Jeder spricht von Blue Chip Kunst — aber was ist das eigentlich und was bestimmt ihren Wert?

Jeder spricht von Blue Chip Kunst — aber was ist das eigentlich und was bestimmt ihren Wert?


Wann wird ein Kunstwerk dem Blue Chip Segment zugewiesen und was bedeutet diese Klassifikation für den Kunstmarkt ganz konkret? Der Begriff Blue Chip Kunst ist der Finanzwelt entlehnt, wo in der Regel Aktien von großen, etablierten, umsatzstarken und weithin bekannten Unternehmen in diese Kategorie fallen.

Analog dazu zählt man zur Blue Chip Kunst ausschließlich weltweit bekannte, arrivierte Künstlernamen wie zum Beispiel Andy Warhol oder Claude Monet. Ihre Werke hängen in den bedeutendsten Museen der Welt und da sie eine unzerstörbare kunsthistorische Relevanz besitzen, erzielen Blue Chip Kunstwerke auf dem Sekundärmarkt konstant hohe Preise und sichere Renditen. Von 2000 bis 2022 konnten die Top 100 Künstler des Artprice Index einen Wertzuwachs von 598 Prozent verbuchen, der S&P 500 erzielte in dieser Phase nur 224 Prozent. Allerdings ist nicht jedes Kunstwerk eines Blue Chip Künstlers gleich viel wert — bei der preislichen Taxierung kann es erhebliche Unterschiede geben.

Aber welche Faktoren sind es, die den ökonomischen Wert entscheidend bestimmen? Und welche Eckpunkte wären bei einem Investment in Kunstwerke aus dem Blue Chip Segment vor der finalen Kaufentscheidung unbedingt zu prüfen?

Diese sieben Schlüsselfaktoren nehmen Einfluss auf den Wert eines Kunstwerkes:

1. Echtheit

Die wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass ein Kunstwerk eines Blue Chip Künstlers überhaupt einen tatsächlichen Wert aufweist, ist seine Echtheit. Ein entscheidender Hinweis dafür ist die Listung eines Werkes im offiziellen Werkverzeichnis des Künstlers. Sie schlägt das Kunstwerk offiziell dem Künstler-Oeuvre zu. Ist dies nicht der Fall, kann lediglich die offizielle Zusage der für das Werkverzeichnis verantwortlichen Experten Abhilfe schaffen, das Werk in das Werkverzeichnis aufzunehmen.

Bei noch lebenden Blue Chip Künstlern der Gegenwart, für die aktuell noch gar kein Werkverzeichnis geführt wird, kann die offizielle Authentifizierung durch den Künstler selbst die offene Echtheitsfrage sicher klären.

2. Erhaltungszustand, Format und Material

Ein weiterer wertbestimmender Faktor ist der Erhaltungszustand eines Werkes. Gab es in der Geschichte des Werkes Beschädigungen und sind vorgenommene Restaurierungen sachgerecht und professionell umgesetzt worden? Je besser der Erhaltungszustand ist und je fachgerechter etwaige Restaurierungen sind, desto positiver wirkt sich dies auf den Wert des Kunstwerkes aus.

Neben dem Format — kleine Gemälde sind in der Regel preiswerter als Großformate — entscheidet aber auch das Material über den Wert eines Kunstwerkes. Wurden vom Künstler besonders teure Grundstoffe wie echtes Gold oder Edelsteine verwendet, wirkt sich dies natürlich auch auf den Preis aus. Zudem sind Papierarbeiten (Zeichnungen und Drucke) in der Regel preisgünstiger als ein Gemälde oder eine Plastik.

3. Besitzer- und Ausstellungshistorie

Von hoher Wertrelevanz ist die Besitzerhistorie eines Werkes, die nach Möglichkeit lückenlos dokumentiert sein sollte. Allgemein gilt: Je bedeutender und prominenter die Sammlungen und Namen der Vorbesitzer eines Kunstwerkes sind, umso höher kann die Nachfrage im Verkaufsfalle und damit auch der später erzielte Preis sein. Namen von Hollywoodstars können hier ebenso maßgeblich wirken wie Sammlernamen, die – wie zum Beispiel Peggy Guggenheim- einen hohen Gatekeeper-Status besitzen.

Ähnlich verhält es sich bei der Frage, in welchen und wie vielen Ausstellungen und Museen ein Kunstwerk in der Vergangenheit gezeigt wurde. Waren es Museen von Weltrang, –– wie das zum Beispiel MoMA in New York oder der Louvre in Paris –– in dem sie gezeigt wurden und sind die Ausstellungen darüber hinaus auch noch von berühmten Kuratoren konzipiert worden, dann beeinflusst dies den Wert des Werkes weiter positiv. Je länger die Ausstellungsliste ist und je mehr bedeutende Institutionen und Kuratoren involviert gewesen sind, desto deutlicher ist der preisfördernde Einfluss. Eine wertsteigernde Wirkung entsteht jedoch auch dann, wenn ein Vorbesitzer das Kunstwerk für einige Jahre einem renommierten Museum als dauerhafte Leihgabe zur Verfügung stellte oder eine solche Maßnahme vom aktuellen Besitzer in die Wege geleitet wird.

4. Seltenheit

Je höher der Seltenheitswert eines Kunstwerks ist, desto deutlicher wirkt sich dies auf den Wert sowie auf die Nachfrage und auf den erzielbaren Preis aus. Seltenheit kann sich dabei zum Beispiel aus einem sehr knapp begrenzten Gesamtwerk eines Künstlers ergeben. Die Werke des beliebten Jugendstilmalers Gustav Klimt erzielen eben gerade deshalb konstant so hohe Preise, weil sich von den rund 200 existierenden Gemälden bereits zwei Drittel in öffentlichen Sammlungen befinden. Lediglich ein Drittel seines malerischen Oeuvres befindet sich noch in Privatbesitz und ist für den Markt überhaupt verfügbar.

