Soll man nur noch ETFs kaufen?

Soll man nur noch ETFs kaufen?


In den letzten Jahren sind ETFs wegen ihres geringen Preises immer populärer geworden. Gerade die Corona-Krise mit den Börsenabstürzen hat die Nachteile passiver Fonds gezeigt. ETF-Experte Markus Jordan und Vermögensverwalter Claus Walter diskutieren die Vor- und Nachteile.

PRO: „Jeder Anleger kann selbstständig in ETFs investieren. Ein Berater ist dabei nicht nötig.“

Von Markus Jordan, Geschäftsführer des Anlegerportals extraETF.com

Mit ETFs investieren kann jeder. Sogar Verbraucherschützer empfehlen ETFs für die Umsetzung der eigenen Anlagestrategie. Dazu braucht es nicht einmal teuere Berater. Wer ein wenig Zeit und Interesse an Finanzthemen mitbringt, kann problemlos eine Anlagestrategie für sich entwickeln und diese dann selbstständig bei einer kostengünstigen Direktbank umsetzen. Bevor man investiert, muss sich der Anleger allerdings drei Fragen beantworten. Erstens: Wie soll meine Vermögensverteilung aussehen? Zweitens: In welche Märkte möchte ich investieren? Drittens: Welche ETFs kommen infrage?

Vor allem die erste Frage ist wichtig. Denn ohne eine zum Risikoprofil des Anlegers passende Anlagestrategie entsteht schnell ein zu riskantes Portfolio. Eine Faustregel zur Ermittlung der Aktienquote lautet: 100 minus Lebensalter. Demnach sollte ein 60-Jähriger maximal 40 Prozent seines Vermögens in Aktien investieren. Wird zudem Geld für eine baldige Ausgabe benötigt, sollte auch das berücksichtig werden.

Langfristig erwirtschaftet eine hohe Aktienquote natürlich auch die höchste Rendite, allerdings können zwischenzeitlich, wie aktuell im Zusammenhang mit der Coronakrise geschehen, große Kursverluste entstehen. Die Anlagestrategie sollte daher so gewählt werden, dass man in diesen Abwärtsphasen nicht aus Panik verkauft und Verluste realisiert. Denn nach jeder Korrektur kommt auch früher oder später wieder eine Aufschwungphase.

Die Auswahl der Märkte und der jeweiligen ETFs ist dann nur noch die Kür. Hier gilt: Weltweit breit gestreut investieren. Am besten mit ETFs auf Indizes, die sich aus tausenden Aktien zusammensetzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Vanguard FTSE All-World UCITS ETF (ISIN: IE00B3RBWM25), der rund 3.400 verschiedene Aktien aus der ganzen Welt enthält. Alternativ bieten sich auch ETFs auf den bekannten MSCI World Index an. Die sichere Komponente des Portfolios kann aktuell aus Tagesgeld oder kurzlaufenden Euro-Staatsanleihen bestehen. Da sich im Zeitverlauf die Gewichtung der Aktien verschiebt, sollte man mindestens einmal pro Jahr das Depot überprüfen und wieder an die zuvor gewählte Struktur anpassen.


CONTRA: „ETFs sind kein günstiges Allheilmittel für eine solide Vermögensaufstellung.“

Von Claus Walter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement GmbH

Mit ETFs können Anleger sparen, aber auch viel falsch machen. Denn eigentlich sollte es nicht vorrangig darum gehen, ob das eine Finanzprodukt 0,x Prozent günstiger ist. Eine solide Vermögensaufstellung hat viel mit einer erfolgreichen Fußballmannschaft gemeinsam. Es braucht torgefährliche Stürmer, ein stabiles Mittelfeld, eine sichere Abwehr und nicht zuletzt einen guten Trainer, der die Taktik anpasst und rechtzeitig auswechselt. Anders gesagt, ETFs dürfen gerne mitspielen, aber sollten sich gut in das Teamgefüge einpassen.

Denn läuft das Spiel an der Börse nicht wie geplant, geht es für den Besitzer eines Standard-Index-ETFs meist direkt mit in den Tabellenkeller. Die preisgünstigen Finanzprodukte haben einen grundsätzlichen Nachteil, sie sind passiv zusammengesetzt. Fallen die Börsenbarometer, wie etwa MSCI World, Dax oder Dow Jones, die sie mehr oder weniger gut nachbilden, reagiert niemand, um die Verluste zu begrenzen. Während die Märkte in Panik sind, sollen dann normale Anleger mit kühlem Kopf entscheiden, ob es Zeit ist, die Aufstellung zu ändern oder einfach abzuwarten.

Nur in der Theorie ist das ganz einfach: Langfristig spricht vieles dafür, dass sich Märkte wieder erholen. Wer global in Aktien anlegt, dem wird schon nichts passieren. Das stimmt im Prinzip auch, aber nicht jeder Börsenanfänger kann fünf oder zehn Jahre auf die Gewinnzone warten. Wer nervös wird oder vorzeitig verkaufen muss, hat den Preisvorteil von ETFs teuer bezahlt. Und glauben Sie etwa, alle Unternehmen werden sich gleich gut vom Corona-Schock erholen? Warum blind auf den ganzen Index setzen und nicht auf die aussichtsreichsten Kandidaten?

Deswegen ist es ratsam, bei der Planung der eigenen Vermögensstruktur nicht nur die Kosten zu sehen. Ja, unabhängige Beratung und aktives Management kosten mehr Geld als auf eigene Faust ETFs zu kaufen. Aber gerade, wenn die Börsenkurse in Rückstand geraten oder taktische Vorteile genutzt werden könnten, kann sich das zusätzlich ausgegebene Geld lohnen. In solchen Situationen ist ein erfahrener und aktiver Finanzcoach auf der Bank oft Gold wert.

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