
Die großen Gold-Irrtümer – und wovor das Edelmetall wirklich schützt
Die Inflationsrate in vielen Industrieländern bewegt sich in diesen Monaten zwischen acht und zehn Prozent. Doch das gelbe Edelmetall kennt seit dem Frühjahr offenbar nur den Weg nach unten. In der Handelswährung Dollar hat Gold seither bis zu einem Viertel an Wert verloren. Und in Euro gerechnet, ging es ebenfalls spürbar bergab. Damit rücken gleich zwei Behauptungen, die eingeschworene Gold-Freunde anführen, auf den Prüfstand: Das Edelmetall bewahrt Anleger zuverlässig vor Inflation. Und es beschützt das Vermögen bei geopolitischen Krisen.
Bei geopolitischen Krisen schützt Gold nicht immer
„Im Fall von Krisen kann Gold tatsächlich nicht immer halten, was eingeschworene Edelmetall-Fans sich davon versprechen“, sagt Vermögensverwalter Toni Vetter von der BV&P Vermögen AG in Kempten. So belegt der fallende Preis nach dem Angriff in der Ukraine das genaue Gegenteil. Auch 2008, als die Märkte wegen der Immobilien- und Finanzkrise ins Trudeln kamen, tauchte der Preis des Edelmetalls zeitweise um bis zu 30 Prozent ab. Und 2001, als die Welt auf die Trümmer des World Trade Center blickte und der jahrelange „Kampf gegen den Terror“ begann, rührte sich der Goldpreis kaum von der Stelle.
Auf lange Sicht bewahrt Gold sehr gut vor Geldentwertung
Doch was ist mit dem Schutz vor Inflation? Hier müssten Anleger sorgfältig unterscheiden, sagt Vermögensverwalter Mirko Kohlbrecher von der Spiekermann & CO AG in Osnabrück. „Als 1971 der Goldpreis freigegeben wurde, startete er mit 35 Dollar pro Feinunze. Anfang November dieses Jahres notiert das Edelmetall bei 1.700 Dollar. Das entspricht beinahe dem 50-Fachen bzw. einer jährlichen Rendite von acht Prozent und damit in etwa dem Wachstum der Geldmenge in den USA“, rechnet der bankenunabhängige Vermögensprofi vor. Die Erkenntnis daraus: Gold bewahrt auf lange Sicht die Kaufkraft, weil der Wert einer Feinunze parallel zur Geldmenge wächst – jedoch unter teils hohen Schwankungen. Dies gelte auch für Euro-Anleger, so Kohlbrecher.

Höhere Zinsen setzen das Edelmetall kurzfristig unter Druck
Warum hat Gold in Dollar dann in diesem Jahr trotz Inflation so kräftig Federn gelassen? Die maßgebliche Ursache für den Kursrückgang in Dollar sind die kräftigen Zinserhöhungen der US-Notenbank. Denn Zinserhöhungen wirken sich unmittelbar auf den Realzins – also Nominalzinsen minus Inflationsrate – aus, welcher die entscheidende Größe für die Goldpreis-Entwicklung ist. Da das Edelmetall keinerlei Erträge abwirft, schlägt eine Änderung des Realzinses eins zu eins auf den Goldpreis durch. Konkret: Geht der Realzins zurück, legt der Goldpreis zu. Steigt der Realzins – auch dann, wenn der Realzins negativ bleibt –, kommt Gold unter Druck. So war es in diesem Jahr: Vom Frühling bis jetzt stieg der Realzins in den USA von minus vier auf jetzt null Prozent nach oben, so die Federal Reserve Bank of Cleveland.
Rezession lässt Realzins sinken und stützt damit Gold
Unterm Strich bedeuten diese Zusammenhänge: Der langfristige Rückenwind für Gold durch das weltweite Wachstum der Geldmenge ist weiterhin vorhanden. Kurzfristig bläst Gold-Freunden durch den starken Zinsanstieg in den USA noch Gegenwind ins Gesicht. „Lässt der Gegenwind nach, weil etwa eine Rezession droht, könnte der Goldpreis recht schnell und deutlich steigen“, sagt Toni Vetter. Für den Vermögensverwalter ist daher „jetzt eine ideale Zeit, um den Goldanteil bei Bedarf dauerhaft aufzustocken“. Der Grund: Bei einem drohenden Schwächeanfall der Wirtschaft werden die Notenbanken die Zinsschraube nicht weiter anziehen, sondern eher wieder lockern. Es ist somit nicht die Rezession selbst, die den Goldpreis beflügelt – ein weiterer Irrtum über Gold –, sondern die Aussicht auf einen niedrigeren Realzins.
