Zoll-Hammer oder Corona: So wappnen sich Anleger gegen Panikverkäufe

Zoll-Hammer oder Corona: So wappnen sich Anleger gegen Panikverkäufe


Die Trumpsche Zollpolitik hat den Aktienmarkt im März/April auf scharfe Talfahrt geschickt. So mancher Anleger hat dabei in Panik verkauft – und den steilen Aktienanstieg im Anschluss verpasst. Der Rückblick zeigt, dass schon der Corona-Crash 2020 nach einem sehr ähnlichen Muster ablief. Stellt sich die Frage: Welche Lehren lassen sich aus solch zeitlich begrenzten Crashs ziehen? Und wie können sich Anleger dagegen mental wappnen?

Erst der Corona-Crash im Jahr 2020, dann der Zoll-Crash von US-Präsident Trump fünf Jahre später – die scharfen Kurseinbrüche der vergangenen Jahre zeigen sehr ähnliche Muster: In nur wenigen Wochen verlieren die Aktienmärkte über 20 Prozent an Wert, erreichen aber schon kurz danach wieder neue Höchststände. Dieses Muster in Form eines V – erst schnell runter, dann schnell hoch – erwischte einige Anleger auf dem falschen Fuß: Sie haben während dieser „Shake Outs“ in Panik verkauft und sind jetzt ratlos, ob und wann sie wieder einsteigen können. „Damit Anleger beim nächsten Crash nicht erneut in diese Lage geraten, ist es wichtig, jetzt – da die Erinnerung noch frisch ist – die richtigen Lehren zu ziehen“, sagt Mirko Kohlbrecher von der Spiekermann & CO AG. Fünf Punkte sind für Experten wie dem bankenunabhängigen Vermögensverwalter aus Osnabrück zentral:

Lehre 1: Bei politischen Börsen nicht die Nerven verlieren

Ob Corona-Virus oder Trumps Zollpolitik: Beide Male haben Politiker Entscheidungen mit sehr gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft getroffen. Ein oft übersehener Aspekt solcher Verwerfungen ist es, dass selbst Entscheidungen mit schwerwiegenden Auswirkungen auch von Menschen zurückgenommen oder geändert werden können. „Diesen politischen Börsen sagt man daher nach, dass sie kurze Beine haben – also nicht lange dauern“, gibt Sven Langenhan von HRK Lunis mit Niederlassung in München zu bedenken. In der Tat: Im Vergleich zu systemischen Krisen wie 2008 oder einem Abschwung durch höhere Zinsen wie 2022 sind sie wesentlich kürzer und letztlich leichter zu lösen. Erstes Fazit daher: „Anleger sollten bei politischen Börsen nicht die Nerven verlieren, sondern investiert bleiben“, so der bankenunabhängige Vermögensverwalter.

Lehre 2: In düsteren Zeiten die Nachrichten ignorieren

Es klingt kontraintuitiv, doch etliche erfolgreiche Profi-Anleger tun nachweislich genau das: Sie kümmern sich nicht sonderlich um Nachrichten aus der Wirtschaft und von der Börse. Einer der Gründe: „Medien verstärken die Stimmungen an der Börse prozyklisch“, sagt Mirko Kohlbrecher. Regiert der Optimismus oder gar die Gier, werden Nachrichten und Kommentare fast immer positiv sein. „Herrscht aber der Pessimismus oder die blanke Angst wie Mitte April, scheint der Weltuntergang nahe“, erklärt der Vermögensverwalter. Anleger, die sich dann nach den Medien richten, dürften eher emotionale Entscheidungen treffen, die ihnen finanziell schaden. Zweites Fazit: „In Phasen, in denen Angst die Medien beherrscht, sollten Anleger die Nachrichten möglichst ignorieren“, so Kohlbrecher.

