
Börsenausblick 2023 – Warum Sie jetzt investieren sollten
„Krisenjahre waren in der Vergangenheit immer ein guter Zeitpunkt für den Einstieg Kapitalmarkt“, überlegt Franz Kaim von der Kidron Vermögensverwaltung GmbH in Stuttgart. Tatsächlich haben sich die Märkte nach Krisen stets gut entwickelt. So hatte der deutsche Leitindex Dax den Verlust zu Beginn der Corona-Krise von fast 40 Prozent schon neun Monate später wieder wettgemacht. Und auch wenn es nach der Finanzkrise rund 70 Monate dauerte, bis die Märkte ihre alten Niveaus zurückerobert hatten, so hatte sich der Einstieg am Ende doch gelohnt.

Zwar weiß niemand, wann der Aktienmarkt seine alten Höchststände wieder erreicht. Dass sich der Einstieg für langfristig orientierte Anleger jetzt aber lohnt, zeigt eine Berechnung von Anton Vetter von BV & P Vermögen AG in Kempten. „Derzeit notiert der Dax rund 15 Prozent unter seinem alten Höchststand. Selbst wenn er diesen Stand im ungünstigsten Fall erst in fünf Jahren erreicht, dann bedeutet das im Schnitt rund drei Prozent Kursgewinn pro Jahr plus eine Dividende von zwei bis 2,5 Prozent. Damit haben sie 5,5 bis sechs Prozent Rendite pro Jahr in diesem Zeitraum“, rechnet er vor.
Das wäre deutlich mehr als das, was man – trotz gestiegener Zinsen – auf dem Sparbuch oder bei anderen Bankeinlagen bekommt. Dort liegen nach Berechnungen der DZ Bank über 3,1 Billionen Euro oder rund 40 Prozent des Geldvermögens privater Haushalte, was angesichts einer Inflationsrate von rund zehn Prozent massiven realen Wertverlusten ausgesetzt ist.

Wer dieses Geld nicht kurzfristig braucht und es somit langfristig investieren kann, der sollte jetzt über eine Investition am Kapitalmarkt nachdenken. Denn es spricht manches dafür, dass die Märkte schon 2023 damit anfangen könnten, die Krise hinter sich zu lassen. „Positiv ist, dass in den USA der Höhepunkt der Inflation erst einmal hinter uns liegt“, so Kaim. „Zwar wird noch eine Rezession kommen. Das bedeutet aber, dass die US-Notenbank Fed dann das Ende der Zinserhöhungen einläuten wird und das wäre gut für die Konjunktur sowie für die Anleihe- und Aktienmärkte.“
Auch Vetter ist positiv gestimmt. „Wir sehen zwar schon, dass die Gewinne nicht mehr so stark wachsen wie zuvor, aber sie wachsen noch. Das heißt, die Unternehmen verdienen immer noch Geld“, sagt er. Zwar hält er es für möglich, dass es im ersten Quartal 2023 noch einmal zu starken Kursschwankungen kommt. „Wenn sich aber zeigt, dass die Menschen weiter konsumieren und die Nachfrage im kommenden Jahr wieder zunimmt, dann wäre das ein sehr positives Signal für die Märkte“, sagt Vetter auch.
Da der Kapitalmarkt in der Regel künftige Entwicklungen vorwegnimmt, empfehlen die Experten schon jetzt Positionen aufzubauen. Dabei stellt sich die Frage, mit welcher Strategie man investiert. „Grundsätzlich ist es besser, den zur Verfügung stehenden Betrag sofort auf einmal anzulegen“, so Vetter. „In einem Bärenmarkt, so wie aktuell, hat es sich jedoch als besser erwiesen, nach und nach in mehreren Tranchen oder mit einem Sparplan in den Markt zu gehen“, so der Experte.
Neben Aktien hält Kaim derzeit auch Unternehmensanleihen für interessant, da diese sehr attraktive Renditen bringen. „Hier empfehle ich aber, gleich voll zu investieren.“ Wichtig sei dabei nur, die eigene Risikotragfähigkeit zu berücksichtigen. „Man sollte nur so viel Risiko in sein Portfolio nehmen, wie man vertragen kann“, so der Experte. Denn auch wenn die Argumente für einen Einstieg derzeit sehr überzeugend sind, die Entwicklung ist doch unvorhersehbar und zwischenzeitliche heftige Verluste sind nicht auszuschließen.
Interview mit Anton Vetter: „Eine breite Streuung ist das A und O beim investieren“

