
Trotz Corona und anderer Krisen Aktien kaufen?
20, 30 und mehr Prozent Minus in wenigen Tagen, solche Verluste durch die Corona-Virus-Pandemie mussten Anleger aushalten. Und ohne Frage, die globale Vollbremsung der Weltwirtschaft ist einzigartig und wird nicht morgen vorbei sein. Trotzdem spricht das nicht gegen das Investieren in Aktien, wissen Anlageprofis. Denn solch ein Crash wie dieser ist gar nicht so selten: Etwa 2008 verlor der Dax in Folge der Finanzkrise zwischenzeitlich bis zu 40 Prozent. Davor kam es zu einer ganzen Reihe an größeren und kleineren Krisen: SARS-Viren, Neuer Markt-Crash, Golfkrieg, Ölpreisschock, Asienkrise und viele mehr. Immer wieder gab es zum Teil hohe zweistellige Kursabstürze. Gut zu wissen: So verschieden die Ursachen waren, die Verluste waren oft schon nach wenigen Wochen oder spätestens nach wenigen Jahren wieder ausgeglichen. Aber kann ein Depot gegen solche Kursstürze nicht geimpft werden?
Resistenz gegen den Absturz
„Grundsätzlich lässt sich ein Portfolio mit Short-ETFs oder Put-Strategien gegen Schwankungen absichern, aber man sollte genau verstehen, wie so etwas funktioniert“, sagt Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement GmbH. Grundsätzlich sind die Instrumente einfach aufgebaut: Etwa ein Short-ETF auf den Dax ist so konstruiert, dass der Wert des Fonds steigt, wenn der deutsche Standardwerteindex fällt. Mit einer Put-Option lässt sich dagegen das Recht kaufen, Aktien zu einem festen Termin zu einem festgelegten Verkaufspreis zu verkaufen. Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass Short-ETFs im Wert fallen, wenn der Markt anders als gedacht steigt und Put-Optionen sogar wertlos werden können. Kosten, Nutzen und Risiken solcher Absicherungsstrategien abschätzen zu können, ist aus diesem Grund etwas für erfahrene Investoren. „Solche Produkte sind nicht jedermanns Sache und eine Börsenweisheit sollten sich normale Anleger zu Herzen nehmen“, sagt Börsenprofi Walter: „Werte, von denen fallende Kurse erwartet werden, sollte man verkaufen.“
Lehren aus der Vergangenheit
Wer bis zum schwarzen Freitag im Jahr 1929 zurückgeht, merkt schnell, dass sich langfristiges Investieren gelohnt hat, trotz zum Teil enormer Abstürze und inklusive Corona-Krise. In der Rückschau sind die US-Standardwerte immer noch mehrere tausend Prozent im Plus und für einen breit aufgestellten Investor aus dem Jahr 1928 gab es rückblickend wenig Grund, aus dem Fenster zu springen. Ein Blick auf die Entwicklung des amerikanischen Standardwerte Index Dow Jones 30 seit 1928 zeigt, dass Börsenrückschläge eigentlich keine große Rolle spielen.

Laut dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) erzielte auch der deutsche Aktienmarkt seit 1900 eine durchschnittliche jährliche Rendite nach Abzug der Inflation von 3,3 Prozent – zwei Weltkriegen und Börsencrashs wie 1928 oder 1987 zum Trotz. Amerikanische Aktien kamen sogar auf eine Rendite von 6,5 Prozent im Schnitt jährlich. Für die meisten Anleger sind Zeiträume von knapp hundert und mehr Jahren jedoch naturgegebenermaßen viel zu lang. Aber auch ein Blick auf die Entwicklung des Dax in den letzten 30 Jahren, was schon eher dem realistischen Sparzeitraum für die Altersvorsorge entspricht, waren die Börsentäler nie von Dauer. Am längsten brauchte die Erholung mit etwas über sieben Jahren nach dem Platzen der dotcom-Blase im Jahr 2000. Die Finanzkrise war im Dax nach knapp fünfeinhalb Jahren verdaut und der Golfkrieg beschäftigte die Börsen ab 1990 rund drei Jahre, bis er ganz überwunden war.
Einstiegszeitpunkt nicht verpassen?
