
Immobilienaktien: Jetzt Einsteigen?

Was sind die Gründe für die Kursrückgänge bei den Immobilienaktien?
Stephan Witt: Die niedrigen Zinsen seit 2009 haben zu einer großen Nachfrage nach Immobilien und eben auch Aktien von Immobilienunternehmen geführt. Durch die günstigen Finanzierungsmöglichkeiten war die Fremdkapitalquote bei vielen Käufern sehr hoch. Die Nachfrage hatte einen weiteren Immobilienboom zu Folge und dadurch ist die Bewertung der Unternehmen zuletzt sehr hoch gewesen.
Oftmals führte dies auch zu einer Überbewertung der Immobilienaktien. Durch die nun wieder steigenden Zinsen ist diese Nachfrage deutlich zurückgegangen. Der Immobilienmarkt und damit auch die Unternehmen stehen durch die deutlich geringere Nachfrage unter Druck.
Zusätzlich hatten Aktienmärkten durch das wirtschaftliche und politische Umfeld (Ukraine, Inflation etc.) in den letzten Monaten ohnehin mit teils massiven Verlusten zu kämpfen. Dieses Umfeld vergrößert die Probleme für Immobilienaktien noch zusätzlich, da natürlich auch Immobilien zum Wirtschaftskreislauf gehören und die Verwerfungen an den Märkten spüren.
Handelt es sich nur um eine vorrübergehende Entwicklung und die Rückschläge sind eher Einstiegsgelegenheiten?
Witt: Im Augenblick sieht es tatsächlich nach einer länger anhaltenden Entwicklung aus. Die reduzierten Wachstumserwartungen, die Unsicherheit im Gesamtumfeld und auch die weiter zu erwartenden Zinserhöhungen setzen die Immobilienunternehmen weiter unter Druck. Damit ist zumindest kurz- bis mittelfristig eine wesentliche Entspannung nicht zusehen. Aktien von Immobilienunternehmen sollten deshalb nur eine langfristig gedachte Beimischung in einem gut strukturierten Portfolio sein.
Was spricht für ein weiteres Investment in Immobilienaktien?
Witt: Wer einen langfristigen Anlagehorizont hat, kann weiter auch Immobilien Aktien in das eigene Portfolio beimischen. Es besteht Grund zu Hoffnung, dass sich der Immobilienmarkt mit einer Erholung der Konjunktur und Verbesserung der Rahmenbedingungen ebenfalls wieder erholen wird.
Normalerweise erholen sich Immobilien von einer negativen wirtschaftlichen Marktumgebung allerdings erst mit zeitlichen Versatz im Vergleich zu liquideren Branchen. Bei Aktiengesellschaften kann diese aber schneller gehen, da eben die Geschwindigkeit und Liquidität der Aktienmärkte hinzukommt.
Ein weiterer Anreiz beim Investment in Immobilienaktien ist oftmals die steuerfreie Dividenden aus dem Einlagenkonto. Hier ist aber vorab zu prüfen, ob das gewünscht Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.

Wenn Sie in eine Aktie investieren würden, welche käme besonders in Frage und warum?
Witt: Hier kann man nur allgemein antworten: Wie bei jedem Investment in Aktien sollte vorher das Unternehmen genau beleuchtet werden. Entscheidend sind hier die wirtschaftliche Stabilität, die Wachstumschancen, das Immobilienportfolio und alle weiteren relevanten Unternehmensdaten. Außerdem sollte man vor dem Kauf genau prüfen, ob das Unternehmen fair oder sogar unterbewertet ist.
Sind jetzt offene Immobilienfonds die bessere Lösung für konservative Anleger?
Witt: Offene Immobilienfonds haben im Vergleich zu den einzelnen Aktien einige Nachteile. Zum einen sind die Fonds nicht liquide und zum anderen hat man eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor der Möglichkeit der Veräußerung. In dieser Zeit muss man der Kursentwicklung tatenlos zusehen. Die Bewertung von Immobilienfonds basiert außerdem in der Regel auf Gutachten, die von einer theoretischen Wertentwicklung ausgehen. Hier ist aber ein kurzfristiger wirtschaftlicher Einbruch nicht berücksichtigt. Wenn die Preise am Ende nicht erzielt werden können oder der Fondsmanager zu einem ungünstigen Zeitpunkt einzelne Objekte verkaufen muss, kann das zu einem massiven Problem für den Anleger führen.
Bei einzelnen Aktien hat man dagegen immer das Risiko einer Schieflage des einzelnen Unternehmen, wie es z.B. bei Dt. Euroshop der Fall war.
Welchen Immobilienfonds würden Sie wählen und warum?
Witt: Wir würden eine Investition in einen REIT empfehlen. Dabei handelt es sich Aktiengesellschaften, die den Hauptanteil Ihres Kapitals in Immobilien/Grundstücke investiert. In Deutschland ist dafür einen Mindestinvestition von 75% des Kapitals vorgeschrieben. Außerdem sind die Gesellschaften verpflichtet, mindestens 85% der Gewinne an die Aktionäre auszuschütten. Der Anleger investiert also indirekt in Immobilien und hat im Erfolgsfall damit sehr dividendenstarke Anteile im Depot. Durch die Kursschwankungen am Aktienmarkt sind REITs nicht so wertstabil wie es ein Immobilienfonds in der Regel durch seinen Immobilienbestand ist. Dafür ist die Ertragschance durch die hohen Dividenden deutlich höher als bei einem Immobilienfonds. Im Vergleich zu einen Direkterwerb oder einem Immobilienfonds hat man außerdem eine deutlich höhere Flexibilität. Da eine REIT keine Mindesthaltedauer oder Kündigungsfrist hat. Der Direkterwerb und die Veräußerung einer Immobilie sind deutlich Zeit- und Kostenaufwendiger.
Offen Immobilienfonds sind dagegen anders strukturiert. Wenn Volatilität mit Risiko gleichgesetzt wird dann sind offenen Immobilienfonds defensiver. Allerdings mit den Nachteilen der teilweisen Illiquidität und geringerer Ausschüttungen und Ertragspotential. Auch hier zählt am Ende das Immobilienportfolio und die Qualität des Managements. Langfristig kostet dieses Sicherheitsgefühl immer Rendite: Allein die hier aufgeführten dauernd steigenden Ausschüttungen sind im offenen Immobilienfonds nicht annähernd zu realisieren.
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