„So mancher Nachhaltigkeits-ETF ist ein Greenwashing-Placebo“

„So mancher Nachhaltigkeits-ETF ist ein Greenwashing-Placebo“


Andreas Enke, Vorstand der GENEON Vermögensmanagement AG aus Hamburg, erklärt, worauf Anleger bei der Auswahl von ESG-Indexfonds achten müssen.

Bei preisbewussten Anlegern sind Indexfonds (ETFs) beliebt. Insbesondere „grüne“ Varianten verzeichnen Mittelzuflüsse. Sind diese also immer eine optimale Lösung?

Enke: Sehr oft ist das eher ein Greenwashing-Placebo als ein wirkliches Investment in nachhaltige Unternehmen. Denn anders als viele Leute denken, finden sich in den meisten dieser ETFs nicht besonders nachhaltige Namen. Es werden lediglich Titel ausgeschlossen, die schlecht bewertet werden. Also statt ein paar hundert Unternehmen eines breiten Index, bekommt man dann meist eine reduzierte Auswahl, bei denen die schwarzen Schafe mehr oder weniger fehlen.

Wie sehr unterscheidet sich denn überhaupt ein ESG-ETF von einem normalen?

Enke: Da sind viele bei einem genauen Blick schlicht enttäuschend. Nehmen wir als Beispiel den iShares MSCI Europe ESG Screened ETF, der filtert überraschend wenige Unternehmen heraus. Von 457 bleiben 438 übrig und die größten Positionen unterscheiden sich nur marginal. In der ESG Variante finden sich dort zudem Namen wie der umstrittene Nahrungsmittelriese Nestlé, Öl- und Gasförderer Total oder das Bergbauunternehmen Rio Tinto, die nicht jeder in einer Nachhaltigkeitsauswahl erwarten würde.

Gibt es denn bessere nachhaltige ETFs und woran lassen sich die erkennen?

Enke: Grundsätzlich haben Indexfonds mit dem Kürzel SRI im Namen deutlich strengere Auswahlkriterien. Viele Bereiche werden ganz ausgeschlossen und neben herausragenden Umwelt-, Sozial- und Governance-Bewertungen werden manchmal auch aktuelle Kontroversen miteinbezogen. Die strikte Selektion wird allein schon an der Zahl der übrigbleibenden Unternehmen deutlich: Von 457 Werten sind nach einem mehrstufigen Verfahren nur noch 132 beim vergleichbaren SRI-ETF übrig und es finden sich deutlich weniger überraschende Namen. Damit liegt dieses Produkt in der Regel näher an den persönlichen Zielen der meisten Anleger.

Also dann einfach auf das Kürzel SRI achten und alles ist nachhaltig?

Enke: Es ist auf jeden Fall besser als vieles andere, aber es bleibt am Ende nur eine reduzierte Auswahl eines größeren Index. Genau genommen fördert man dadurch nicht besonders nachhaltige Geschäftsmodelle, sondern schließt nur die in diesem Bereich schlechten Unternehmen aus. Wer zum Beispiel kleine Start-Ups im grünen Bereich unterstützen möchte, muss andere Wege gehen. Aber diese besonderen Investmentoptionen gibt es dann halt auch nicht für die Preise eines ETFs. Gute Beratung kostet auch bei Nachhaltigkeitsthemen Geld.

Was würden Sie nachhaltig motivierten Anlegern empfehlen, auf gar keinen Fall zu kaufen?

Enke: Einen ETF, bei dem in der Beschreibung steht synthetisch repliziert oder SWAP basiert, denn das führt den Gedanken der positiven Investmentwirkung völlig ad absurdum. Diese Produkte funktionieren im Prinzip so, dass der Anbieter nicht wirklich die Aktien kauft, die im namensgebenden Index enthalten sind, sondern den Wert einfach nur berechnet. Tatsächlich hinterlegt kann dann zum Beispiel ein ganz normales Aktienportfolio sein, ohne jegliche ESG Auswahl. Solche Produkte haben ihre Berechtigung in schwer investierbaren Märkten, aber sind Unsinn, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass das eigene Geld etwas Positives bewirkt.

Unter der Lupe: Europa-Aktien-ETF im Vergleich zu seinen nachhaltigen Pendants

Ein genauer Blick zeigt, dass sich die ESG screened Variante nur in der Gewichtung vom klassischen Europa Index MSCI Europe unterscheidet. Lediglich Siemens rutscht aus der Top-10 der größten Position, aber das auch nur denkbar knapp. Wer weiter sucht, findet sie auf Platz 11. Um einen nachhaltigen Effekt mit einer Investition zu erzielen, sollte die SRI-Variante gewählt werden. Hier wird viel strenger selektiert und bei den zehn größten Positionen sind Unterschiede erkennbar.

iShares Core MSCI Europe UCITS ETFiShares MSCI Europe ESG Screened UCITS ETFiShares MSCI Europe SRI UCITS ETF
Anzahl Positionen: 435Anzahl Positionen: 417Anzahl Positionen: 117
Gesamtkostenquote (TER): 0,12Gesamtkostenquote (TER): 0,12Gesamtkostenquote (TER): 0,20
NameGewichtung in %NameGewichtung in %NameGewichtung in %
NESTLE SA3,27NESTLE SA3,51ROCHE HOLDING PAR AG4,99
ASML HOLDING NV2,72Cash und/oder Derivate3,05ASML HOLDING NV4,96
ROCHE HOLDING PAR AG2,45ASML HOLDING NV2,92SAP4,76
LVMH1,98ROCHE HOLDING PAR AG2,63NOVO NORDISK CLASS B4,68
NOVARTIS AG1,85LVMH2,13LOREAL SA3,94
ASTRAZENECA PLC1,42NOVARTIS AG1,99ALLIANZ3,61
UNILEVER PLC1,41ASTRAZENECA PLC1,52SCHNEIDER ELECTRIC3,05
SAP1,41UNILEVER PLC1,52ADIDAS N AG2,54
NOVO NORDISK CLASS B1,35SAP1,51DEUTSCHE POST AG2,41
SIEMENS N AG1,08NOVO NORDISK CLASS B1,44RELX PLC1,92
Quelle:ishares.com 16.7.2021

Vier nachhaltige ETFs mit den sich eine Basisdepot bauen lässt

NameISINTER (%)Beschreibung
iShares MSCI Europe SRI UCITS ETFIE00B52VJ1960,20europäische Auswahl, die unter anderem auf fossile Brennstoffe verzichtet
UBS ETF MSCI USA Socially Responsible UCITS ETFLU12803030140,25US-Selektion nach dem Best in Class-Ansatz bei Klimaschutz und ESG-Themen
iShares MSCI World SRI UCITS ETF
Amundi MSCI Emerging ESG
IE00BYX2JD690,20Weltweite ESG-Auswahl, Basis MSCI World SRI Select Reduced Fossil Fuel Index
Leaders UCITS ETFLU21097875510,18Aktien von Unternehmen aus Schwellenländern mit top ESG-Ratings
Quelle: comdirect.de16.07.2021

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