Herr Vetter, warum ist es so wichtig, seine Geldanlage breit zu streuen?
Anton Vetter: Der Nobelpreisträger Harry M. Markovitz hat wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch Diversifikation eine bestimmte Rendite mit einem geringeren Risiko erreicht werden kann oder umgekehrt eine höhere Rendite für ein bestimmtes Risikobudget.
Wie genau setzt man Diversifikation im Portfolio um?
Vetter: Um zu diversifizieren gibt es zwei Ebenen. In der ersten geht es um die Streuung des Anlagekapitals auf die verschiedenen Anlageklassen wie festverzinsliche Wertpapiere, Aktien, Gold oder Barmittel. Dabei muss die konkrete Aufteilung zwischen den Anlageklassen individuell zur Risikotragfähigkeit und den Anlagezielen des Anlegers passen.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Vetter: Für ein ausgewogenes Portfolio empfehlen wir etwa 50 Prozent Aktien, 30 Prozent sichere Anleihen und Unternehmensanleihen, dazu jeweils zehn Prozent Gold und sogenannte Liquid Alternatives. Diese alternativen liquiden Instrumente sollen möglichst gering mit den anderen Anlageklassen korrelieren.
Welches ist die zweite Ebene?
Vetter: Da geht es um die Diversifikation innerhalb einer Anlageklasse. Wer im Aktienbereich ein breit diversifiziertes Portfolio aufbauen will, sollte zumindest über 15 Titel aus unterschiedlichen Branchen streuen. Als Alternative empfehlen wir Exchange Traded Funds auf verschiedene globale Indizes oder Spezialthemen einzusetzen.
Was gilt es noch zu berücksichtigen?
Vetter: Aktuell sollte man in mehreren Schritten und nicht auf einmal in den Markt gehen und auch ein Rebalancing kann empfehlenswert sein. Durch die Kursbewegungen entfernt sich die Portfolioallokation nämlich von der ursprünglichen Zusammensetzung. Damit das Portfolio aber noch zu den individuellen Bedürfnissen eines Anlegers passt, sollte die Ausgangsallokation nach einiger Zeit wieder hergestellt werden.
Wie geht man dabei am besten vor?
Vetter: Man darf die Bandbreiten, in denen sich die einzelnen Assetklassen bewegen dürfen, nicht zu eng setzen. Sonst findet das Rebalancing zu häufig statt und das verursacht zu hohe Kosten, die dann das Anlageergebnis negativ beeinträchtigen.
Interview mit Franz Kaim: „Bei Dividendenzahlern kommt es auf das Geschäftsmodell an“

Herr Kaim, die Dividendenrenditen sind derzeit teilweise sehr hoch. Sollten Anleger zugreifen?
Franz Kaim: Es stimmt, dass viele Dividendentitel derzeit sehr attraktiv bewertet erscheinen. Anleger, die aber langfristig stabile und laufende Einnahmen brauchen, sollten sich von der Höhe der aktuellen Dividendenrendite auf keinen Fall blenden lassen.
Warum?
Kaim: Die Höhe der Dividendenrendite sagt nichts darüber aus, wie nachhaltig eine Ausschüttung gezahlt werden kann. Ein zyklisches Unternehmen, dass versucht die Zyklik durch eine attraktive Dividende auszugleichen, wird in bestimmten Phasen eine höhere Dividendenrendite aufweisen. Aber irgendwann, wenn die Wirtschaft nicht mehr läuft, wird es die Ausschüttung reduzieren müssen.
Worauf sollte man dann achten?
Kaim: Es gibt Unternehmen, die in der Lage sind, ihre Ausschüttungen unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung Jahr für Jahr zu steigern oder zumindest konstant zu halten. Solche stetigen und verlässlichen Dividendenzahler weisen oft gar keine so hohen Dividendenrenditen auf und mögen sogar langweilig erscheinen.
Woran erkennt man sie?
Kaim: Wenn ich einen über lange Zeit stabilen Cashflow mit Dividenden haben möchte, muss ich auf das Geschäftsmodell achten. Es gibt Unternehmen aus Bereichen wie Versicherung, Telekommunikation, Nahrungsmittel oder Gesundheit, bei denen Sie in der Regel einen langfristig stabilen und sicheren Zahlungsstrom bekommen – eben auch in Krisenzeiten.
Bieten Dividendenzahler auch einen Inflationsschutz?
Kaim: In den Ausschüttungen können sich auch steigende Preise widerspiegeln. Sie müssen bedenken, dass die Dax-Unternehmen im Schnitt ihren Umsatz in diesem Jahr 14 bis 15 Prozent steigern konnten, und zwar weil sie in der Lage waren, die Preise zu erhöhen. Damit können sie ihren Anteilseignern höhere Dividenden zahlen.
Aktien: So profitieren Anleger von einem klugen Strategie-Mix

