Saisonale Muster am Aktienmarkt: Ein Blick auf „Sell in May“

Saisonale Muster am Aktienmarkt: Ein Blick auf „Sell in May“


Alle Jahre wieder kursiert unter Anlegern der Rat: "Sell in May and go away". Die vermeintliche Börsenweisheit suggeriert, dass Investoren im Mai ihre Aktien verkaufen, und erst im Herbst wieder einsteigen sollen. Auf diesem Wege ließe sich angeblich die Rendite erhöhen, in der Zwischenzeit werden in der Regel Staatsanleihen gehalten. Diese einfache Herangehensweise mag verführerisch klingen, doch eine genauere Untersuchung zeigt, warum Anleger sich nicht von diesem Sprichwort verleiten lassen sollten.

Grundsätzlich ist natürlich die Frage zu stellen, warum dem Kalendermonat oder saisonalen Mustern überhaupt so viel Bedeutung zugeschrieben wird. Insbesondere in den aktuell unsicheren Zeiten dürften große Katalysatoren wie die Entwicklung des Ukraine-Kriegs oder des Nahost Konfliktes, ein mögliches Wiederaufflammen der Inflation oder eventuelle Zinsbewegungen einen deutlich größeren Einfluss auf die Märkte haben. Solche globalen Events richten sich üblicherweise nicht nach dem Timing von Börsensprüchen.

Ein statistisches Phänomen

Tatsächlich ließ sich in der Vergangenheit statistisch beobachten, dass in den Monaten von Mai bis September teilweise eine niedrigere Performance auftrat. Der Effekt trat allerdings nicht jedes Jahr zuverlässig auf und beschränkte sich vor allem auf entwickelte Märkte. Die Annahmen zu Transaktionskosten, welche durch das Verkaufen des gesamten Portfolios und den Wiedereinstieg entstehen, lassen sich zudem nur schwer schätzen und weichen in den Studien stark voneinander ab. Dadurch wird die praktische Umsetzbarkeit der „Sell in May“ Strategie fragwürdig. Zudem ist es kaum denkbar was an der Börse los wäre, wenn eine Mehrheit der Anleger ihr gesamtes Depot jeden Mai verkaufen würde. Die Ausstiegskurse der Aktien fallen in einem solchen Fall durch den Verkaufsdruck wahrscheinlich besonders schlecht aus.

„Sell in May“ bringt keine zuverlässige Outperformance

Studien, welche dem Verkaufen im Mai einen positiven Effekt zuschreiben, untersuchen häufig einen sehr langen Zeitraum und gehen teilweise bis auf die Nachkriegszeit zurück. Durch die niedrigeren Zinsen der letzten Dekaden ist es fragwürdig, ob die Outperformance durch Umschichten des gesamten Depots in Staatsanleihen überhaupt wiederholbar ist. Eine Untersuchung von jüngeren Zeiträumen zeigt, dass die „Sell in May“-Strategie eine reine Buy-and-hold Strategie im Zeitraum 2000 bis 2016 nicht signifikant outperformen konnte (Loviscek & Broder, 2018). Dieser Zeitraum war von jeweils zwei Bullen- und Bärenmärkten geprägt und beinhaltet neben der Dotcom-Blase auch die Lehman-Krise. In jüngster Vergangenheit (2020 bis 2021) hätten Anleger durch die vermeintliche Börsenweisheit sogar deutliche Anstiege verpasst.

Ruhig bleiben und Portfolio sinnvoll ausrichten

Insgesamt sprechen viele Studienergebnisse also gegen einen Verkauf im Mai. Die erwartete Rendite von Mai bis September war statistisch gesehen teilweise niedriger als im restlichen Jahr, aber dennoch positiv. Wenn nun noch die Transaktionskosten der Orders berücksichtigt werden, schmälert dies den vermeintlichen Renditevorsprung zusätzlich. Zudem tritt der „Sell in May“-Effekt auch nicht regelmäßig und zuverlässig auf, sodass Anleger im ungünstigen Fall beim Wiedereinstieg gestiegenen Märkten hinterherlaufen. Erschwerend kommt außerdem die Erkenntnis hinzu, dass Markttiming langfristig nur sehr wenigen Marktteilnehmern gelingt. Anleger sind also gut beraten, Ihr Portfolio stattdessen so auszurichten, dass sie sich mit der Positionierung langfristig wohl fühlen. So lassen sich im Zweifel auch unruhige Phasen durchstehen.

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