Goldanteil sollte zwischen 10 und 15 Prozent liegen
Wie hoch sollte nun der Anteil von Gold im Depot sein? Bei fünf Prozent kann das Edelmetall seine Wirkung kaum entfalten. Mit 25 Prozent wäre der Anteil wohl zu hoch. Mirko Kohlbrecher rät zu einem Anteil von bis zu 15 Prozent. „Dabei gilt: Je mehr Risiko ein Anleger tragen kann, desto eher sollte er sich in Richtung 15 Prozent orientieren“, sagt der Vermögensprofi. Ob man dabei auf physisches Metall oder besicherte Zertifikate (ETCs) ist bis zu einem gewissen Grad Geschmackssache: Wer nicht glaubt, dass es irgendwann zu einem System-Crash kommen könnte, kann komplett auf die im Erwerb deutlich günstigeren ETCs setzen. Andernfalls könnte eine Aufteilung auf physisches Gold und ETCs sinnvoll sein. Beim Kauf von physischem Gold sollte man aber zumindest auf Stückelungen von einer Feinunze oder einem 50-Gramm-Barren achten, so Kohlbrecher. Denn bei kleineren Einheiten wie zehn Gramm fällt das Agio auf den Kaufpreis mit fast sieben Prozent deutlich höher aus.
Interview: Gold schützt Anleger vor dem Wertverlust der eigenen Währung

Herr Vetter, Gold gilt vielen Anlegern als der Inflationsschutz schlechthin. Doch in diesem Jahr hat das Edelmetall in Dollar trotz hoher Inflation in den USA bis zu 25 Prozent an Wert verloren. Wie passt das zusammen?
Toni Vetter: Der Goldpreis in Dollar kam vor allem wegen der entschiedenen Zinspolitik der US-Notenbank unter Druck. Wegen etlicher Zinserhöhungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte stieg der Realzins dort deutlich – genauer: Er wurde dadurch weniger negativ als zuvor. Aber auch solche Anstiege belasten den Goldpreis.
Ist das der Grund, warum der Goldpreis in Euro weniger stark gesunken ist?
Vetter: Die Europäische Zentralbank hielt sich anders als die Federal Reserve mit Zinserhöhungen zunächst zurück. Das spiegelte sich in der Tat im Goldpreis, der gemessen in Euro zunächst weniger stark gesunken ist. So hat Gold in Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren (Stand Ende Oktober) um rund 50 Prozent zugelegt, in Dollar aber „nur“ um 30 Prozent.
Das müsste sich auch in den Wechselkursen zeigen…
Vetter: Richtig erkannt! Der Euro ist von Anfang 2018 bis Ende Oktober 2022 von rund 1,2 auf 0,97 Dollar gefallen. Dieser Rückgang entspricht 20 Prozent und damit genau der Differenz der Wertentwicklung zwischen dem Goldpreis in Euro und dem Goldpreis in Dollar.
Also macht der Realzins den Unterschied? Er bestimmt über die Attraktivität einer Währung – und über die Entwicklung des Goldpreises in dieser Währung. Je niedriger der Realzins, desto mehr profitiert Gold. Euro-Anleger konnten mit dem Metall den jüngsten Kaufkraftverlust der Währung zum guten Teil kompensieren.
Vetter: Diesen Zusammenhang konnte man nicht nur im Euro beobachten, wo Gold über die vergangenen zwölf Monate um sechs Prozent zulegte. Besonders eindrucksvoll schützte das Edelmetall Goldbesitzer vor dem Kaufkraftverlust der türkischen Lira, wo sein Preis in dieser Zeit um fast 80 Prozent hochschoss. In japanischen Yen betrug der Zuwachs wegen der laxen Notenbankpolitik knapp 20 Prozent.
Welches Fazit lässt sich daraus ziehen?
