
Vermögensverwaltung: „Nachhaltigkeit ist ein Gebot der Vernunft“
Sollten auch nicht grün orientierte Anleger Nachhaltigkeitskriterien beachten?
Claus Walter: Für uns war Nachhaltigkeit als Investmentkriterium schon wichtig, als es noch kein Trendthema war. Wir achten seit vielen Jahren darauf, dass wir nur in Unternehmen investieren, deren Geschäftsmodell langfristig auch positiv auf die Gesellschaft wirkt und nicht unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir sind davon überzeugt, dass das auf Dauer auch unter Renditegesichtspunkten Sinn macht und schlicht moralisch-ethisch geboten ist.
Aber sind Kürzel wie „ESG“ wirklich verlässlich?
Walter: Das kommt ganz darauf an, welche Ziele man erreichen will. Ein ESG-gefilterter Index schließt zum Beispiel schon manche Unternehmen aus, die bei Nachhaltigkeitsthemen hinterherhinken. Aber es finden sich in so einer Zusammenstellung noch sehr viele Unternehmen, die ein stark ökologisch-moralisch orientierter Anleger eher nicht im Depot haben will. Die müssen genau hinsehen, wie Nachhaltigkeit konkret umgesetzt wird. Nur ein Kürzel im Namen sagt noch nicht unbedingt viel aus. Wichtig ist zu wissen, dass passive Produkte wie Indexfonds nur ausschließen, aber nicht nach besonders nachhaltigen Unternehmen suchen. Wir kombinieren deswegen solche Anlagen mit einer aktiven Auswahl von Qualitätsaktien aus verschiedenen, aussichtsreichen Branchen. Werte, die gar nicht auf Nachhaltigkeit achten oder Umsätze hauptsächlich in moralisch schwierigen Bereichen wie Rüstung oder Glücksspiel erzielen, kommen hier überhaupt nicht in Frage.

Darf ein nachhaltiges Finanzprodukt Atomkraftwerte enthalten?
Walter: Das ist letztlich eine ganz persönliche Bewertung. In Deutschland herrscht die Meinung vor, dass die Frage der Lagerung des nahezu ewig strahlenden Abfalls nicht geklärt ist und das nicht nachhaltig sein kann. Auf der anderen Seite sagen zum Beispiel die Franzosen, durch Atomkraft lässt sich der Kohlendioxidausstoß verringern, was das drängendere Problem ist. Wir haben uns dazu entschieden, in unseren Portfolien nicht in Werte zu investieren, die auf Atomkraft als Zukunftstechnologie setzen.
Lässt sich Nachhaltigkeit überhaupt eindeutig definieren?
Walter: Für uns sind moralische-ethische Aspekte essenzieller Bestandteil einer verantwortungsbewussten Anlagepolitik. Was im Einzelnen dann zum Beispiel nach den Vorgaben der EU als nachhaltig definiert wird und was nicht, darüber kann vortrefflich gestritten werden. Wir haben das bisher für uns im Einzelfall sehr pragmatisch gehandhabt und etwa auch ernsthaftes Bemühen honoriert. Wenn zum Beispiel ein klassischer Industriewert versucht, den CO2-Ausstoß signifikant zu senken, kann das unserer Ansicht nach unter dem Strich sehr viel Positives bewirken, auch wenn es nicht sofort als nachhaltig eingestuft wird.
Wenn es kompliziert ist, passende nachhaltige Geldanlagen zu finden, bringt das dann überhaupt etwas?
Walter: Achten Unternehmen auf Nachhaltigkeit, sind ihre Aktien schon heute gefragter und haben auf die Krisen in den letzten Jahren im Schnitt weniger stark reagiert. Da der Kurserfolg ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung des Managements ist, ist sicher auch die Motivation hoch, solche Themen anzugehen. Die von der EU festgelegten Standards sind nicht perfekt und haben Lücken. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, der eine positive Wirkung hat, die Anleger einkalkulieren sollten. Nachhaltigkeit ist inzwischen bei Investments auf jeden Fall kein Nachteil mehr und eigentlich schon immer ein Gebot der Vernunft.
Vermögen nachhaltig aufteilen
Auch für einen „grünen“ Depotmix gilt die Regel: Um Risiken möglichst zu streuen, sollten nicht alle Eier in einen Korb gelegt werden. Profis achten zum Beispiel darauf, verschiedene Branchen, Regionen und Währungsräume zu mischen. Manche heimischen aktiven Nachhaltigkeitsfonds haben etwa einen Schwerpunkt in Europa. Da könnte es Sinn machen, zusätzlich auf einen global ausgerichteten ESG oder SRI selektierten Indexfonds (ETF) zu setzen, die oft einen stärkeren Schwerpunkt in den USA und Asien haben. Zusätzlich kann der Einsatz verschiedener Anlageformen, wie zum Beispiel Unternehmensanleihen, die Anfälligkeit bei Aktienmarktschwankungen ein Stück weit abfedern. Ein schnell verfügbarer Notgroschen sorgt zusätzlich dafür, dass Papiere nicht gleich bei unvorhergesehenen Ereignissen wie zum Beispiel einem kaputten Auto, in einem ungünstigen Moment verkauft werden müssen.

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