
Endlich wieder Zinsen: Lohnt es sich, jetzt auf Anleihen zu setzen?
Das zu Ende gehende Jahr war für Anleiheinvestoren alles andere als einfach. Nicht nur Aktien, sondern auch festverzinsliche Wertpapiere mussten herbe Kursverluste hinnehmen. „Die Ursache dafür lag darin, dass die Inflation viel schneller gestiegen ist als vom Markt erwartet und die Notenbanken deshalb die Zinsen sehr aggressiv erhöhen mussten, um den Preisanstieg unter Kontrolle zu bringen“, erklärt Stefan Eberhardt, Geschäftsführer der e/r/w Vermögensmanagement GmbH in Villingen-Schwenningen.
Dass darunter die Anleihekurse besonders litten, liegt an deren Funktionsweise. „Wenn die Zinsen steigen, dann klettern auch die Anleiherenditen, während deren Kurse zugleich fallen“, erläutert Robert Elster von Elster & Partner Family Office und Vermögensverwaltung in Eislingen/Fils. Wobei Anleihen mit langen Restlaufzeiten auf Zinsänderungen stärker reagieren als solche mit kürzerer Laufzeit. Das bedeutet aber auch, dass viele Anleihen jetzt wieder positive Renditen abwerfen.

Im Dezember 2021 brachte eine zehnjährige Bundesanleihe rund minus 0,3 Prozent. Ein Jahr später notiert sie bei fast zwei Prozent, bei US-Staatsanleihen gleicher Laufzeit sind es knapp 3,5 Prozent. Und Unternehmensanleihen in Euro mit guter bis sehr guter Bonität bieten sogar etwas mehr als vier Prozent. Doch allein das macht Anleihen angesichts einer Inflationsrate von derzeit zehn Prozent noch nicht attraktiv.
Wichtiger ist, dass die Zinsen nicht im gleichen Tempo steigen dürften wie bisher und vielleicht sogar zurückgehen. „Wir besitzen zwar keine Glaskugel, aber vieles spricht für eine Rezession im kommenden Jahr“, erklärt Elster. „Und in der Vergangenheit wiesen Anleihen in der ersten Hälfte einer Rezession, weil die Notenbanken dann die Geldpolitik lockern, eine sehr starke Wertentwicklung auf.“ Er sieht deshalb in 2023 bei festverzinslichen Wertpapieren sogar bessere Chancen als bei Aktien.
Das beurteilt Experte Eberhardt ähnlich. „Wir sehen derzeit ja, dass die Inflation nicht weiter steigt oder leicht fällt“, sagt er. „Das dürfte Druck von den Zentralbanken nehmen und, wenn es zu einer Rezession kommt, Zinssenkungen ermöglichen.“ Neben der laufenden Verzinsung könnten Anleger dann auch von steigenden Anleihekursen profitieren.
Risikolos ist das natürlich nicht. So könnte die Konjunktur entgegen den Erwartungen weiter gut laufen und die Inflation hoch bleiben. „Dann würden die Zinsen weiter steigen und das würde Anleihen erneut belasten“, erklärt Elster. Und auch eine sehr ausgeprägte Rezession würde Gefahren mit sich bringen. „Dann würde gerade bei Schuldnern schlechterer Bonität die Ausfallwahrscheinlichkeit steigen, die Renditen würden in der Folge nach oben gehen und die Kurse fallen“, sagt Eberhardt.
Robert Elster konzentriert sich bei der Vermögensallokation seiner Kunden ohnehin nur auf sichere Bundesanleihen. „Bei uns haben Anleihen ausschließlich die Aufgabe, die Volatilität im Portfolio zu senken“, erklärt er. Dazu investiert er das Anleiheportfolio je zur Hälfte in Bundesanleihen mit kurzer und mit langer Restlaufzeit. „Und diese Allokation stellen wir immer einmal im Jahr beim Rebalancing wieder her, so dass wir bei den Laufzeiten, die gut gelaufen sind, Gewinne mitnehmen, und in die schlechter gelaufene Kategorie umschichten.“
Dennoch können nach Ansicht von Eberhardt aktuell auch andere Anleihearten ihren Reiz haben. „In der Tat bieten qualitativ gute Unternehmensanleihen, ausgewählte Hochzinstitel oder inflationsindexierte Papiere eine interessante Chance zum Einstieg“, sagt er. Dabei empfiehlt der Finanzexperte Anlegern aber zu aktiv gemanagten Fonds, bei denen ein Manager die Auswahl der Einzeltitel vornimmt.