Vetter: Ich denke, man sollte Gold weniger als Rendite-Investment sehen, sondern eher als eine Anlage, mit der man sich vor dem Wertverlust bzw. der sinkenden Kaufkraft der eigenen Währung schützen kann. Besonders deutlich wird dies auf sehr lange Sicht. So ist der Preis einer Feinunze Gold in 50 Jahren von 35 auf jetzt über 1.700 Dollar geklettert. Wer Gold so lange hielt, entging mit diesem Teil des Vermögens dem Kaufkraftverlust des Dollars in dieser Zeitspanne.
Drei glänzende Ideen für Gold-Geschenke unterm Weihnachtsbaum
Wer seine Liebsten zu Weihnachten mit goldigen Geschenken überraschen möchte, hat die Qual der Wahl – zwischen physischem Gold, besicherten Gold-Zertifikaten (ETCs), die ins Depot gebucht werden, oder einer ganz besonderen Art von Gold-Aktien. Natürlich lassen sich diese Optionen auch kombinieren.
Goldmünzen und -barren
Möchten Sie Ihr Gold am liebsten in der Hand halten oder sich für den Fall einer Systemkrise mit einer kleinen Menge des Edelmetalls ausstatten? Dann ist der Kauf von Goldmünzen oder -barren bei einem Edelmetallhändler die beste Option. Neben Platzhirschen wie Proaurum und Degussa Goldhandel gibt es bundesweit eine ganze Reihe von Händlern, bei denen man Gold online shoppen kann. Einen Überblick bietet die Website www.goldseiten.de unter der Rubrik „Münzhändler“.
Auf Käufe von physischem Gold fällt wie bei ETCs keine Mehrwertsteuer an. Zudem wird bei beiden Anlageformen bei einem eventuellen Verkauf keine Steuer auf Kursgewinne fällig, wenn die Münzen/Barren bzw. die ETCs für mindestens ein Jahr im Besitz des Anlegers waren. Wichtig: Bei physischen Käufen sollte die Stückelung nicht zu klein ausfallen. Der Aufschlag für einen 1-Unze-Goldbarren (31,1 Gramm) bei pro aurum liegt derzeit bei 4,1 Prozent. Das Agio für einen Fünf-Gramm-Barren reißt indes fast die Zehn-Prozent-Marke!
Exchange Traded Commodities (ETCs)
Bei einer starken Nachfrage nach Barren und Münzen wie in der Corona-Krise können die oben erwähnten Aufschläge noch deutlich steigen. In diesem Fall beziehungsweise auch generell können Anleger auf Exchange Traded Commodities ausweichen. Dazu gehören außer Xetra-Gold (WKN: A0S9GB) mit unschlagbaren 0 % Verwaltungsgebühr per anno Invesco Physical Gold (A1AA5X, 0,12 % p.a.) und iShares Physical Gold (A1KWPQ, 0,15 % p.a.). Bislang ist für Kursgewinne bei Xetra-Gold nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs keine Steuer zu zahlen, wenn das Zertifikat mindestens ein Jahr im Depot lag. Ob dies für alle anderen mit Gold besicherten Zertifikaten gilt, lässt sich bislang nicht zweifelsfrei sagen – Motto: „Vor Gericht und auf hoher See…“
Royalty- und Streaming-Companies
Eine interessante Ergänzung zu den genannten Optionen sind Royalty bzw. Streaming Companies. Diese Unternehmen finanzieren viele mittlere und kleine Goldförderer, die sich wegen ihres hohen Geschäftsrisikos mit der Finanzierung durch Banken eher schwertun. Im Gegenzug bekommen Franco-Nevada, Wheaton Precious Metals und Royal Gold einen fixen Anteil des Minenertrags (Royalty) bzw. eine fixe Menge Goldunzen (Streaming) oder beides. Die Performance insbesondere von Franco Nevada seit dem Start im Dezember 2007 kann sich sehen lassen: Das Papier hat sich im Wert seither knapp verzehnfacht. Das entspricht über 15 Jahre einer Jahresrendite von 16,5 Prozent. Royalty- und Streaming-Aktien sind weniger risikoreich als Papiere von Minenunternehmen, bergen aber mehr Risiko als Gold.
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