
Gegen den Konsens: Warum die USA 2023 eine Aktienhausse anführen könnten
Ende 2021 hatten die Auguren der Banken noch sehr optimistisch ins Jahr 2022 geblickt. Kein Wunder: Hinter ihnen lagen zwölf Monate, in denen die Märkte dank der fetten Geldspritzen der Regierungen aus der Corona-Krise emporgeschossen waren – das wirkte sich auch auf die Stimmung der Prognostiker aus. Doch nach dem zermürbenden, verlustreichen Jahr 2022 steht den meisten Auguren der Sinn eher nach Bescheidenheit. „2023 sehen sie DAX & Co. um sechs bis acht Prozent steigen – das ist der langfristige jährliche Mittelwert für den Kurszuwachs bei Aktien“, sagt Andreas Glogger von der Glogger & Partner Vermögensverwaltung in Krumbach.
Doch solche starren Annahmen ergeben wenig Sinn. „Aktienmärkte steigen nicht regelmäßig um einen gewissen Prozentsatz, sondern klettern unter teils großen Schwankungen langfristig nach oben“, erklärt Claus Walter vom Freiburger Vermögensmanagement. Nach Jahren, in denen die Börsen um 20 Prozent und mehr eingebrochen sind, ist die Wahrscheinlichkeit daher groß, dass es mittelfristig deutlich aufwärts gehen wird. Zudem: „Kommt es 2023 zur Rezession in der Realwirtschaft, hat der DAX gute Chancen auf große Kursgewinne“, so Walter. Statistisch betrachtet, gewann der Aktienindex in solchen Jahren im Schnitt rund 30 Prozent.

Kluge Anleger sollten die Prognosen der Banken für 2023 also mit Skepsis behandeln. Denn die Börsen könnten 2023 um einiges besser laufen, als nun erwartet wird. Dafür spricht die positive erste Handelswoche, die zusammen mit dem Januar den Ton fürs gesamte Aktienjahr setzt. „Sehr oft entwickelt sich das Jahr in diese Richtung, wobei wenige Ausnahmen die Regel bestätigen“, erläutert Andreas Glogger. Zudem könnte sich der Konsens auch bei der Frage irren, welche Region 2023 das Zugpferd für die Aktienmärkte sein könnte.
Offenbar wird diese Rolle den USA immer weniger zugetraut. Begründung: In den Vereinigten Staaten seien die Firmenbewertungen zu hoch, in den US-Indizes befänden sich zu viele Tech-Titel, die Notenbank setze die Zinsen zu aggressiv herauf. Europa und die Emerging Markets werden derzeit als attraktiver betrachtet, weil sie angeblich mehr Value-Werte aufweisen als Amerika. Abgesehen von der Frage, ob Value auf längere Sicht wirklich besser laufen wird als andere Marktsegmente, sprechen drei Argumente für weitere Stärke bei den US-Aktien.
Der Blick auf die langfristigen Charts zeigt den Kundigen klar: In den USA gibt es seit 2009 einen so starken Aufwärtstrend wie nirgends sonst, der in den Jahren 2018 bis 2020 nur kurz unterbrochen wurde. Seit dem Corona-Tief im Frühjahr 2020 hat sich der Anstiegswinkel des Aufwärtstrends noch einmal verschärft. Dieses höhere Momentum der US-Aktien im Vergleich zu allen Aktienmärkten weltweit führte dazu, dass sich der S&P 500 in lediglich 20 Monaten bis Ende 2021 mehr als verdoppelte. Im Jahr 2022 wurde diese Euphorie dank der Zinserhöhungen schmerzhaft korrigiert. „Aus dieser Perspektive stellen die Verluste von 2022 nur eine Korrektur im Aufwärtstrend dar – und keinen neuen Bärenmarkt wie 2000 oder 2008“, sagt Claus Walter.
Zur wahrscheinlichen Fortsetzung dieses starken Aufwärtstrends passt, dass „das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ realwirtschaftlich früher aus der Krise kommen könnte als andere Regionen. „Die US-Politik unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden greift der US-Wirtschaft mit aktuell 1.300 Milliarden Dollar unter die Arme, um die Infrastruktur aus- und umzubauen. Und die Amerikaner werden diese Gelder dank ihres Pragmatismus vermutlich sehr effizient einsetzen“, sagt Andreas Glogger. Zudem sei der Zinszyklus in den USA weit vorangeschritten. „Dies dürfte dazu führen, dass sich die Investitionsbedingungen in den USA früher als andernorts verbessern“, ergänzt der Vermögensprofi.
Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ein Favoritenwechsel ab, der Anlegern, die ausschließlich auf Aktienindizes schauen, kaum auffallen dürfte. So zeigen Branchen, die gegenüber der Technologie früher im Hintertreffen waren, auffallend viel Stärke. In den vergangenen Monaten floss das Geld vor allem in Energie-Unternehmen und in die eher konjunkturunabhängigen Branchen Gesundheit, Basiskonsumgüter und Versorger. Aktuell rücken die Sektoren Industrie und Grundstoffe nach vorne. Dass diese beiden Sektoren beginnen, Stärke zu zeigen, passt zum Vorhaben, die US-Wirtschaft strukturell und mit viel Geld zu modernisieren.
Die Konsequenz für Anleger bringt Claus Walter auf den Punkt: „Es wird wohl nicht mehr ausreichen, allein auf die marktkapitalisierten Indizes S&P 500, MSCI World oder gar Nasdaq zu setzen, denn dort haben Aktien aus den stark gebeutelten Tech-Branchen ein besonders hohes Gewicht.“ Wer nur darin investiert, riskiere, dass er schlechter abschneidet, als er müsste. Doch es gibt Alternativen, wie der folgende Artikel zeigt.
Service – So können Anleger gezielt auf starke Branchen in den USA setzen
Anleger, die in den USA mit einem Index-Investment investieren wollen, standen bislang zwei gute Wege offen: Entweder kauften sie einen ETF auf den breit angelegten S&P 500 oder sie erwarben einen Indexfonds auf den MSCI World, der zu über 60 Prozent Aktien aus den USA enthält. Beides bleiben gangbare Optionen, doch bergen sie auch Nachteile, die zunehmend hervortreten. So haben in den meisten ETFs einige wenige Tech-Aktien wie Apple, Microsoft und Amazon ein sehr großes Gewicht, weil die Basis-Indizes nach dem Marktkapitalisierungs-Prinzip aufgebaut sind. Leider haben ausgerechnet Titel aus diesem Bereich unter der Korrektur von 2022 stark gelitten. Und sie tun sich derzeit noch immer sehr schwer, während andere Sektoren besser laufen. Welche Möglichkeiten haben Anleger vor diesem Hintergrund?
Equal Weight-ETFs: In diesen Indexfonds werden alle Aktien gleich gewichtet. „Eine Apple-Aktie hat darin den gleichen Stellenwert wie ein Kraft Heinz-Papier oder die Stahlfirma Nucor“, erklärt Claus Walter vom Freiburger Vermögensmanagement. Ein Vorteil ist, dass es keine Schwergewichte gibt, die den Index in schlechten Zeiten übermäßig nach unten ziehen können. So haben ETFs auf den S&P 500 Equal Weight in den letzten zwölf Monaten 3,5 Prozent verloren (in Euro), während die marktkapitalisierte Variante knapp 10 Prozent abgegeben hat. Bislang gibt es solche ETFs für die USA nur auf den S&P 500. Gleichgewichtete ETFs auf den MSCI World sind noch nicht auf dem Markt.
Starke Sektor-ETFs: Über Sektoren-ETFs können Anleger auf einzelne Branchen in den USA setzen. In der Regel wird der Markt in zehn Sektoren unterteilt: Grundstoffe (Materials), Industrie (Industry), Basiskonsumgüter (Consumer Staples), Gesundheit (Health Care), Technologie (Technology), Energie (Energy), Banken (Financials), Nicht-Basiskonsumgüter (Consumer Discretionary), Immobilien (Real Estate) und Versorger (Utilities). „Der Vorteil solcher ETFs ist, dass Anleger gezielt auf starke Branchen setzen können. Der Erfolg wird sich aber nur einstellen, wenn man die stärksten Branchen recht zuverlässig identifizieren kann“, sagt Andreas Glogger von der Vermögensverwaltung Glogger & Partner in Krumbach. Zudem müssten Anleger bereit sein, bei Schwäche den Sektor-ETF eventuell mit Verlust zu verkaufen.
Starke Aktien: Eine weitere Möglichkeit ist der Kauf von starken Aktien aus starken Sektoren. In diesem Fall besteht die nicht unrealistische Chance, besser abzuschneiden als der breite Markt. Jedoch setzt dieser Ansatz noch stärker als das Investment über Sektor-ETFs eine gehörige Portion an Fachkenntnis und vor allem eiserne Disziplin beim Management des Portfolios voraus. Er dürfte nur für wenige Anleger geeignet sein. Bei diesem Ansatz sowie bei Sektor-Investments kann der Kontakt zu einem unabhängigen Vermögensprofi sinnvoll sein.
