Probleme bei Unternehmensanleihen-ETFs liegen im Anleihemarkt begraben

Probleme bei Unternehmensanleihen-ETFs liegen im Anleihemarkt begraben


Während des Corona-Crashs gab es signifikante Abweichungen der Kurse von Unternehmensanleihen-ETFs zum Nettoinventarwert. Vermögensverwalter Thomas Wüst erklärt, warum die Verwerfungen auf den Anleihemarkt und nicht das ETF-Segment zurückzuführen sind.

Der europäische ETF-Markt hat den Stresstest rund um den Crash unter Liquiditätsgesichtspunkten alles in allem gut gemeistert. Abweichungen zwischen dem Nettoinventarwert (NAV) und dem Börsenkurs sind in volatilen Marktphasen üblich. Sie resultieren zunächst aus den unterschiedlichen Berechnungsmethoden beider Größen.

So bildet ein Börsenkurs die tatsächliche Angebots- und Nachfragesituation innerhalb eines Tages ab. Der NAV hingegen wird nur einmal am Tag – üblicherweise auf Basis der Schlusskurse oder der letzten Geldkurse seiner zugrunde liegenden Assets ermittelt. Somit werden starke Kursausschläge an der Börse innerhalb eines Tages von der Berechnung eines NAVs überhaupt nicht erfasst. Daraus hat oft ein Aufgeld oder ein Abschlag zum Börsenkurs zur Folge.

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Diese Abweichungen waren natürlich im März 2020 ausgeprägter und mündeten regelmäßig in Abschlägen. Dies war jedoch weniger ein Problem der ETFs, sondern vielmehr ein Problem des Anleihemarktes. Denn anders als am Aktienmarkt, wo es einen transparenten Preisbildungsprozess an regulierten Börsenplätzen gibt, werden am Rentenmarkt über 90 Prozent des Handelsvolumens außerbörslich abgewickelt. Und im außerbörslichen Rentenhandel gab es im März bei Unternehmensanleihen massive Störungen. Diese dauern in vielen Gattungen bis heute an.

So gab es an den Rentenmärkten außerbörslich insbesondere im März einen Handelsstreik. Dadurch wurden in vielen Unternehmensanleihen keine Kurse gestellt bzw. Handelsanfragen oftmals überhaupt nicht beantwortet. Die fehlende Orientierung durch den außerbörslichen Handel erschwerte die Preisfindung an den Börsen erheblich. Das führte an der Börse nicht selten zu Geld-Brief-Spannen („Spreads“) von 10 bis 20 Prozent. Üblich sind normalerweise je nach Gattung 0,1 bis 2 Prozent. Und auch diese Kurstaxen an der Börse waren oftmals nicht handelbar. D.h. lag der Briefkurs an der Börse für einen Corporate-Bond bei 90 Prozent, hieß dies noch lange nicht, dass man den Bond mit einer entsprechend limitierten Order auf diesem Kursniveau auch kaufen konnte.

In einer solchen Phase mangelnder Liquidität waren die Börsenkurse der ETFs eine wichtige Orientierungsgröße für die Marktteilnehmer. Somit konnte man die aktuellen Preisentwicklungen an den Märkten überhaupt einschätzen. Zumal bei vielen Unternehmensanleihen in dem Zeitraum an der Börse überhaupt kein Handel stattfand und wenn dann oftmals nur mit sehr geringem Volumen. Dieses Phänomen lässt sich übrigens bis heute bei Unternehmensanleihen beobachten.

Man kann die aktuelle Situation bei den Unternehmensanleihen mit der Situation an den Immobilienmärkten vergleichen: So ist der NAV eines Unternehmensanleihen-ETFs derzeit mit den Angebotspreisen von Immobilien im Anzeigenteil einer Zeitung vergleichbar. Sein Börsenkurs stellt im übertragenen Sinne den Preis dar, zu dem die Immobilien tatsächlich gehandelt werden. Auch hier kommt es je nach Marktsituation ab und an zu höheren oder deutlich niedrigeren Preisen. Oder anders ausgedrückt: der wahre Wert einer Anleihe zeigt sich immer erst, wenn sie tatsächlich gehandelt wird. Und nicht – wie häufig an der Börse derzeit der Fall – auf dem Kurszettel taxiert wird. Eine Erkenntnis, mit der versierte Immobilienanleger schon lange vertraut sind. Die sich aber bei Bondanlegern in Zeiten wie diesen erst noch durchsetzen muss.

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