
Finanztipps auf Instagram, TikTok und Co.: Sind Finfluencer hilfreich oder gefährlich?
Reich werden? Gar kein Problem – zumindest, wenn man der schönen neuen Social-Media-Welt glaubt! Wer für ein paar Tausend Euro durch ein Coaching sein Mindset ändert, einem ganz geheimen Aktientipp folgt oder in die Kryptowährung XY investiert, kann eigentlich gar nichts falsch machen – oder? „Wenn Sie Ratschläge und Angebote aus sozialen Netzwerken bei Ihrer Geldanlage nutzen, sollten Sie äußerst wachsam sein“, rät die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf ihrer Internetseite. Anlagetipps auf Social-Media-Plattformen sind keine Seltenheit. Laut einer BaFin-Umfrage aus dem Mai letzten Jahres nutzen gerade jüngere Menschen diese Informationsquelle zu Finanzthemen. In der Altersgruppe der 18- bis 45-Jährigen war es mehr als die Hälfte der Befragten. Finanztipps gebende Influencer haben sogar einen eigenen Namen: Finfluencer. Aber wie verlässlich sind die hier angebotenen Informationen?
Gute und schlechte Angebote
Wie so oft im Finanzbereich lautet die Antwort: Es kommt darauf an. Auf der einen Seite überbieten sich manche Finfluencer mit Renditeversprechen und angeblichen Geheimtipps. Finanzfachmann Andreas Görler vom Berliner Vermögensverwalter Wellinvest – Pruschke & Kalm GmbH hat dazu eine klare Empfehlung: „Sobald mit Tipps für zweistellige Renditen in kurzer Zeit geworben wird und immer wieder die neuesten Hits propagiert werden: Finger weg!“ Dasselbe gelte auch für selbsternannte „Finanz-Coaches“, die vom richtigen Mindset faseln und völlig überteuerte Seminare ohne echten Inhalt verkaufen.
Eine gute Idee sei es auch, die Motivation zu hinterfragen, warum etwas empfohlen wird. Schon im alten Rom stellte Cicero die Frage „Cui bono?“ – und dass es wichtig sein kann, zu verstehen, wem etwas nützt, hat sich auch in unserer digitalen Welt nicht geändert. Wenn also plötzlich im Mama-Papa-Blog Kinderdepots angepriesen werden, könnte die Suche nach dem Hinweis „Werbung“ bei der Einordnung der Empfehlung helfen. Auf der anderen Seite ist bei Weitem nicht alles schlecht, was Nutzer in den unendlichen Weiten des Internets zu Anlagethemen finden. „Es gibt sehr sinnvolle digitale Angebote“, sagt Gottfried Urban, Geschäftsführer bei Urban & Kollegen Vermögensmanagement aus dem bayerischen Altötting. „Eine ganze Reihe von kompetenten und erfahrenen Kollegen und Journalisten bietet auf verschiedensten Kanälen top Finanzinformationen, die interessant und spannend vermittelt werden.“ Er empfiehlt jedoch, sich nicht ausschließlich auf digitale Angebote zu verlassen, sondern offline eine zweite Meinung einzuholen und die Bedeutung menschlicher Erfahrung nicht zu unterschätzen. Allein der Bekanntheitsgrad sollte kein Qualitätskriterium sein.
Viele Fans trotz schlechter Ergebnisse
Denn auf die sogenannte Schwarmintelligenz zu setzen, ist im Anlagebereich wohl keine gute Idee. Das ergab zumindest eine Studie des Swiss Finance Institute, die rund 72 Millionen Tipps von Finfluencern über mehrere Jahre auswertete. Gerade diejenigen, deren Empfehlungen schlechter abschnitten als die Marktentwicklung, waren besonders aktiv und glänzten mit einer hohen Zahl an Followern. Finfluencer setzen dabei oft auf Trendthemen – aber jeder, der das Prinzip der Preisbildung zum Beispiel an den Aktienbörsen verstanden hat, weiß: Hier wird die Zukunft gehandelt. Oder anders gesagt: Ist etwas in aller Munde, ist es in der Regel auch schon im Preis enthalten.
„Wirkliche Geheimtipps oder einen echten Informationsvorsprung hat kein Finfluencer“, da ist sich Marktexperte Gottfried Urban sicher. Immer mehr Vorteile bietet hingegen der Einsatz künstlicher Intelligenz – auch bei Geldanlagethemen. Es spricht nichts dagegen, sich Anregungen zur Frage „Wie lege ich mein Geld gut an?“ bei ChatGPT & Co. zu holen. Doch es ist wichtig, die Ergebnisse richtig einzuordnen und auf die eigene Situation anzupassen. Andreas Görler hat dazu einen fast altmodisch wirkenden, aber wertvollen Tipp: „Allen Anlegern ist zu empfehlen, sich beim Beginn des Vermögensaufbaus zumindest ein wenig mit der ausreichend vorhandenen Literatur zu beschäftigen und sich über Aktien, Anleihen, aktive und passive Fonds sowie Zertifikate zu informieren.“ Hier investierte Zeit lohnt sich eigentlich immer – und im Zweifel jemanden zu fragen, der sich damit auskennt, ist auch noch so eine empfehlenswerte Oldschool-Idee.
