
Wie hoch dürfen Dividenden sein?
Wer es sich leicht macht, geht online und sucht nach den Aktien mit den höchsten Dividendenrenditen. Wer nicht gleich in die erstbesten Treffer der Google-Anzeige investieren möchte, kann sich über zahlreichen Börsenplattformen informieren und Aktien gezielt nach eigenen Suchkriterien filtern. Bei dieser Vorgehensweise stößt man früher oder später auf Aktien, die mit hohen und scheinbar nachhaltigen Dividendenrenditen von 6 %, 7 % oder sogar 8 % angepriesen werden.
Wer sich die Ausschüttungsrenditen der Automobil- oder Ölindustrie der letzten Jahre in Erinnerung ruft, der weiß, dass solch hohe Dividenden keine Ausnahme darstellen. Im Gegenteil: Sie können sogar längerfristig die Regel sein. In diesen Fällen sollte man sich als Investor aber immer die Fragen stellen: „Warum / seit wann / wie lange noch schüttet das Unternehmen seinen Aktionären solch hohe Dividenden aus?“. Bevor man sich letztlich für den Kauf entscheidet.
In aller Regel beteiligen Unternehmen ihre Aktionäre erst dann am Gewinn, wenn sie sich am Markt etablieren konnten. Geänderte Gewohnheiten der Konsumenten (z.B. gesündere Ernährung) oder politische Vorgaben (z.B. CO2-Reduzierung) können diesen Prozess beschleunigen. Ein informierter Investor erkennt frühzeitig, wenn ein Unternehmen von der Wachstums- in die Reifephase übertritt. Er erwartet dann verständlicherweise eine höhere Dividende als Renditeausgleich für das abflauende Unternehmenswachstum. ES obliegt dem Dividendeninvestor, festzustellen, ob sich ein Unternehmen eine langfristige Dividendenrendite von 6 % (oder mehr) an seine Aktionäre überhaupt leisten kann.
Ein Blick auf das Zahlenwerk und den Geschäftsbericht eines Unternehmens kann hier Abhilfe leisten. Denn jedes Management muss bei seiner Entscheidung über die Höhe der Dividende diverse andere Faktoren berücksichtigen. Die Rückzahlung von Krediten, notwendige Investitionen, oder der Rückkauf eigener Aktien kann Dividendenzahlungen limitieren. Insofern ist es wichtig, neben der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung den Kapitalfluss eines Unternehmens näher zu durchleuchten.
Wer vor rund zehn Jahren in den Automobilsektor mit dem Fokus investiert hatte, jährlich hohe Dividenden zu kassieren, dürfte sich in seiner Entscheidung bestätigt sehen. Die kumulierten Dividendenzahlungen konnten in diesem Zeitraum die enttäuschende Kursentwicklung der letzten Jahre mehr als ausgleichen. Spätestens seit dem Dieselskandal sieht sich die Branche jedoch mit gestiegenen Entwicklungskosten für Elektromobilität konfrontiert. Das schränkte den Dividendenspielraum für das Management in den letzten Jahren erheblich ein. Ein Investment in den Automobilsektor vor rund fünf Jahren dürfte die Erwartungen der Aktionäre hingegen enttäuscht haben. Es mündete in den vergangenen beiden Jahren zudem in einer gekürzten Dividende. Ein frühzeitiger Blick hinter die Kulissen der Unternehmen hätte womöglich erkennen lassen, wie es um die nachhaltige Fähigkeit zur Zahlung hoher Dividenden tatsächlich bestellt ist.
Auch in der Ölindustrie zahlt man seit vielen Jahren überdurchschnittlich hohe Dividenden. Spätestens seit dem Ölpreissturz vor wenigen Jahren dürfte deren Dividendenpolitik hart auf Kante genäht gewesen sein. Der neuerliche Ölpreissturz zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. So wurden traditionsreiche Dividendenzahler der Branche zu Einschnitten in der Ausschüttungspolitik gezwungen. Wer in Dividendenaktien investieren möchte, sollte sich daher des vorhandenen Puffers bzw. dem Spielraum des Unternehmens bei der Dividendenausschüttung bewusst sein. So vermeidet man negative Überraschungen.
Neben dem Blick auf die Finanzzahlen eines Unternehmens bedarf es natürlich einer gewissen Fähigkeit, die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen realistisch einzuschätzen. Das zählt ohne Frage zu einer der schwierigsten Disziplinen eines Investors. Gerade zu Zeiten von Corona gibt es viele Unsicherheiten über die künftige Entwicklung und die langfristige Relevanz vieler Branchen. Das erschwert es dem Dividendenjäger, eine vernünftige Beurteilung über die langfristige Entwicklung seines Zielunternehmens abzugeben.
Umso wichtiger ist es daher stets zu hinterfragen, ob eine hohe Dividendenrendite nachhaltig ist. Und ob die jährliche Dividende eines Unternehmens sich zu einem soliden und verlässlichen Renditebringer entwickeln kann.
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