Offene Immobilienfonds - kaufen Anleger teuer ein?

Offene Immobilienfonds - kaufen Anleger teuer ein?


Die Immobilienmärkte sind zuletzt massiv unter Druck geraten. Doch spiegelt sich diese Entwicklung in den Kursen offener Immobilienfonds kaum wider. Anleger könnten für deren Immobilienportfolio folglich zu viel bezahlen.

Es war der perfekte Sturm für die Immobilienmärkte. Denn nicht nur die Kreditzinsen haben sich in kürzester Zeit fast vervierfacht, sondern auch die Baukosten sind aufgrund von Lieferkettenproblemen und des rasanten Inflationsstiegs stark angestiegen. Dazu kam zuletzt die Sorge vor einer Konjunkturabkühlung, womöglich sogar einer Rezession.

Eine Entwicklung, die sich am Aktienmarkt deutlich widerspiegelt. Zeitweise büßten die Kurse von Immobilienaktien seit Anfang 2022 zwischen 50 und 70 Prozent ein. „Zwar weisen diese Unternehmen zum Teil eine erhebliche Verschuldung auf und die Börse neigt zuweilen zu Überreaktionen, dennoch spiegelt sich in den gesunkenen Kursen eine Neubewertung der Immobilien wider“, erklärt Gerd Häcker von der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung in München.

So mussten inzwischen etliche börsennotierte Immobiliengesellschaften Abschreibungen in Milliardenhöhe auf ihre Objekte vornehmen und werden deutlich unter dem Wert ihres Immobilienportfolios gehandelt. Die Aktie von LEG Immobilien zum Beispiel notiert Ende August bei knapp 62 Euro, der Wert des Immobilienportfolios wird mit etwa 136 Euro pro Aktie angegeben.

Ganz anders sieht es bei offenen Immobilienfonds aus. Zwar weisen deren Börsenkurse auf Jahressicht schon Verluste auf, sie halten sich aber – verglichen mit dem Aktienmarkt – mit minus vier bis minus zehn Prozent bei den großen Fonds in Grenzen. „Das ist eine erstaunlich stabile Entwicklung, wenn man bedenkt, dass diese Fonds auf Gewerbeimmobilien ausgerichtet sind, die derzeit zusätzlich mit strukturellen Problemen wie dem Trend zum Homeoffice und dem Online-Shopping zu kämpfen haben“, sagt Michael Thaler von der TOP Vermögen AG in München.

„Außerdem scheint die Herausforderung der energetischen Sanierung an diesen Fonds komplett vorbeizugehen“, ergänzt Häcker und folgert: „Vergleicht man die Entwicklung am Aktienmarkt und die der offenen Immobilienfonds, dann passt das nicht zusammen.“ Für die Fonds spricht zwar, dass sie im Vergleich zu den börsennotierten Gesellschaften kaum oder gar nicht verschuldet sind. „Trotzdem ist fraglich, warum wir hier bislang keine größeren Abschreibungen auf den Wert der Immobilienportfolios gesehen haben“, meint Thaler.

Dass diese Überlegung nicht unbegründet ist, verdeutlicht eine Warnung der Europäischen Zentralbank in einem Bericht im Frühjahr dieses Jahres: Sie wies daraufhin, dass Fonds, die in Gewerbeimmobilien investieren, eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellen könnten. Es ist also nicht auszuschließen, dass noch Abschreibungen kommen werden.

Dafür spricht noch ein anderes Indiz: Offene Immobilienfonds sind zwar an der Börse gelistet, können aber auch über die Kapitalanlagegesellschaft, kurz KAG, gekauft werden. „Und hier ist festzustellen, dass der Börsenkurs zum Teil zehn Prozent oder mehr unter dem KAG-Kurs, der auf dem durch einen Gutachter festgestellten Wert des Immobilienportfolios basiert, liegt“, erläutert Thaler. „Ich gehe davon aus, dass die Börsenkurse näher an der Realität liegen.“

Er rät deshalb von einem Investment in offene Immobilienfonds ab. „Kommt es zu Abschlägen, dann kann es aufgrund der recht geringen Renditen drei bis vier Jahre dauern, bis diese Fonds die Verluste wieder aufgeholt haben“, sagt Thaler. „Wenn es schlecht läuft, auch länger.“ Auch Gerd Häcker steht offenen Immobilienfonds kritisch gegenüber. „Wir haben derzeit einen risikolosen Zinssatz von drei bis 3,5 Prozent und folglich sollte eine Immobilienanlage aufgrund der genannten Gründe einen Risikoaufschlag bieten“, macht er klar und folgert: „Deshalb müsste die Mietrendite aktuell eher bei sechs bis acht Prozent liegen und nicht bei drei bis vier Prozent.“ Doch damit das erreicht wird, müssten die Preise der Immobilien entsprechend sinken. „Ich denke, dass es deshalb ein guter Weg wäre, jetzt alle diese Fonds sauber neu zu bewerten und jene, die falsch bewertet sind, vorübergehend zu schließen, um die Anleger davor zu schützen, in überteuerte Immobilien zu investieren“, so sein Fazit.