Interview: „Wertvolle Geheimtipps von Influencern? Die gibt es einfach nicht!“
Im World Wide Web finden sich viele tolle Angebote zu Finanzthemen – und auch künstliche Intelligenz kann gute Ideen für die Anlageplanung liefern. Nutzer sollten aber spätestens bei Traumrenditeversprechen skeptisch werden, offline eine zweite Meinung einholen und sich eher an echte Experten halten, erklärt Gottfried Urban, Geschäftsführer bei Urban & Kollegen Vermögensmanagement aus dem bayerischen Altötting.
Gottfried Urban: Grundsätzlich ist es eine tolle Sache, dass sich gerade auch junge Leute auf Social-Media-Plattformen über Finanzthemen austauschen. Gleichzeitig ist es aber manchen Influencern wohl nicht ganz bewusst, welche Verantwortung sie tragen. Da ähneln manche Tipps eher einem Lottoschein als einer soliden Geldanlage – und vielen Nutzern fehlt leider das Basiswissen, um sinnvolle Ratschläge von heißer Luft zu unterscheiden.
Urban: An sich muss eine zweistellige Rendite nicht unseriös sein – es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder Aktien, die das auch langfristig eingebracht haben. Aber wer eine langfristige Anlagemöglichkeit, etwa für die Altersvorsorge, sucht, sollte nicht den Trends von gestern hinterherlaufen, die marktschreierisch auf den Plattformen angepriesen werden. Nur weil künstliche Intelligenz gerade „in“ ist, heißt das nicht, dass jedes Unternehmen in dem Bereich auch erfolgreich sein wird. Und auch die neu entdeckte Goldminenaktie wird das Investment nicht mit Sicherheit vervielfachen. Zur Wahrheit des Investierens gehört, dass es nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern auch unzählige Pleiten gibt.
Urban: Sie sollten sich bewusst machen, dass es an der Börse keinen „Free Lunch“ gibt. Höhere Renditen gehen zwangsläufig mit höherem Risiko einher. Statt auf einen Glückstreffer zu hoffen, ist es vernünftiger, Investments langfristig zu streuen. Die Börsenweisheit lautet: Wer streut, rutscht nicht aus. Wer also nicht nur auf eine Einzelchance, sondern auf viele Möglichkeiten mit soliden Fundamentaldaten setzt, verliert bei einzelnen Enttäuschungen nicht gleich sein ganzes Kapital. Das ist erfahrungsgemäß deutlich erfolgreicher, als alles auf vermeintliche Geheimtipps zu setzen – insbesondere, wenn diese von Influencern kommen.
Urban: Wie überall gilt: Wer etwas anbietet, will meist auch etwas davon haben. Deshalb ist es klug, sich zu fragen: Was hat die Person davon? Das kann offensichtlich sein – etwa, wenn der Depotanbieter A empfohlen wird und gleich ein provisionsbringender Link folgt. Aber es kann auch subtiler sein, z. B. wenn durch das Hypen von Nischenwerten Aktienkurse manipuliert werden sollen.
Urban: Nein. Es gibt viele sinnvolle digitale Angebote im Finanzbereich. Eine ganze Reihe von kompetenten und erfahrenen Kollegen und Journalisten bietet auf verschiedensten Kanälen fundierte Informationen, spannend und verständlich aufbereitet. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Nutzer eher auf namhafte Finanzexperten setzen – statt auf besonders peppig produzierte Inhalte.
Urban: Wer die Grundlagen versteht – etwa den Zusammenhang von Renditechance und Risiko oder die Bedeutung des Anlagehorizonts – wird nicht vom kaum verzinsten Sparbuch direkt ins Kryptowallet wechseln. Wer sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, wird langfristig erfolgreicher Vermögen aufbauen und Fehler vermeiden. Es wäre wünschenswert, wenn solche Themen bereits in der Schule vermittelt würden
Urban: Tatsächlich werden die Tipps von ChatGPT und Co. auch im Finanzbereich immer besser. Aber um wirklich individuelle und passende Lösungen zu finden, empfehle ich, diese Ratschläge eher als Anregung für ein Gespräch mit einem Experten zu nutzen – idealerweise mit jemandem, der unabhängig und auf fairer Honorarbasis berät. Das ist ein bisschen wie bei einem Arztbrief: Als Laie versteht man oft nur einen Bruchteil der Zusammenhänge und muss im Großen und Ganzen glauben, was dort steht. Ein ausgebildeter, erfahrener Mediziner liest so etwas ganz anders – und kann mit einer fundierten zweiten Meinung weiterhelfen.
Auch für eine wirklich gesunde Vermögensstrategie sollte die Empfehlung einer künstlichen Intelligenz durch den Rat eines Menschen ergänzt werden. In ein solches Gespräch kann es durchaus sinnvoll sein, trendlastige Tipps eines Finfluencers als Idee mitzubringen. Doch die Einordnung durch jemanden, der sich idealerweise seit Jahrzehnten mit der Thematik beschäftigt, ist trotz aller technischen Möglichkeiten immer wertvoll – und kann langfristig entscheidend zum Erfolg beitragen.
Grafik: Kaum jemand vertraut Finfluencern ganz
Gerade die sogenannte Generation Z – also Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden – nutzt den Rat von Finfluencern auf Plattformen wie Instagram, YouTube oder TikTok deutlich häufiger als ältere Jahrgänge. Allerdings ergab eine im April 2025 abgeschlossene Umfrage der Analystenvereinigung CFA, dass – unabhängig vom Alter – rund 90 Prozent der 461 Befragten den Informationen aus sozialen Medien eher geringes Vertrauen entgegenbringen.