Lehre 3: Fear and Greed-Index als Panik-Barometer nutzen

Eine Sache ist es, wie sich Anleger selbst vor emotionalen Reaktionen schützen – eine andere, wie sie vom kopflosen Handeln anderer Anleger profitieren können. Ein wichtiger Indikator ist der leicht zugängliche Fear and Greed Index (Angst und Gier Index), den der US-Fernsehsender CNN erhebt (https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed). „Dieser Index eruiert die Lage an den tonangebenden US-Aktienmärkten anhand von sieben objektiven und messbaren Kriterien“, sagt Sven Langenhan. Am Tiefpunkt des jüngsten Crashs notierte der Index mit einem Wert von nur noch 5 im Bereich extremer Angst. „Es hat sich gezeigt, dass es oft schon bald zur Wende am Aktienmarkt kommt, wenn die Angst derart ausgeprägt ist. „So war es auch diesmal“, sagt der Vermögensprofi. Drittes Fazit daher: Ist die Angst, wie sie der Fear and Greed Index misst, sehr hoch, dürfte es bald aufwärts gehen – mutige Anleger können in solchen Phasen zukaufen.

Lehre 4: Subjektive Stimmung über Befragungen erkennen

Weniger objektiv, aber ebenfalls sinnvoll für kluge Investoren ist die Haltung der Privatanleger. Festgehalten wird sie durch Befragungen, etwa durch das deutsche Unternehmen Sentix oder die American Association of Individual Investors (AAII). Am Tief des jüngsten Crashs erwarteten 60 Prozent der US-Anleger, dass die Kurse noch weiter fallen – das waren laut AAII doppelt so viele wie im langfristigen Durchschnitt. Jedes Mal, wenn der Pessimismus laut AAII dieses Niveau erreicht hatte, legte der S&P 500-Index in den nächsten sechs und zwölf Monaten deutlich zu – im Schnitt um 26 bzw. um 35 Prozent! Auch 2025 kam es ab Mitte April zu einem starken Anstieg. Viertes Fazit: „Zeigen die extreme Angst des Fear and Greed Index und Befragungen von AAII in dieselbe Richtung, erhöht dies die Chance, dass ein Wendepunkt nahe ist“, so Vermögensprofi Kohlbrecher. Die AAII-Befragung ist zu finden unter https://www.aaii.com/sentiment-survey.

Lehre 5: TV-Sendungen als Top-Kontraindikator nutzen

Last but not least lassen sich TV-Sendungen als Kontraindikator nutzen. Wenn’s an der Börse so richtig kracht, ist das für die Medien ein leckerer Happen – vor allem in den USA. Schließlich investieren die Amerikaner einen Großteil ihres Ersparten am Aktienmarkt. So bringt CNBC in Crash-Phasen gern Sendungen wie „Markets in turmoil“ (Aufruhr an den Finanzmärkten), weil sie sich davon hohe Quoten versprechen. Der Clou dabei: Nach über 100 solcher Sendungen stand der US-Aktienmarkt zwölf Monate danach jedes Mal (!) höher – und zwar im Schnitt um 40 Prozent. Auch im März/April brachte CNBC „Markets in turmoil“-Sendungen – und schon kurze Zeit danach waren die Aktienindizes spürbar gestiegen.

V-CHECK Video: Strategie statt Panik: Kapitalerhalt durch Investitionen in die Realwirtschaft

Gerade in unruhigen Zeiten wie nach der Wahl von Donald Trump braucht es erfahrene Navigatoren mit ruhiger Hand. In volatilen Marktphasen rücken Kapitalerhalt und der Fokus auf die Realwirtschaft stärker in den Mittelpunkt einer nachhaltigen Investmentstrategie. Qualitätsunternehmen bieten Stabilität, unabhängig von politischen Entwicklungen, während Gold weiterhin als physische Absicherung eine wichtige Rolle im Vermögensschutz einnimmt.

Interview mit Mirko Kohlbrecher, Spiekermann & CO AG in Osnabrück: Wer seine Aktien verkauft, sabotiert den Zinseszins-Effekt

Mirko Kohlbrecher

Privatanleger haben meist keine systematischen Regeln für Ein- und Ausstiege in bzw. aus dem Aktienmarkt, sondern folgen dem schon erwähnten Bauchgefühl.