Interview mit Stefan Eberhardt: Welche Anleihen derzeit attraktiv sind und wo Vorsicht geboten ist

Herr Eberhardt, viele Anleger haben Bundesanleihen als Absicherung im Portfolio. Doch deren Kurse sind in diesem Jahr eingebrochen. Was ist zu tun?
Stefan Eberhardt: Deutschland gilt sicherer Schuldner mit hoher Bonität. Damit ist die Ausfallwahrscheinlichkeit extrem gering und da Bundesanleihen am Laufzeitende zu 100 Prozent zurückgezahlt werden, werden auch die Kursverluste bis dahin wieder aufgeholt. Das wird als „Pull-to-par“-Effekt bezeichnet. Zudem bekommen Anleger aktuell eine Rendite, weshalb sie diese Anleihen halten sollten.
Welche Anleihen sind für einen Einstieg aktuell attraktiv?
Eberhardt: Wir empfehlen inflationsindexierte Anleihen, die zusätzlich zum Kupon einen Inflationsausgleich zahlen. Bei einer deutschen Anleihe dieser Art ist bis 2026 eine Inflation von 2,6 Prozent im Durchschnitt eingepreist. Liegt die tatsächliche Teuerung unter dieser Break-even-Inflation, dann macht der Anleger Verlust. Liegt sie darüber, wovon wir ausgehen, dann bekommt man einen Inflationsausgleich und das Investment hat sich gelohnt.
Was ist mit Unternehmensanleihen?
Eberhardt: Ein Schuldner muss, je schlechter seine Bonität und je höher damit das Ausfallrisiko, einen umso höheren Zinsaufschlag gegenüber dem risikolosen Marktzins zahlen. Deshalb bieten solche Titel generell eine höhere Rendite als zum Beispiel Bundesanleihen. Dazu könnten im kommenden Jahr, wenn die Zinsen nicht weiter steigen oder sogar fallen, bei Unternehmensanleihen guter Bonität noch Kursgewinne kommen.

Und wie sieht es mit Hochzinsanleihen aus?
Eberhardt: Diese bieten zwar aktuell recht attraktive Renditen. Im Fall einer Rezession ist das Risiko von Ausfällen hier aber deutlich höher. Gerade hier würden wir deshalb zu Fondslösungen raten, bei denen ein Manager die einzelnen Schuldner genau analysiert.
Investieren Sie auch in Emerging-Market-Anleihen?
Eberhardt: Grundsätzlich ja und dann auch über Fonds. Hier ist allerdings die Währung ein sehr wichtiger Faktor. Da diese aktuell sehr starke Schwankungen aufweisen können, kann die dort höhere Rendite durch Währungsverluste schnell weg sein. Wir sind dort aktuell nicht investiert.
