
Zertifikate, Optionen und Co. - Teufelszeug für Anleger?
Es gibt eine wichtige Grundregel für Anleger: Investiere nur in Sachen, die Du auch wirklich verstehst. Anfang des Jahres machte ein Fall Schlagzeilen, der einem die Bedeutung dieser Regel mal wieder vor Augen führte. Einer über 90-jährigen Rentnerin wurde in der Nullzinsphase vor zwei Jahren von ihrer Hausbank ein Zertifikat empfohlen. Das strukturierte Wertpapier schien eine gute Lösung für das Ersparte zu sein, denn es versprach garantierte 2,3 Prozent Zinsen und das bei sehr geringem Risiko, denn am Ende würden auf jeden Fall 100 Prozent des eingezahlten Geldes auch wieder ausgezahlt. Trotzdem verkaufte die betagte Dame vor ein paar Monaten dieses Zertifikat mit rund 50 Prozent Verlust.
Im Prinzip war das eine Wette darauf, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben würden, aber das ging daneben: Die jährlichen Zahlungen des Zertifikats sanken auf null. Nicht gut, aber eigentlich ja auch noch kein Drama, denn die Auszahlung des investierten Geldes war ja garantiert. Aber die 90-jährige hatte wohl noch eine Sache übersehen: Die Laufzeit des Zertifikats betrug 20 Jahre. Das heißt, statistisch betrachtet wird sie die 100 Prozent Auszahlung ziemlich wahrscheinlich nicht mehr erleben. Um doch noch etwas von ihrem Ersparten zu haben, verkaufte sie am Ende lieber mit Verlust. Also generell Finger weg von Zertifikaten?
Vorsicht bei strukturierten Wertpapieren
Der Markt für Zertifikate schwillt laut dem Bundesverband für strukturierte Wertpapiere derzeit an und hat sich in den letzten zwei Jahren auf 121,1 Milliarden Euro (Stand 03/24) fast verdoppelt. Zu den größten Anbietern gehören Unternehmen aus den Konzernen der bekannten Hausbanken um die Ecke. Wird so etwas dann Privatanlegern angeboten, sollten sie tatsächlich lieber ein Bogen darum machen und Direktinvestments bevorzugen. Das fängt schon bei einem grundsätzlichen Problem an, denn bei Zertifikaten gibt es ein Emittentenrisiko. Das bedeutet, geht die herausgebende Bank pleite, ist in der Regel das angelegte Geld weg. Bei einem Investmentfonds, ist dagegen das angelegte Geld Sondervermögen. Das heißt, auch bei einer Anbieterpleite gehören die Aktien in einem Fonds weiter dem Anleger. Zusätzlich sind die Emittenten bei der Konstruktion der strukturierten Produkte relativ frei. Es gibt zum Beispiel Varianten mit Bonus, Discount, Sprint, Hebel, Reverse, Turbo, Knock-Out usw. Jede dieser Varianten kann in einer bestimmten Situation unter ganz bestimmten Voraussetzungen durchaus Vorteile bringen. Aber kaufen sollte man so etwas nur, wenn wirklich die Feinheiten im Produktprospekt verstanden wurden. Selbst dann kann bei unerwarteten Marktreaktionen aus einer Zertifikatechance schnell ein dickes Minus werden bis zum Totalschaden. Kurz gesagt: Wer langfristig Vermögen aufbauen will, braucht keine komplizierten Zertifikate. Aber ist das alles Teufelszeug?
Stabile Renditen auch ohne komplexe Zertifikate
An sich sind strukturierte Wertpapiere nichts Verwerfliches. Sie können zum Beispiel genutzt werden, um Investments in schwer zugängliche Märkte zu ermöglichen. Auch in Seitwärtsphasen ermöglichen sie Profis, Rendite zu erzielen, wenn die Kurse an der Börse so gar nicht vom Fleck kommen. Wir als Vermögensverwalter verzichten aber bewusst darauf, solche strukturierten Wertpapiere zu nutzen. Sie sind für unsere langfristig orientierter Strategie nicht nötig. In speziellen Situationen kaufen wir lediglich Optionen der zur Deutschen Börse Gruppe gehörenden EUREX als eine Art Versicherung gegen Kursschwankungen in unseren Fonds. Zum Beispiel haben wir, kurz bevor in 2020 die Kurse im Zuge der Coronapandemie um 35 Prozent abstürzten, die vorher gute Börsenperformance über diese Optionen teilweise abgesichert. Das hat unter dem Strich die Quote der durch Schwankungen am Aktienmarkt direkt betroffenen Werte in unserer ausgewogenen Strategie auf durchschnittlich 25 Prozent reduziert. Oder anders gesagt, unseren Kunden blieben so zehn Prozentpunkte Kursschwankungen im Vergleich zum Markt erspart. Die direkten Investments, etwa in Aktien von gut aufgestellten Unternehmen oder solide Staatsanleihen, sind aber die entscheidende Basis unserer auf langfristigen Erfolg ausgerichteten Strategie. Das dürfte auch für Privatanleger der viel bessere Weg sein und ist unter dem Strich für die allermeisten sicher viel Erfolgsversprechender, als auf hochkomplexe Zertifikate zu setzen, die kaum jemand versteht.
V-CHECK Podcast mit Wolfgang Juds: Wie finde ich die richtige Aktie?
Die Zeiten, in denen die Deutschen als Aktienmuffel galten, scheinen vorbei zu sein. Das Deutsche Aktieninstitut ermittelte, dass 2022 fast 13 Millionen Menschen in Aktien, Aktienfonds oder börsennotierten Indexfonds, sogenannte ETFs investiert waren. Das sind 830.000 mehr als im Vorjahr. Diese Anlegerinnen und Anleger sind natürlich auch der Suche der der „richtigen“ Aktie.
Mit unseren Social Media Kanälen bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Sie finden uns auf: Facebook | LinkedIn | YouTube | Instagram | Pinterest