Mirko Kohlbrecher: Die meisten Anleger lassen sich bei Entscheidungen zur Geldanlage von ihren Emotionen leiten, statt idealerweise nüchtern und objektiv zu bleiben. In kritischen Situationen wie im März und in den ersten Aprilwochen führt das zu schlechten Entscheidungen, die dem langfristigen Interesse der Anleger widersprechen. Aber es gibt Optionen, um sich davor zu schützen.

Kohlbrecher: Wir beobachten viele emotionale Gründe, warum Menschen ihr Geld am Aktienmarkt investieren, aber es gibt nur ein wirklich rationales Motiv: Vernünftige Anleger wollen über die Zeit hinweg eine Rendite erwirtschaften, mit der sie sich in Zukunft nach Abzug der Inflation mehr leisten können, als wenn sie das Geld einfach auf dem Bankkonto gelassen hätten. Das gelingt in der Regel aber nur, wenn sie über Jahre und Jahrzehnte hinweg investiert bleiben. Nur so können sie voll vom Zinseszins-Effekt profitieren, der kleinere Summen in größere Vermögen verwandelt.

Kohlbrecher: Genau! Es wurde schon mehrfach nachgewiesen, dass Privatanleger, die den Markt mit Käufen und Verkäufen timen möchten, bei der Rendite in aller Regel deutlich schlechter abschneiden als Investoren, die ihr Geld ohne Unterbrechung investiert hatten. Daher kann sich in ihren Depots der Zinseszins-Effekt nicht so gut entfalten wie bei Dauer-Investoren.

Kohlbrecher: Eine namhafte Bank hat hierzu Daten von Hunderttausenden Depots ausgewertet. Dabei zeigte sich: Von Anfang 2019 bis Mitte 2024 haben Anleger, die online handelten – über App und Website der Bank –, eine jährliche Rendite von 5,2 Prozent erzielt. Das entspricht in fünfeinhalb Jahren einer Gesamtrendite von 32 Prozent. ETFs auf den MSCI World kamen in dieser Zeit jedoch auf eine jährliche Rendite von 12 Prozent – das entspricht einem Wertzuwachs von gut 85 Prozent!

Kohlbrecher: Privatanleger haben meist keine systematischen Regeln für Ein- und Ausstiege in bzw. aus dem Aktienmarkt, sondern folgen dem schon erwähnten Bauchgefühl. Wer vom Bauch gesteuert den Markt timen will, verkauft in der Regel, wenn er die Nerven verliert – das ist meist in der Nähe des Tiefpunktes. Startet der Markt dann wieder durch, sind die wenigsten fähig, sich den Fehler des Verkaufs einzugestehen und wieder einzusteigen. Meist schaffen sie das erst deutlich später. Die Rendite-Differenz rührt von diesen beiden Faktoren her.

Kohlbrecher: Die wichtigste Erkenntnis ist: Wenn Sie verkaufen, riskieren Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass Sie finanziell auf Dauer schlechter dran sind als jemand, der in kritischen Phasen durchhält. Aus diesem Grund sollten Sie emotionsgetriebene Verkäufe auf jeden Fall vermeiden.

 

Kohlbrecher: Hier geht es darum, wie sich Anleger am besten schützen. Wir empfehlen, in kritischen Phasen wie im März/April möglichst wenig Nachrichten zu konsumieren und vor allem auf Wirtschafts- und Finanz-News zu verzichten. Die News schaffen keinen Mehrwert, sondern können Anlegern schaden, weil sie sie tendenziell zu kopflosem Handeln verleiten. Zudem basiert die Meinung, man müsse stets über den Weltenlauf informiert sein, auf einem Irrtum: An den Finanzmärkten ist das Wichtigste nicht, was in der Welt passiert, sondern wie die Märkte darauf reagieren.

Kostenloses V-CHECK eBook: Einfach mehr Geld. Strategien der besten Vermögensverwalter Deutschlands

Lesen Sie noch mehr spannende und aktuelle Beiträge