Index-Investments einmal anders: Equal Weight- und Sektor-ETFs
Indexfonds (ETFs) | WKN | Kosten p.a. | Perf. 1 Jahr | 3 Jahre |
ETFs auf S&P 500 | ||||
Invesco S&P 500 Equal Weight | A2QP63 | 0,2 % | – 3,8 % | —- |
iShares S&P 500 Equal Weight | A3DN3E | 0,2 % | —- | —- |
Xtrackers S&P 500 Equal Weight | A1106A | 0,25 % | – 3,5 % | 37,7 % |
iShares Core S&P 500 | A0YEDG | 0,07 % | – 9,4 % | 33,1 % |
US-Sektor-ETFs | ||||
SPDR S&P US Consumer Discret. Select | A14QBY | 0,15 % | – 28,5 % | 14,5 % |
SPDR S&P US Consumer Staples Select | A14QBZ | 0,15 % | + 6,6 % | 36,4 % |
SPDR S&P US Energy Select | A14QB0 | 0,15 % | + 61,5 % | 76,1 % |
SPDR S&P US Financials Select | A14QB1 | 0,15 % | – 6,3 % | 27,3 % |
SPDR S&P US Health Care Select | A14QB2 | 0,15 % | + 8,3 % | 45,7 % |
SPDR S&P US Industrials Select | A14QB3 | 0,15 % | + 2,3 % | 33,8 % |
SPDR S&P US Materials Select | A14QB4 | 0,15 % | – 2,6 % | 49,9 % |
SPDR S&P US Technology Select | A14QB5 | 0,15 % | – 21,2 % | 43,3 % |
SPDR S&P US Utilities Select | A14QB6 | 0,15 % | + 11,1 % | 26,9 % |
Interview: Die US-Aktienmärkte hängen den Rest der Welt seit Jahrzehnten ab

Herr Glogger, ist es für Anleger aus Deutschland egal, ob sie (auch) in den USA investieren oder ob sie sich auf den Alten Kontinent beschränken?
Andreas Glogger: Das ist keinesfalls gleichgültig! Zum einen erfordert das wichtigste Gebot der Geldanlage, die Investments möglichst breit aufzustellen, um Risiken zu verringern. Daher können vernünftige Anleger nicht auf die USA verzichten. Zum anderen hängen die US-Aktienmärkte ihre Pendants in Europa deutlich ab – und das seit Jahrzehnten!
Können Sie das näher erläutern?
Glogger: Der DAX enthält als Performance-Index die ausgezahlten Dividenden. Leider wird er oft mit dem S&P 500 oder dem Dow Jones verglichen, die als reine Kurs-Indizes die Ausschüttungen gar nicht einberechnen. Wenn man aber Äpfel mit Äpfeln vergleicht – sprich Performance-Indizes –, dann wird klar, dass die US-Märkte den Rest der Welt weit hinter sich lassen.
Sie machen es spannend: Wie sehen die konkreten Zahlen aus?
Glogger: Der DAX Performance-Index hat seit 1988 gut 1.400 Prozent zugelegt – das entspricht einer respektablen Verfünfzehnfachung. Der S&P 500 Total Return, der die Dividenden beinhaltet, hat indes mehr als 3.100 Prozent hinzugewonnen. Somit hat sich der US-Markt mehr als doppelt so gut entwickelt wie der DAX.

Das ist ein verblüffend großer Unterschied. Woran kann das liegen?
Glogger: Einerseits ist Amerika ein Land, in dem Unternehmertum einen anderen Stellenwert hat als in Deutschland. Das gilt auch für innovative und junge Unternehmen, die sich dort über den weltweiten größten Kapitalmarkt finanzieren können und dafür weniger die Banken benötigen als Firmen hierzulande. Die Wachstumsraten der Wirtschaft sind dort meist höher. Zudem besteht ein riesiger Binnenmarkt, und das Land kann auf sehr viele Ressourcen zurückgreifen
Und andererseits?
Glogger: Die Vereinigten Staaten besitzen mit dem Dollar noch immer die Weltleitwährung, an der im Grunde niemand vorbeikommt. Sie können damit so manches zu ihren Gunsten beeinflussen. Außerdem verfügen sie weltweit über den größten Kapitalmarkt und ziehen so immer wieder sehr große Summen an.
Wie sollten Anleger, die in den USA investieren wollen, mit dem Währungsrisiko Euro/Dollar umgehen?
Glogger: Zuerst: Verluste aufgrund von Währungsschwankungen gibt es nur, wenn der Euro gegenüber dem Dollar zulegt. Gewinnt indes der Dollar im Vergleich zum Euro, streichen Anleger hier einen Währungsgewinn ein. Wer das Risiko ausschalten will, muss auch auf die Chance verzichten.
Und wie können Anleger das Risiko ausschalten?
Glogger: Im Bereich der Index-Investments gibt es inzwischen etliche ETFs, die das Währungsrisiko absichern. Sie laufen unter der Bezeichnung „Euro Hedged“. Wer auf aktive Fonds setzt, muss sich informieren, wie dies beim konkreten Produkt gehandhabt wird.
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