5Y98332,7 %82,1 %
iShares MSCI World ESG ScreenedIE00BFNM3J7533,4 %86,4 %
iShares Core Euro StoxxIE00B53L3W7933,1 %63,8 %
Deka Euro Stoxx ESG FilteredDE000ETFL46636,6 %68,1 %*
Invesco S&P 500IE00B3YCGJ3841,8 %105,3 %
SPDR S&P 500 ESG LeadersIE00BH4GPZ2846,8 %102,8 %**
iShares Core DAXDE000593393122,8 %52,8 %
iShares DAX ESGDE000A0Q4R6924,1 %—-
soweit möglich, wurden thesaurierende ETF ausgewählt / alle ETF mit phys. Replikation
*  ausschüttender ETF / ** ETF wurde Ende November 2019 emittiert (< 5 Jahre)
Quelle: justetf.com / Stand: 30.09.2024 / Recherche: Jürgen Lutz

Grafik: 120 Jahre Aktien und Anleihen: Erstaunliche Renditen waren möglich

Aus hypothetischen 100 Euro (früher D-Mark), die im Jahr 1900 in den weltweiten Aktien- und Anleihemarkt investiert wurden, wurden im Lauf von 120 Jahren bei der folgenden Verteilung des Geldes auf Anleihen und Aktien:

437.400 Euro262.700 Euro140.400 Euro67.100 Euro28.800 Euro11.100 Euro
100 % Aktien80 % Aktien60 % Aktien40 % Aktien20 % Aktien
20% Anleihen40% Anleihen60% Anleihen80% Anleihen100% Anleihen
Quelle: Vanguard / Daten: Bloomberg / Performance verschiedener Indizes von 1900 bis 2020

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