Börsenjahr 2022: Zwischen Wirtschaftserholung und geänderter Notenbankpolitik

Börsenjahr 2022: Zwischen Wirtschaftserholung und geänderter Notenbankpolitik


Der Jahreswechsel naht und mit ihm die Frage, wie muss ich 2022 mein Geld investieren? Dazu haben wir eine Reihe von Experten befragt. Samir Zakaria, Vermögensverwalter bei der Hansen & Heinrich AG in Frankfurt am Main, sieht als Spannungspole zum einen die wirtschaftliche Erholung und zum anderen die möglicherweise restriktiver werdende Notenbankpolitik von FED und EZB.
Samir Zakaria, Niederlassungsleiter Hansen & Heinrich AG, Frankfurt am Main

Was werden die beherrschenden Mega-Themen an den Börsen 2022 sein: steigende Inflation, hohe Volatilität, Nachhaltigkeit, Handelskrieg USA-China, Ende der Corona-Pandemie oder…?

Samir Zakaria: Beherrschende Themen bleiben zum einen die wirtschaftliche Erholung und die Reaktion der Zentralbanken auf ein verbessertes wirtschaftliches Umfeld. Hält der Aufschwung an, müssen Zentralbanken die Ernsthaftigkeit ihrer Stabilitätspolitik beweisen – oder sich als Arm der Politik andienen, die trotz hoher Inflation die Geldpolitik vielleicht zu langsam strafft. Die Entscheidungen der Notenbanken werden einen signifikanten Einfluss darauf haben, ob die aktuell sprunghaft angestiegene Inflation nur vorübergehend oder dauerhaft sein wird.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Zum anderen sind es die Spannungen zwischen Nachhaltigkeit und Energiesicherheit. Gemeint ist damit aktuell die Diskussion, welcher Energieweg die Zukunft bestimmen wird. Die darin liegenden Spannungen haben spätestens die plakativ und offensiv in der Bundestagswahl geführten Diskussionen gezeigt. Die Frage lautet: Kann „Net Zero“ bei gleichzeitiger Energiesicherheit weiter erreichbar bleiben oder muss die Welt umdenken, wenn die Gesellschaft weiter Energie zu günstigen Preisen haben will? Der gesellschaftliche Wandel zu Nachhaltigkeit ist erkennbar und wird an der Börse in 2022 ein wichtiges Thema sein.
Die Spannungen zwischen China und den USA werden schließlich auch 2022 für Unsicherheit und Volatilität an den Börsen sorgen.

Welche Aussichten haben die einzelnen Anlageklassen: Aktien, Renten, Immobilien, Öl, Gold und Rohstoffe? Würden Sie die Quoten der einzelnen Anlageklassen tendenziell eher senken oder anheben?

Zakaria: Aktien bleiben aufgrund des Wachstums und der Gewinnentwicklungen die bevorzugte Anlageklasse, insbesondere nachhaltige Investments und Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht. Wir sind positiv für Aktien und positiv für den Standort Deutschland.

Öl und Gas werden weiter eine starke Unterstützung haben, sie bleiben aber also fossile Brennstoffe ein umstrittenes Investment.

Gold als Beimischung bleibt essenzieller Bestandteil der Portfolien. Kryptowährungen hingegen sind ein Experiment und aus unserer Sicht kein Investment für den Vermögensaufbau in unseren Anlagestrategien.

Kursrisiken bei Staatsanleihen steigen. Selektiv sind Unternehmensanleihen guter Bonität, Nachranganleihen und Wandelanleihen interessant. Hier nehmen wir immer wieder ausgesuchte und gut recherchierte Einzeltitel und Fonds in unsere Allokationen auf. Wir sind positiv für Aktien und positiv für den Standort Deutschland.

Was trauen Sie der deutschen Börse mit dem erweiterten DAX 40 zu?

Zakaria: Die Betrachtung der deutschen Börsenunternehmen bleibt stets eine Einzeltitelbetrachtung. Aus unserer Sicht war der DAX30 ein ungünstig eng gefasster Index, der mit seinem Industrie- und Chemieschwerpunkt die klassischen Wirtschaftssektoren vergangener Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland abbildete. Der DAX40 hat dies leicht verbessert. Wir hingegen hätten uns einen breiteren Index gewünscht. Wir geben keine Prognosen für Indizes ab.  

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Welche Impulse sind von der neuen deutschen Bundesregierung zu erwarten?

Zakaria: Die Erwartung muss daran geknüpft werden, welche Koalition das Rennen macht und wie das gemeinsame Programm aussieht. Da werden wir diesmal sehr detailliert hinsehen, sobald das möglich wird. Aktuell laufen die Sondierungen. Ein Diskurs innerhalb einer zukünftigen Regierung dürfte stärker werden, und das ist aus unserer Sicht positiv. Das Signal der Erstwähler fordert Veränderung. Die kleineren Parteien sind bereit dazu. Ob dies in der politischen Realität ankommt, bleibt abzuwarten. Sicher werden Nachhaltigkeit und finanzielle Stabilität zwei Punkte der kleinen Regierungsparteien sein, die die künftige Regierung stärker in den Fokus rücken wird.

Auf welche Länder und Regionen sollten Anleger 2022 besonders schauen – welche meiden?

Zakaria: Europa wird mit steigendem Fokus auf Nachhaltigkeit eine interessante Region werden. Daneben bleibt Asien der Wachstumsmotor sowohl bei Konsum als auch zunehmend bei Technologien. Japan beginnt, seine Corporate Governance zu verändern mit Managern der neuen Generation. Des sollte positiv wirken. China wird seinen Immobilienmarkt beruhigen müssen, um 2022 an alte Stärke anknüpfen zu können.

Welche Unternehmen und Branchen werden 2022 (wieder) erfolgreich sein – und warum? Welche werden auf der Stelle treten oder an Börsenwert verlieren?

Zakaria: Erneuerbare Energien erfahren starkes Wachstum. Infrastruktur wird bedeutender mit dem Wandel der Wirtschaft zu Nachhaltigkeit. Technologieunternehmen bleiben ein spannender Sektor, doch die hohe Verschuldung mancher Unternehmen wird 2022 bei Wachstum und leicht steigenden Zinsen zu einer niedrigeren Bewertung dieses Sektors führen.

Welche Ereignisse (“schwarze Schwäne”) könnten die Aussichten ebenso grundlegend wie überraschend verändern?

Zakaria: Hier blicken wir auf China. Die Immobilienblase sorgt für Unmut in der Bevölkerung. Chinesen erwarten heute Reichtum – kann China dies erfüllen?

Technologieplattformen werden global stärker unter Regulierungsmaßnahmen leiden. Dies kann bei Megakonzernen wie jüngst chinesischen Internetfirmen zu unerwarteten Gewinneinbrüchen führen. Solche Unternehmen waren 2020 und 2021 in allen bedeutenden Global Funds und ETFs vertreten. 

Welche Absicherungsstrategien gibt es für 2022?

Zakaria: Wir setzen auf eine breite Streuung im Aktienbereich, sowohl bei Ländern, Branchen und Marktkapitalisierung. Inflationsindexierte Anleihen und Wandelanleihen nehmen wir als Assetklasse wieder verstärkt in den Fokus.

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