Wie komme ich sicher durch die Krise?

Wie komme ich sicher durch die Krise?


Was genau bedeutet “Sicher durch die Krise” für den Vermögensaufbau und wie sollte ein Portfolio strukturiert sein, sodass es in einer Krise nicht allzu stark verliert, und trotzdem Renditechancen wahrt. Antworten vom Berliner Vermögenverwalter Andreas Görler.
Andreas Görler ist senior Wealth Manager bei der Wellinvest - Pruschke & Kalm GmbH
Andreas Görler ist senior Wealth Manager bei der Wellinvest – Pruschke & Kalm GmbH in Berlin

Was bedeutet “Sicher durch die Krise” für den Vermögensaufbau und vor allem die Asset-Allokation?

Andreas Görler: Da Timing schwierig ist, Nerven kostet und statistisch gesehen auch nicht so wichtig ist, sollte eine Position oder ein Portfolio nicht auf einmal, sondern gestaffelt aufgebaut werden. Hierfür eignen sich Sparpläne auf aktiv gemanagte Fonds und auch auf Einzeltitel. Letzteres bieten nicht alle Banken an. Daher sollte man bereits bei der Auswahl der Depotbank auf das Angebot und nicht nur auf die Kosten achten.

Zunächst sollte aber eine Prioritätenliste aufgestellt werden, um sich darüber klar zu werden, welche Anlagesummen für bestimmte kurzfristige Ziele zur Verfügung stehen müssen und welche Summen für einen längeren Zeitraum angelegt werden können.  Das Vermögen das längerfristig zur Verfügung steht sollte möglichst breit diversifiziert werden. Bei kleineren Summen reichen dafür bereits 3-4 Investmentfonds aus, die gegebenenfalls auch über einen befristeten Sparplan gekauft werden können, dadurch wird das Timing-risiko reduziert. Eine Aktienkomponente von 30% – 50% empfehle ich grundsätzlich aber trotzdem. Es gibt genügend Fondsmanager, die ihre Aktienbestände auch absichern, so dass Schwankungen minimiert werden können.

Müssen alle, die 2020 und 2021 auf Tech- und Wachstumsaktien gesetzt haben, zu einem klassischen 60-40-Portfolio zurückdackeln?

Görler: Anleger und Investoren, die schon etwas länger in den bekannten großen Technologieaktien investiert sind können gegebenenfalls prüfen, ob die Positionen etwas reduziert werden und in andere Werte dieser Kategorie umschichten.

Bei jedem, der erst mit der Einführung von Verwahrentgelten einen Anreiz verspürte ein Depotaufzubauen und dabei mehr oder weniger zu Höchstständen eingestiegen ist wird es anstrengend, weil hier Kursabschläge von 30% (z.B. Microsoft) bis 70% (z.B. Meta) zu verzeichnen sind. Zwar sind natürlich auch entsprechende Erholungen möglich allerdings wird auf Unternehmen wie Meta ein deutlich höherer regulatorischer Druck ausgeübt als noch vor einigen Jahren. Auch Unternehmenslenker wie Mark Zuckerberg oder Elon Musk haben längst nicht bei jedem Investor eine gute Reputation oder sind aufgrund ihres Führungsstils nicht investierbar. Das kann sich auch in Zukunft auf die Wertentwicklung der entsprechenden Unternehmen auswirken.

Man muss immer wieder daran erinnern, dass 40% des deutschen liquiden Geldvermögens auf Giro-, Spar-, Festgeld- und Tagesgeldkonten „verdunsten“. Vor diesem Hintergrund ist ja eigentlich bereits eine 50/50-Strateige für die meisten Privatanleger bereits eine Herausforderung. Für mich allerdings, fast unabhängig vom Alter des Anlegers zwingend notwendig, um gewisse Renditestabilität zu erreichen.

Ist mit der Zeitenwende von 2022 Zins der neue Zins und Festverzinsliche werden Alternativlos für die Stabilität des Vermögens?

Görler: Das Jahr 2021 war insofern eine Besonderheit als dass es sich in Deutschland  um das schlechteste Jahr für Anleihen seit der Währungsreform 1948 handelt. In den USA ist es, seit fast 100 Jahren, das schwierigste Jahr für Renteninvestments.

Für Neueinsteiger ergeben sich dadurch „endlich wieder“ Opportunitäten und man kann in kürzere Durationen investieren und erhält eine erträgliche Rendite mit Staats- oder Unternehmensanleihen. Keinesfalls sollte man aber versuchen ein Depot aufzubauen, mit dem man theoretisch eine positive Realverzinsung auf aktuellem Inflationsniveau erzielen kann. Dazu wären dann ca. 12% vor Steuern notwendig. Das Risikoprofil wäre für Privatanleger sicherlich nicht tolerierbar.

Man sollte sich eher an der zu erwartenden zukünftigen Inflation von evtl. 3,5% bis 4,5% orientieren. Aufgrund der Abschläge erhält man bei Rentenfonds mit Durationen um 3 Jahren und mittlerem Risikoprofil, Renditechancen von 6% bis 8%. Allerdings besteht immer noch das Risiko von weiter steigenden Zinsen, was für bereits getätigte Investitionen entsprechenden Stress beinhaltet.

Trotzdem ist nach meiner Auffassung eine Rentenbeimischung sinnvoll.

Generell: Wie sollte ein Portfolio strukturiert sein, sodass es in einer Krise nicht allzu stark verliert, und trotzdem Renditechancen wahrt. Allzu stark ist natürlich relativ, aber für viele dürfte ein Minus von einem Viertel oder Fünftel eine Schmerzgrenze sein.

Görler: Für die meisten Privatanleger beginnt die Schmerzgrenze bereits bei 10%.

In der Praxis besteht nämlich ein erheblicher Unterschied zwischen einer abstrakten Risikotoleranz, bei einem wachstumsorientierten Depot von ca. 20% und einem Depotauszug der nicht mehr EUR 100.000, — sondern EUR 80.000, — ausweist.

Gerade bei Anlegern, die vielleicht erst seit 2-3 Jahren investiert sind, muss dann Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit emotionale Entscheidungen vermieden werden, das gelingt leider nicht immer.

Grundsätzlich sollte in Unternehmen mit erfolgreichem Management investiert werden, die bereits kritische Börsenphasen überstanden haben, regelmäßig gute Ergebnisse liefern, ohne Gewinnwarnungen klar gekommen sind, über stabile Geschäftsmodelle verfügen und bereits eine längere Zeit am Markt bestehen.

Meist sind das dann keine Growth-Werte und zeigen in einer Hausse nur eine „normale“ positive Entwicklung, die dann mit dem Technologiesektor nicht mithalten kann.

Die Bereiche Gesundheit, Basiskonsum, Nahrungsmittel und alles, was mit dem Thema Wasser zu tun hat, waren bislang relativ stabil und gerieten nicht so stark oder erst mit Verzögerung unter Druck.

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