
Immobilie verschenken oder vererben?

Was müssen Besitzer eines Hauses/einer Wohnung beachten, wenn sie Ihre Immobilie verschenken und/oder vererben wollen?
York Irmer: Das Schenken mit warmer Hand bietet den Vorteil, dass man wesentlich mehr optimieren kann. Zunächst gilt es, Freibeträge geschickt zu nutzen. Das sind bei Kindern 400.000€ alle 10 Jahre, bei Ehegatten 500.000€. Auch eine Kombination aus Schenkung an Kinder und Ehegatten, der wiederum den Freibetrag nutzen kann, kann eine sinnvolle Überlegung sein.
Bei der selbst genutzten Immobilie gibt es wiederum eine Sonderregelung im Form der steuerfreien Übertragung an den Ehepartner. Wer z.B. Bargeld und Eigenheim verschenken möchte, teilt die Schenkung zunächst unter Ehepartner und Kindern auf, und der Ehepartner überträgt dann etwas später.
Nicht zuletzt können die Übertragungswerte durch Lasten gemindert werden. Mittels einer verketten Schenkung von Immobilie und Hypothek, oder mit einem Wohnrecht oder einem Nießbrauch lassen sich Schenkungen steuerlich optimieren. Zu Lebzeiten bietet die Immobilie also zahlreiche Vorteile bei der Vermögensübertragung. Ganz wichtig ist sicherzustellen, dass sich keine Finanzlücken auftun. Wenn bei der Immobilie Schenkungs- oder Erbschaftsteuer anfällt, dann zahlt – wenn nicht anders geregelt – der Begünstigte. Das gleiche gilt für unmittelbar anstehende Investitionen für Sanierungen oder Reparaturen.

Was ist insbesondere bei einer Aufteilung von Mehrfamilienhäusern im Schenkungsfall zu beachten?
Irmer: Der Schenker hat bei mehreren Empfängern die Wahl zwischen zwei Alternativen: Entweder er überträgt den Beschenkten die Mehrfamilienhäuser gemeinschaftlich (jedem gehört ein prozentualer Anteil an allen Gebäuden) oder er weist jedem Empfänger direkt ein Objekt zu, das ihm zu 100% gehört. Für letzteres ist allerdings eine Aufteilung im Grundbuch erforderlich.
Bei der 1. Lösung sind die Beschenkten darauf angewiesen, dass sie auch zukünftig gut miteinander zurechtkommen und gemeinsam Entscheidungen für die Mehrfamilienhäuser fällen. Der Immobilienbestand wird dabei zusammengehalten und die „gerechte“ Aufteilung kann auf das Prozent genau vorgenommen werden. Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass im Zweifel nicht alle Beschenkten die gleichen Zielsetzungen und den gleichen finanziellen Hintergrund haben.
Gerade bei unterschiedlichen Zielen und Voraussetzungen kann es besser sein, jeden Beschenkten mit einer fest definierten Immobilie/Wohnung zu bedenken. Das Einräumen eines gegenseitigen Vorkaufsrechts für den Fall der Veräußerung kann hier überlegt werden.
Was müssen die Beschenkten/Erben bedenken?
Irmer: Eigentum verpflichtet. Nicht jeder Mensch möchte und nicht jeder Mensch eignet sich dazu, eine Immobilie zu besitzen. Wenn die Beschenkten oder Erben erstmalig Immobilieneigentümer werden, sollten zeitnah Investitionspläne erstellt werden. Mit ihnen kann man ein realistisches Bild von der Ertragskraft des Objektes und den damit in Verbindung stehenden Zahlungsflüssen, etwa Rückstellungen für Renovierungen, zeichnen.
Wie kann Streit beim Verschenken/Vererben vermieden werden?
Irmer: Meinungsunterschiede bei Schenkungen und Erbschaften sind häufiger der Fall. Streit entsteht etwa,
- wenn eine Partei sich bei Erbschaft oder Schenkung ungerecht behandelt fühlt
- konfligierende Ziele innerhalb einer Gemeinschaft verfolgt werden (Halten oder Verkaufen)
- Menschen, die sich untereinander nicht verstehen, eine Gemeinschaft „aufgezwungen“ wird
- die Auslegung der Schenkung oder Erbschaft nicht von allen Parteien als eindeutig akzeptiert wird
Um diese Probleme zu vermeiden, könnte man vorbereitend folgendes tun:
- Der Schenkende/Erblasser sollte mit den Beschenkten/Erben reden und ihre Erwartungen und Wünsche erfassen und, wenn möglich, bei der Übertragung berücksichtigen. Zwei Geschwister, die ungleich behandelt werden, könnten die Schuld an der erlittenen Ungerechtigkeit anstatt auf den Erblasser/Schenker auf das andere „bevorzugte“ Geschwisterkind projizieren – und so die Beziehung untereinander auf lange Zeit belasten. Sind beide noch in einer Erbengemeinschaft verbunden, kann es zu einer Blockadehaltung eines Geschwisters kommen, die sich nur noch durch eine Teilungsversteigerung der Immobilie lösen lässt. Dann wird die Immobilie veräußert, die Gemeinschaft aufgelöst und jeder Anteilseigner ausgezahlt. Ein solcher Verkauf unter Druck erfolgt nicht selten mit einem Abschlag.
- Der Schenkende/Erblasser sollte sich gut überlegen, ob er auf Seite der Empfänger Gemeinschaftseigentum schafft oder individuelles Eigentum. Kann ein Empfänger gut mit Geld umgehen und der andere eher schlecht, wird der „Schlechte“ durch Gemeinschaftseigentum ein Stück weit vor sich selbst geschützt – man frachtet aber gleichzeitig damit dem „Guten“ eine Bürde in Form der Verwaltung auf.
- Der Schenkende/Erblasser sollte sich um ein eindeutig formuliertes Testament/ Schenkungsurkunde bemühen. Das Geld für den Rechtsanwalt, der beratend zur Seite steht, ist eine Investition in den Erhalt des Familienfriedens.
Welche Möglichkeiten habe ich, zu Lebzeiten meine Immobilie “flüssig” zu machen, ohne den Zugriff darauf bzw. das Wohnrecht zu verlieren?
Irmer: Der sog. Nießbrauch ermöglicht es einem Eigentümer, seine Immobilien zu verschenken oder zu verkaufen, sich aber das Recht an den Mieteinnahmen oder dem Wohnrecht lebenslänglich vorzubehalten. Reparaturen etc. an dem Haus sollten weiterhin vom Schenker, der auch Empfänger der Mieteinnahmen ist, gezahlt werden. Eigentümer laut Grundbuch wird der Beschenkte, der Schenker kann das Haus dann weiter nutzen/vermieten, aber nicht mehr veräußern.
Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens ist der dadurch abnehmende Wert des verschenkten Hauses. Beim Verschenken oder Vererben werden durch die „Aushöhlung“ der Immobilie weniger oder gar keine Steuer anfallen. Man kann den Nießbrauch auch mit externen Partnern umsetzen. Dabei würde die Immobilien an einen Dienstleister verkauft, der Häuser gegen die Zahlung einer lebenslangen Rente ankauft. Der Verkäufer, oft ein Rentner mit abbezahltem Immobilieneigentum, kann seinen Lebensabend in den eigenen vier Wänden verbringen und erhält eine zusätzliche Rente vom Dienstleister. Nach dem Tod des Bewohners fällt das Haus an die Gesellschaft. Sind keine Nachkommen zu berücksichtigen, bietet dieses Vorgehen für den Verkäufer viele Vorteile.
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