
Interview mit Andreas Görler: Bei ETFs muss man mehr aufpassen!
Wann würden Sie einen Exchange Traded Fund (ETF), wann einen aktiven Fonds für Ihre Kunden bei der Geldanlage einsetzen?
Görler: Grundsätzlich setze ich eher aktive Fonds anstelle von ETFs ein. Insbesondere für unerfahrene Anleger oder kleinere Depotgrößen ziehe ich vermögensverwaltende Ansätze erfahrener Fondsmanager vor. Hier besteht auch die Möglichkeit sich komplett aus dem Markt oder einzelner Anlageklassen zurück zu ziehen. Bei einem ETF bleibt man stets voll investiert. Ich bin der Auffassung, dass der Anleger bei einem ETF mehr aufpassen muss, um bei Abschwüngen nicht voll dabei zu sein. Falls ein Anleger selbst am Markt aktiv sein will, aber trotzdem eine breite Streuung wünscht, eventuell auch häufiger traded, sind passive Ansätze besser geeignet
Was sind die spezifischen Stärken des ETFs? Wo und wie eingesetzt, kommen diese am besten zur Geltung?
Görler: Da passive Fonds keine Research-Teams benötigen und eher geringe Personalkosten verursachen, sind sie relativ kostengünstig. Passive Fonds sind meist voll investiert und halten somit keine relevanten Kassenbestände. Dadurch profitiert man stärker von positiver Marktentwicklung im gewählten Segment. Passive Ansätze sind meist sehr transparent (ein Index oder ein spezielles Aktiensegment), während man sich bei einem aktiven Ansatz vorher über die Philosophie des Fondsmanagers im klaren sein sollte.
Was sind die spezifischen Stärken eines aktiven Fonds? Wo und wie eingesetzt, kommen diesen am besten zur Geltung?
Görler: Bei jedem Investment muss man sich Gedanken darüber machen, welche Ziele man verfolgt und ob man gegebenenfalls Zeit und Interesse hat, sich selbst intensiver darum zu kümmern. Für die Erreichung wichtiger langfristiger Ziele ist ein aktiver, vermögensverwaltender Ansatz der alle Anlageklassen berücksichtigt, vorzuziehen. Die Kombination unterschiedlicher Investmentphilosophien ist möglich. Das Timing-Problem wird dem Fondsmanager überlassen. Außerdem verfügen die Experten über disziplinierte Ansätze und entscheiden nicht emotional über den Kauf oder Verkauf einer Position
Von welchen ETFs sollte ich als Privatanleger besser die Finger lassen?
Görler: Zumindest sollte man nicht bei jeder Modeerscheinung sofort mitmachen. Wenn man ständig irgendwelche Branchen- und Themen-ETFs kauft, hat man schon nach kurzer Zeit keine vernünftige Depotstruktur mehr. Ich bin aber auch kein DAX-Fan, weil ich hier mindestens die Hälfte der Werte gar nicht kaufen würde.
Ein Depot aus 25% Euro Stoxx 600, 20% MSCI World All Countries (etwas geringerer Anteil an US Aktien und breitere Streuung als beim MSCI World) 25% Nachhaltigkeits ETF, 25% Small Cap Europa und 10% Anleihen ETF mit kurzer/mittlerer Duration (als reine Liquiditätsreserve) sollte langfristig passen. So ein Depot kann mit Sparplänen sukzessive aufgebaut werden. Allerdings muss man die Disziplin haben, in Schwächephasen dabei zu bleiben. Daran hapert es meistens.
Woran erkenne ich einen guten aktiven Fonds?
Görler: Das Fondsmanagement sollte eine langjährige Expertise aufweisen und schon die ein oder andere Schwächephase gut überstanden haben. Sicherlich ist es interessant, eine historische Rückschau der Wertentwicklung zu betrachten. Hier geht es darum, wie sich der Fonds im Vergleich zu anderen Produkten der gleichen oder zumindest ähnlichen Fondsgruppe geschlagen hat und wie er sich in Schwächephasen, wie beispielsweise der Finanzkrise bewährt hat.
Insbesondere bei Mischfonds mit hohem Rentenanteil oder bei reinen Rentenfonds muss einem aber klar sein, dass sich das Zinsgefüge deutlich geändert hat. Die Erträge der Vergangenheit werden sich wohl nicht wiederholen lassen. Anhand des Factsheets sollte man prüfen, ob die Grundphilosophie bzw. die Anlagestrategie des Fondsmanagers transparent und verständlich ist. Mit Korrelationstabellen kann man feststellen, ob sich Fonds ähnlich oder sogar gleich entwickeln. Es ist besser unterschiedliche Ansätze zu kombinieren. Fonds, die im Wesentlichen nur indexorientiert arbeiten, kann man sich sparen. Hier sollte man dann lieber gleich einen ETF wählen, um Kosten zu sparen.