Infografik: Wohnungsbedarf in den nächsten Jahren kaum zu decken | Statista Quelle: Statista

Interview mit Gerd Häcker von der Steinbeis und Häcker Vermögensverwaltung

Gerd Häcker, Steinbeis und Häcker Vermögensverwaltung München
Nach den starken Kursverlusten bei Immobilienaktien scheint einiges im Kurs eingepreist. Für Anleger können sich daraus Chancen ergeben, meint Gerd Häcker von der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung. Aber eine tiefgreifende Recherche ist dafür unerlässlich.

Herr Häcker, wie schätzen Sie die Entwicklung am Immobilienmarkt grundsätzlich ein?

Gerd Häcker: Weil Käufer und Verkäufer derzeit nicht zusammenkommen, gibt es kaum Transaktionen am Immobilienmarkt. Und damit fehlt generell eine Vergleichsbasis dafür, wo sich die Preise befinden. Das gilt insbesondere für Gewerbeimmobilien, wo strukturelle Probleme wie der Trend zum Homeoffice oder zum Online-Shopping dazu kommen. Deshalb ist die Situation bei Büro, Einzelhandel oder Hotels besonders schwierig.

Wie sind Immobilienaktien einzuschätzen?

Häcker: Anders als die Immobilienpreise reagieren Börsenkurse auf neue Entwicklungen sofort und preisen alle verfügbaren Informationen ein. Zwar sehen wir an der Börse immer wieder Übertreibungen, aber sie ist ein guter Indikator dafür, was wir am Immobilienmarkt noch erwarten dürfen.

Sehen wir an der Börse aktuell Übertreibungen nach unten?

Häcker: Ja. Es gibt Gesellschaften mit einem sehr guten Immobilienportfolio, die ihre Finanzen im Griff haben, deren Kurs aber trotzdem stark an Wert verloren hat. Wer den Markt gründlich analysiert, kann jetzt interessante Einstiegschancen finden.

Manche Unternehmen werden deutlich unter ihrem Nettoinventarwert gehandelt. Können Anleger hier zugreifen?

Häcker: Das sagt nicht alles aus. Man muss zum Beispiel die Qualität der Immobilien bewerten und sich die Verschuldung genau ansehen. Firmen mit viel Fremdkapital können in Schwierigkeiten geraten und dann kann die niedrige Bewertung auch gerechtfertigt sein. Wer so vorgeht und idealerweise noch einen Risikoabschlag mit einkalkuliert, der kann aber aktuell attraktiv bewertete Immobiliengesellschaften finden.

Eine solche Analyse ist für Privatanleger schwierig. Sind Exchange Traded Funds (ETFs) auf einen Immobilienaktienindex oder Investmentfonds eine Alternative?

Häcker: Von ETFs rate ich ab, da es immer wieder Unternehmen gibt, die ihr Geschäft mit Fremdkapital aufblähen, in guten Phasen sehr erfolgreich sind und deshalb in solchen Indizes ganz oben stehen. Läuft es dann schlecht, können da enorme Verluste entstehen. Dagegen können Investmentfonds, die in Immobilienaktien investieren, eine Alternative sein. Wir setzen sie vor allem in exotischeren Märkten wie Asien ein, wo ein Fondsmanager vor Ort einen tieferen Einblick hat.  

Wie funktionieren offene Immobilienfonds?

Offene Immobilienfonds bieten Anlegern die Möglichkeit, in Immobilien zu investieren, ohne selbst ein Gebäude kaufen zu müssen. Die Fonds selbst erwerben mit dem Geld der Anleger verschiedene Objekte zumeist aus dem Gewerbebereich, also Handel, Büro, Hotel oder Logistikzentren. Die am Fonds beteiligten Anleger profitieren von den Mieteinnahmen sowie einem möglichen Verkauf einzelner Objekte. In der Vergangenheit erzielten offene Immobilienfonds eine jährliche Rendite von rund zwei Prozent im Durchschnitt.

Das Problem dabei war, dass Immobilien eine illiquide Anlageklasse sind, die Fondsanteile jedoch jederzeit an die ausgebende Gesellschaft zurückgegeben werden konnten. Das führte in der Finanzkrise, als sehr viele Anleger gleichzeitig ihre Anteile zurückgeben wollten, dazu, dass mehrere offene Immobilienfonds aufgrund von Liquiditätsproblemen geschlossen wurden und die Anteilsrücknahme ausgesetzt werden musste.

Um dies zu beheben, wurden verschiedene Fristen für die Anleger eingeführt: So müssen Anleger seitdem die Fondsanteile mindestens zwei Jahre gehalten haben, bevor sie diese an die Fondsgesellschaft überhaupt zurückgeben können. Zudem muss die Rückgabe muss wenigstens ein Jahr zuvor angekündigt werden.

Neben dem Kauf über die Kapitalanlagegesellschaft bzw. der Rückgabe an diese können Anleger alternativ ihre Anteile über die Börse kaufen oder verkaufen. Dies spart beim Kauf zwar den Ausgabeaufschlag, bei einem Verkauf zum Börsenpreis muss man unter Umständen aber einen niedrigeren als den offiziell von der Fondsgesellschaft errechneten Preise in Kauf nehmen.

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