Es gibt Anleger, die als eingeschworene Contrarians nur Aktien anfassen, die sonst keiner haben möchte. Momentum-Käufer indes legen sich nur Papiere ins Depot, die immer teurer werden. Und schließlich gibt es die Option, langfristig unterbewertete Titel erst dann zu kaufen, wenn diese mittelfristig Stärke zeigen – ein sehr vielversprechender Ansatz, wie seit 2021 die Kursgewinne im Energiesektor zeigen.
Für Anleger gibt es viele Strategien, um Geld zu verdienen – und noch mehr, um es zu verlieren, wie böse Zungen anmerken könnten. Umso wichtiger ist es, die Nachteile einzelner Ansätze durch eine sinnvolle Kombination von Strategien so weit wie möglich auszugleichen. So ist es einerseits auf Sicht von mehreren Jahren von Vorteil, unterbewertete Aktienmärkte und Aktiensegmente zu kaufen. Schließlich weisen diese ein größeres Potenzial auf als Titel, die 40 oder 50 Prozent im Plus stehen. Andererseits können unterbewertete Unternehmen noch weiter an Wert verlieren und das Depot gehörig in Mitleidenschaft ziehen.
Günstige Titel dann kaufen, wenn sie relative Stärke zeigen
Doch es gibt eine Lösung für dieses Dilemma. Dabei werden längerfristig unterbewertete Länder, Sektoren oder Einzeltitel dann gekauft, wenn sie beginnen, mittelfristig relative Stärke zu zeigen. Sie wandern also erst ins Depot, wenn sie über eine gewisse Zeit stärker abschneiden als eine Benchmark. Das können der breite Aktienmarkt oder andere Sektoren sein. Ist der Zeitraum, über den die Stärke dieser Assets miteinander verglichen wird, klug genug gewählt, können Anleger auf diese Weise frühzeitig von neuen Trends profitieren. Und das Konzept der relativen Stärke sorgt dafür, dass sie so lange investiert bleiben, wie diese Segmente besser abschneiden.
Energie-ETF schlägt den breiten Markt
Schauen wir uns ein Beispiel an. Von Anfang 2012 bis Ende 2020 schlug der breite US-Markt den Energie-Sektor, wie er durch einen bekannten ETF repräsentiert wird, sehr deutlich. Es handelte sich also um eine klare Unterbewertung der Energie-Aktien. Doch dann drehte der Wind, und im Jahr 2021 entwickelte sich der Energie-Sektor doppelt so gut wie der breite Markt. Wer diesem klaren Signal der relativen Stärke weiterhin folgte, konnte sich auch im Folgejahr über reiche Ernte freuen: Von Januar 2022 gewann der Energie-ETF vier Mal so viel wie der S&P 500 verlor. Damit hatte das Konzept der relativen Stärke einmal mehr gezeigt, dass Anleger damit eine sogenannte Über-Rendite erwirtschaften können.
Ein Konzept für das gesamte Vermögen?
Als Strategie für einen Teil des Depots ist das Konzept der relativen Stärke zwar gut geeignet. Es taugt aber kaum, um das gesamte Vermögen zu verwalten. Zum einen liefen Anleger so Gefahr, in einem breiten Aufschwung, der quasi alle Sektoren nach oben treibt, etliche Renditetreiber nicht im Depot zu haben. Zum anderen kann ein gut gelaufener Sektor nach einer gewissen Zeit in Ungnade fallen. Dann dreht der Wind dort schneller, als es viele Privatanleger wahrhaben wollen. Wer dann die Signale zum Ausstieg nicht erkennt und umsetzt, erleidet schmerzhafte Verluste.
Übrigens: Als Vermögensverwalter sind wir aus guten fundamentalen Gründen überzeugt, dass die Energie-Unternehmen noch über längere Zeit relative Stärke zeigen oder sich zumindest so gut wie der breite Markt entwickeln werden.
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