Wertsteigernde Knappheit kann sich jedoch auch aus einer begrenzten Zahl an Werken ergeben, die in einer signifikanten und stark nachgefragten Schaffensphase eines Künstlers entstanden sind. Zu Picassos berühmter Blauer Periode gehören nur rund 100 Gemälde, von denen sich ein Großteil in Museumsbesitz befindet. Auch hier ist damit ein erheblicher Teil dieser Schaffensperiode dem Kunstmarkt entzogen, was sich enorm auf die Preisbildung der noch verfügbaren Werke auswirkt.

Doch auch bei Serienwerken aus dem Bereich der Grafik, Skulptur und Kleinplastik wirkt Knappheit preisbildend: Je kleiner und erlesener die Auflage, desto werthaltiger und teurer.

Kunstwerk

5. Marktfrische

Fehlende Marktfrische nimmt dagegen einen wertmindernden Einfluss auf ein Kunstwerk. Wird ein Werk zu häufig, in sehr kurzen Zeitabständen öffentlich im Markt angeboten, wirkt sich dies negativ auf den zu erwartenden Preis aus. Noch fataler wird es, wenn ein Kunstwerk auf einer Auktion tatsächlich keinem Bieter erfolgreich zugeschlagen werden konnte – in diesem Fall gilt es als „verbrannt“ und kann dann oft nur noch unter erheblichen Preisabschlägen den Besitzer wechseln.

6. Kunsthistorische Relevanz und Museumsqualität

Innerhalb eines künstlerischen Gesamtwerkes gibt es Werke, bei denen der typische Stil wie auch die inhaltlichen und formalen Aspekte, die ein Künstler in seinem Oeuvre regelmäßig reflektiert, in besonderer Weise verdichtet sind. In der Regel zählt man Werke, die jene Charakteristika aufweisen zu den Haupt – und Schlüsselwerken eines Künstlers, die eine besonders hohe kunsthistorische Relevanz besitzen. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff Museumsqualität bemüht, um jene spezifischen Vorzüge zu betonen. Auch diese Eigenschaft wirkt sich in erheblicher Weise wertsteigernd auf ein Kunstwerk aus.

7. Kunstmarktsituation und Nachfrage

Die Preisentwicklung auf dem Kunstmarkt und damit für Blue Chip Kunst ist durchaus mit der globalen wirtschaftlichen Situation verquickt, aber auch wirtschaftliche Krisen in nachfragestarken Staaten oder Regionen können bereits einen starken Einfluss auf die Wertentwicklungen nehmen.

Im Zuge der Finanzkrise 2008 reagierte zunächst auch der Kunstmarkt mit einem erheblichen Preiseinbruch. Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass sich die Preisentwicklung für Blue Chips auf dem Kunstmarkt binnen eines Jahres gut erholte und sie bis 2017 einen ungebrochenen Aufwärtstrend zeigte.

1991 wirkte sich dagegen die Japan-Krise erheblich auf die Wertentwicklung impressionistischer Kunstwerke aus, für die japanische Sammler bis dato eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft gezeigt hatten. Ihre wegbrechende Nachfrage sorgte kurzfristig für einem Preiseinbruch von bis zu 70 Prozent für Blue Chip Künstler wie Van Gogh, Monet und Renoir. Davon erholte sich der Kunstmarkt jedoch ab 1993 wieder.

Andererseits können eine expansive Geldpolitik sowie die Entwicklung anderer Assetklassen wahre Booster für die Kunstmarktpreise sein, weil Kunst in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oft als sicherer Hafen betrachtet wird.

Podcast von Schröder trifft… bei Habbel, Pohlig & Partner: Unternehmer und Kunstsammler Reinhard Ernst über Vermögen und Kunst

In der Folge der Podcast-Serie “Schröder trifft… bei Habbel, Pohlig & Partner” unterhalten sich Stefan Schröder und Oliver Voigt von Habbel, Pohlig & Partner mit dem Unternehmer und Kunstsammler Reinhard Ernst über seine Meilensteine, die ihn auf seinem Lebensweg prägend in Erinnerung geblieben sind. Reinhard Ernst eröffnet in Wiesbaden im Juni 2024 das Reinhard Ernst Kunstmuseum für abstrakte Kunst.

Fazit

Der Wert eines Blue Chip Kunstwerkes wird von multifaktoriellen Einflüssen bestimmt. Prinzipiell lässt sich festhalten: Je mehr der hier genannten Einzelfaktoren gemeinsam zutreffen, umso erheblicher sind die wertsteigernden Auswirkungen auf das Kunstwerk.

Sollten Sie ein Kunstwerk kaufen oder veräußern wollen, dann spielt die Wahl eines professionellen Vermittlers eine wichtige Rolle, denn sie entscheidet maßgeblich über den erfolgreichen Einstieg in die Assetklasse oder den Verkauf eines Werks oder einer Sammlung.

Insbesondere im gehobenen Segment der Blue Chip Kunst ist die weltweite Zahl potentieller Käufer und Verkäufer eher niedrig. Ein ungeeigneter Vermittler kann beispielsweise den Verkaufsprozess unnötig in die Länge ziehen, was sich negativ auf die Marktfrische und den Wert des Kunstwerkes auswirken kann. Daher ist die richtige Beraterwahl von hoher Relevanz, wenn es um die Ausarbeitung einer optimalen Strategie zur maximalen Preisrealisation beim Verkauf oder den optimalen Einstiegspreis geht. Denn: Nur der richtige Preis macht reich.

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