Immobilien: "Wer heute überhastet kauft, könnte morgen der Verlierer sein."

Immobilien: "Wer heute überhastet kauft, könnte morgen der Verlierer sein."


Die Zinsen steigen raketenartig und die Kaufpreise wollen vielerorts einfach nicht stagnieren. Sollten Anleger jetzt also noch schnell eine Immobilie kaufen und Geld unterbringen? Dazu Vermögensverwalter Christian Niemeier.
Christian Niemeier ist Vermögensverwalter bei der HOPPE VermögensBetreung
Christian Niemeier ist Vermögensverwalter bei der HOPPE VermögensBetreuung GmbH & Co. KG

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Zinsen für Immobilienfinanzierungen ein?

Christian Niemeier: Die Zeit des billigen Baugeldes ist vorbei. Für die nächste Zeit erwarten wir weiter steigende Zinsen, wenngleich der Anstieg nicht mehr so stark ausfallen dürfte wie in den letzten Monaten. Seit Anfang des Jahres haben wir bereits eine Verdoppelung des Zinsniveaus gesehen. Hierzu ein Beispiel:

Eine Baufinanzierung, die Anfang 2022 mit einem Festzins von 1,0 % p.a. für 10 Jahre erhältlich war, kostet heute einen Festzins von etwa 2,9 % p.a. Für eine Immobilie mit einem Kaufpreis von 400.000 EUR betragen die Mehrkosten pro Monat 633 EUR! Die Zinskosten für eine Immobilie fallen damit wieder deutlich stärker ins Gewicht.

Ist die Zinsentwicklung ein guter Grund, jetzt schnell etwas zu kaufen?

Niemeier: Wer heute überhastet kauft, könnte morgen der Verlierer sein, denn längerfristige Zinssteigerungen führen bei Immobilien zur Kapitalanlage tendenziell zu reduzierten Preisen.

Sich von externen Faktoren wie dem Zinsniveau unter Druck setzen zu lassen, war nie ein guter Ratgeber. Der Kauf einer Immobilie ist für viele Menschen die größte Investition ihres Lebens. Es hilft, sich zunächst über die eigenen Motive des Immobilienkaufs klar zu werden. Will ich dort selbst längerfristig wohnen und mir eine Miete ersparen oder strebe ich eine angemessene Rendite aus Mieteinnahmen an oder erwarte sogar eine Wertsteigerung?

Was spricht dagegen?

Niemeier: Die Gefahr von Vermögensverlusten durch plötzliche Preisrückgänge und unkalkulierbare Baukosten ist real. Zu beachten ist, dass in vielen Regionen die Immobilienpreise ungewöhnlich stark angestiegen sind. Hier muss kritisch hinterfragt werden, inwiefern die Immobilie vor starken Preisrückgängen gefeit ist. Neben der Qualität und Ausstattung der Immobilie können insbesondere deren Lage und eine intakte wohnortnahe Infrastruktur das Risiko allzu großer Preisrücksetzer abmildern.

Sind zudem noch Renovierungen erforderlich, treten derzeit gleich zwei Probleme gleichzeitig auf: Viele Handwerksfirmen sind schlichtweg ausgebucht oder bieten ihre Leistungen nur zu hohen Preisen an. Zudem haben sich die Preise für Baumaterial ungewöhnlich stark verteuert. Die Kosten können dann schnell unkalkulierbar und der Immobilienkauf zum finanziellen Abenteuer werden.

Auch wenn die jetzigen Zinsen noch bezahlbar sind: Bei einer Baufinanzierung muss stets beachtet werden, wie die Restschuld nach Ablauf der Zinsbindung noch ist. Denn dann ist die Zinskondition für die Restsumme mit der Bank zum dann aktuellen Zinsniveau neu zu verhandeln. Auch nach Jahren kann es so böse Überraschungen geben.

Glauben Sie, dass die Immobilienpreise dauerhaft hoch bleiben beziehungsweise weiter steigen?

Niemeier: Die Preisentwicklung muss differenziert betrachtet werden. In einigen Metropolen mit hoher Attraktivität und einer guten Infrastruktur werden Immobilien in guter Lage wahrscheinlich kaum günstiger werden. Das Preisniveau in ländlichen Gegenden könnte indes eher unter Druck geraten, wenn die Nachfrage angesichts höherer Finanzierungszinsen und gestiegener Baukosten sinkt.

Kapitalanleger, die sich eine Immobilie kaufen, um aus den Mieteinnahmen eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, sollten stets im Blick haben, wie sie ihre Investition wieder beenden werden. Zwischenzeitlich gestiegene Zinsen könnten die Immobilienpreise drücken, weil nachfolgende Käufer eine Rendite bei gleichbleibenden Mieteinnahmen nur noch dann erwirtschaften, wenn sie zu geringeren Kaufpreisen einsteigen.

Wenn ich jetzt eine Immobilie kaufen will, wie sollte ich am besten vorgehen?

Niemeier: Insbesondere bei Käufen von Bauträgergesellschaften ist Vorsicht geboten. Bei Unterzeichnung des Kaufvertrages und Überweisung der ersten Kaufpreisrate ist selten mehr vorhanden als ein unbebautes Grundstück. Angesichts hoher Baupreise besteht die Gefahr, dass die ursprüngliche Kostenkalkulation zu kurz greift und der Bauträger die Immobilie mit den kalkulierten Geldern nicht fertigstellen kann. Kaufpreisnachforderungen oder sogar Bauträgerpleiten sind nicht ausgeschlossen. Mehr als zuvor gilt, nur von bonitätsmäßig starken und langjährig erfolgreichen Bauträgern kaufen und die Raten erst nach Baufortschritt und sorgfältiger Mängelkontrolle zahlen.

Krieg zwischen der Ukraine und Russland hat im wesentlichen Baumaterialen, unter anderem Holz und Stahl, die Situation für den Immobilienkäufer im Bereich des Neubaus und der Renovierung unkalkulierbar gemacht. Auch beim Kauf zum Festpreis über einen Bauträger werden von dem Bauträger nicht alle Gewerke im Vorhinein durch Subunternehmer eingedeckt. Hier kann es durch die derzeitigen Preissprünge von zum Teil über 30 % zu erheblichen Mehrkosten kommen, die auch den Bauträger in existentielle Not bringen können. Für den Selbstnutzer bedeutet dies in der Bauphase eine erhebliche Preissteigerung, die entweder durch zusätzliches Eigenkapital oder durch eine Nachfinanzierung zu höheren Zinsen gedeckt werden muss. Damit sind heute die Baukosten für die nächste Zeit nicht mehr kalkulierbar.

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