Wirtschaftliche Unsicherheiten: "Wir sind in ausgewählten Märkten bereits im Bärenmarkt"

Wirtschaftliche Unsicherheiten: "Wir sind in ausgewählten Märkten bereits im Bärenmarkt"


Aufgrund von wirtschaftlichen Unsicherheiten, wie der Corona Krise und dem Russland-Ukraine Konflikt, kommt die Frage auf, ob sich die Wirtschaft zur Zeit in einem Tief, einem sogenannten Bärenmarkt, befindet. Hierüber und wie Sie als Anleger einen Bärenmarkt überwinden können, geht es in dem Interview mit Finanzexperte Marian Henn.
Marian Henn
Marian Henn ist Vermögensverwalter bei der Allington Investors AG in Bad Homburg

Wenn ein Bärenmarkt kommt, wie viel Geduld werden Anleger brauchen, bis sie bei Aktien wieder ein Allzeithoch sehen?

Marian Henn: Am Kapitalmarkt hat sich etwas zusammengebraut, was einem Gift-Cocktail sehr nahekommt: Notenbanken heben Zinsen an, Geld zur Refinanzierung wird also teurer. Gleichzeitig herrscht Inflation, nicht zuletzt durch den Preisanstieg bei Rohstoffen. Und obendrein kommt ein konjunktureller Abschwung hinzu. Diese Mixtur wird die Börse noch weitere 12-24 Monate überschatten.

Wie lange können Bärenmärkte dauern?

Henn: Generell kann man sagen, dass Bärenmärkte umso schneller vorüber sind, je stärker die Notenbanken intervenieren. Aktuell macht insbesondere die FED das genaue Gegenteil dessen, was sie sonst in Bärenmärkten tut: Statt Zinsen zu senken, hebt sie Zinsen an. Und statt Anleihenkäufe auszuweiten, fährt sie dieselben zurück. Sie wird einen Bärenmarkt dieses Mal also nicht verhindern. Das bedeutet, dass dieser Bärenmarkt länger dauern kann als beispielsweise der Kurzfrist-Bärenmarkt in der Corona-Krise.

Bärenmärkte können mehrere Jahre dauern. Was wir brauchen, damit der Bärenmarkt endet, ist ein geopolitischer Ordnungsrahmen, der Anleger wieder Vertrauen fassen lässt. Dazu gehören die Wiederherstellung von Lieferketten, dass Rohstoffe und Nahrungsmittel nicht als Kriegsmittel missbraucht werden und dass sich der Umgang mit Pandemien normalisiert. Das klingt nach viel, ist es aber nicht.

Welches Instrumentarium (psychologisch, finanziell) brauchen Anleger, um gut durch Bärenmärkte zu kommen?

Henn: Wer zwei Grundregeln beherzigt, wird gut durch diesen Bärenmarkt kommen. Erstens: Nach einem Tief kommt ein Hoch. Und zweitens: Qualität lohnt sich durchzuhalten. Das heißt, wer ein diversifiziertes Portfolio profitabler Qualitätsunternehmen besitzt, muss eigentlich nur abwarten.

Nicht abwarten sollte hingegen, wer unprofitable Tech-Unternehmen mit einer Bewertung vom Zigfachen des Umsatzes im Portfolio hat. Diese Unternehmen können echte Probleme bekommen und selbst wenn sie nicht insolvent werden, kann ihre Bewertung um 50 % und mehr fallen.

Wichtig ist in einem Bärenmarkt auch, was man nicht im Portfolio hat: Kreditfinanzierte Produkte und solche mit begrenzter Laufzeit. Kredithebel können zum Totalverlust von Investitionen führen, auch wenn der Markt eigentlich nur zum Beispiel 20 % verloren hat. Und Produkte mit begrenzter Laufzeit können zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auslaufen und im Totalverlust enden, obwohl die eigentliche Idee nur einen Monat später aufgegangen wäre.

Welche Gründe sprechen dafür, dass es doch keinen Bärenmarkt geben wird?

Marian Henn: Wieder einmal könnte es der US-Konsument sein, der uns rettet. Ihm wird nämlich vielerorts eine weiterhin gute Verfassung nachgesagt, die eine Stütze für die US-Konjunktur sein könnte. Und geht es den USA gut, geht es der auch der globalen Wirtschaft gut.

Gleichzeitig muss man sagen, dass wir in ausgewählten Märkten bereits im Bärenmarkt sind. Denn an der Börse wird ein Kursverlust von mehr als 20 % landläufig als Bärenmarkt bezeichnet. Im Nasdaq, dem US-Tech-Index sind wir mit rund -22 % zurzeit in einem solchen Bärenmarkt. Das ergibt Sinn, weil hier die höchsten Bewertungen waren und die Unternehmen am meisten auf billiges Geld angewiesen sind, das die FED jetzt mit Zinsanhebungen verteuert.

Im DAX stehen wir bei ca. -9 %, weil hier die Bewertungen schon länger günstiger waren als beispielsweise in den USA. Dieser Aspekt spricht für eine weniger unschöne Kursentwicklung als in den USA. Dafür hat Europa aber die Energie-Probleme aus dem Ukraine-Krieg, die die USA nicht haben.

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