Anleihefonds und -ETFs
Name | ISIN | Wertentwicklung lfd. Jahr in % | Wertentwicklung 3 Jahre in % p.a. | Beschreibung |
iShares USD Treasury Bond 1-3yr UCITS ETF | IE00B14X4S71 | 2,56 | 1,09 | Staatsanleihen US-Dollar Kurzläufer |
Deka Dt. Börse EuroGov Germany 1-3 UCITS ETF | DE000ETFL185 | -4,11 | -2,00 | Staatsanleihen Euro Laufzeit 1 bis 3 Jahre |
iShares € Corp. Bond 1-5 Y UCITS ETF | IE00B4L60045 | -7,55 | -2,38 | Unternehmensanleihen Euro Kurzläufer |
RW Rentenstrategie | DE000A0MU789 | -8,86 | -2,07 | Anleihen Euro diversifiziert |
Robeco High Yield Bond | LU0085136942 | -9,15 | -1,56 | Hochzinsanleihen global (Euro abgesichert) |
iShares I € Corp. Bond ESG ETF | IE00BYZTVT56 | -11,88 | -3,74 | Unternehmensanleihen |
iShares Global Aggregate Bond ESG ETF (EUR hedged) | IE000APK27S2 | -12,19 | k.A. | Anleihen global (Euro abgesichert) |
iShares € Corp. ex-Financials ETF | IE00B4L5ZG21 | -12,53 | -3,94 | Unternehmensanleihen Euro |
Deka Dt. Börse EuroGov Germany 5-10 UCITS ETF | DE000ETFL201 | -14,13 | -5,31 | Staatsanleihen Euro Laufzeit 5 bis 10 Jahre |
Deka Dt. Börse EuroGov Germany 10+ UCITS ETF | DE000ETFL219 | -26,76 | -9,56 | Staatsanleihen Euro Laufzeit über 10 Jahre |
Glossar festverzinsliche Wertpapiere: Die wichtigsten Begriffe
Anleihe:
Ein Wertpapier, begeben von einem Schuldner, das eine bestimmte regelmäßige Zinszahlung sowie die Rückzahlung am Ende der Laufzeit bietet.
Ausfallrisiko:
Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Anleihe nicht zurückgezahlt wird. Bei einem Schuldner mit der Bestnote AAA liegt sie laut S&P bei rund 0,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, bei BBB sind es über den gleichen Zeithorizont 1,6 Prozent und bei BB, was dann in den Hochzinsbereich fällt, etwa 9,4 Prozent.
Bonität:
Damit können Anleger erkennen, welche Kreditqualität ein Schuldner hat. Die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel gilt mit einem AAA-Rating bei S&P als Schuldner höchster Qualität, womit das Ausfallrisiko extrem gering ist. Je schlechter die Bonität, desto höher die Ausfallwahrscheinlichkeit und desto höher in der Regel die Rendite.
Fremdwährungsanleihen:
Anleihen, die in einer anderen als der heimischen Währung begeben werden und die damit ein Wechselkursrisiko beinhalten.
Fälligkeit bzw. Laufzeit:
Der Zeitpunkt, an dem eine Anleihe zurückgezahlt wird.
Hochzinsanleihe (High Yield):
Eine von einem Schuldner geringerer Bonität begebene Anleihe, die somit eine niedrigere Kreditwürdigkeit und ein höheres Ausfallrisiko beinhaltet.
Inflationsindexierte Anleihe:
Eine Anleihe mit fester Laufzeit, bei der der Kupon und/oder der Nominalwert an einen Verbraucherpreisindex gekoppelt ist und die damit einen Inflationsausgleich bietet.
Kupon:
Dieser gibt die Höhe der Nominalverzinsung einer Anleihe an. Bei einem Nennwert von 100 Euro bekommt der Anleger bei einem Kupon von vier Prozent vier Euro im Jahr.
Rating:
Darunter ist Einschätzung der Kreditwürdigkeit eines Anleiheemittenten zu verstehen. Diese Einstufung wird von Rating-Agenturen vorgenommen, die vom Emittenten dafür bezahlt werden. Die größten und bekanntesten Rating-Agenturen sind Moody’s, Standard & Poor‘s (S&P) und Fitch.
Rendite:
Die Rendite einer Anleihe setzt sich aus dem regelmäßig ausgezahlten Zinskupon und der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs und dem Rückzahlungsbetrag, in der Regel der Nominalwert der Anleihe, zusammen.
Staatsanleihe:
Festverzinsliches Wertpapier, das von einem Staat begeben wurde.
Unternehmensanleihe:
Ein von einem Unternehmen begebenes festverzinsliches Wertpapier.
Variable Verzinsung:
Im Gegensatz zu festverzinslichen Wertpapieren weisen solche Anleihen einen variablen Kupon auf, der sich mit dem Marktzins verändert.
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