In jeder Krise gibt es den theoretisch perfekten Moment, um Aktien am günstigsten zu kaufen. In aller Regel lässt sich dieser absolute Tiefpunkt aber nur in der Rückschau bestimmen. Denn oft reagiert die Börse schon positiv, wenn die Stimmung eigentlich noch auf dem Tiefpunkt ist. Deswegen suchen Experten eher nach Anzeichen einer Bodenbildung als einem Kursniveau, unter das der Markt nicht mehr groß fällt. Merkmal dafür kann es sein, wenn zum Beispiel Titel mit sehr guter Branchenposition und unter dem Strich langfristig positiven Aussichten nicht mehr mit dem Markt fallen, sondern trotz negativen Umfeldes stabil bleiben. Ob solches Timing aber überhaupt perfekt gelingen kann, ist umstritten. Peter Lynch, einer der erfolgreichsten Fondsmanager der Welt, fasste das einmal so zusammen: „Niemand war je in der Lage, die Börse vorherzusagen. Es ist eine totale Zeitverschwendung. In der von Forbes veröffentlichten Hitparade der Reichen der Welt war noch nie ein Börsentiming-Experte vertreten.“ Dort finden sich eher Vertreter des Value-Investing wie Warren Buffett, die nach preiswerten soliden Unternehmen suchen und die kaufen, wenn sie günstig erscheinen, und dann möglichst lange halten. Hier bieten sich gerade in der momentanen Situation mutigen Anlegern eine Menge Chancen, auch wenn es in ein paar Wochen vielleicht noch einen besseren Einstiegszeitpunkt geben könnte.
Automatischer Verkauf oder gesunde Mischung
Bleibt die Frage, wann der richtige Moment ist, Positionen abzustoßen. Gerade Börsianer, die nicht rund um die Uhr die Märkte beobachten, können automatische Verkaufsaufträge einrichten. „Stopp-Loss Orders sollten gesetzt werden, wenn der Anleger noch nicht realisierte Gewinne in seinem Depot vor zukünftigen Kursverlusten absichern möchte oder grundsätzlich Buchverluste ab einer bestimmten Grenze realisieren möchte“, erklärt Gerhard Selig, Inhaber der Gerhard Selig Vermögensstrategien GmbH. Einen objektiv idealen Abstand für so einen Stopp gibt es zwar nicht, zehn Prozent unterhalb der aktuellen Notierung gelten aber als Faustregel. Damit lässt sich der Verlust bei größeren Marktturbulenzen begrenzen, allerdings entgeht einem so auch die Chance auf schnelle Erholung. Erfahrene Anlageberater empfehlen deswegen eher eine langfristig ausgerichtete Streuung statt hektischen Verkaufens. „Das Zauberwort dabei heißt ‚Diversifikation‘ und das in Anlageklassen, die möglichst wenig voneinander abhängig sind“, sagt der Konstanzer Selig. Wer auf eine gute Mischung im Portfolio achtet, etwa Aktien von gesunden Unternehmen, stabile Anleihen und etwas Edelmetalle kombiniert mit einem ausreichend dimensionierten Notgroschen, fällt generell nicht so tief in Börsentäler. Gut beratene Anleger können so selbst eine längere Krise wie Corona aussitzen und trotz zwischenzeitlicher Kursverluste langfristig Vermögen aufbauen. Für Börsenprofis ist ein Crash auch immer eine Chance für einen günstigen Einstieg. Warren Buffett, fasste das einmal so zusammen: „Sei gierig, wenn die Anderen Angst haben, und ängstlich, wenn sie gierig sind.“
Sieben Weisheiten zu Börsentälern:
- „Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.“ (Bankiers Carl Mayer von Rothschild)
- „Beim Tiefstand der Kurse haben die Hartgesottenen die Papiere und die Zittrigen das Geld, auf dem Höhepunkt des Booms, die Hartgesottenen das Geld und die Zittrigen die Papiere.“ (Wirtschaftskolumnist André Kostolany)
- „Das größte Risiko unserer Zeit liegt in der Angst vor dem Risiko.“ (Soziologe Helmut Schoeck)
- „Kaufen Sie billig, verkaufen Sie nie!“ (Investmentlegende Warren Buffett)
- „Die meisten Leute interessieren sich für Aktien, wenn alle anderen es tun. Die beste Zeit ist aber, wenn sich niemand für Aktien interessiert.“ (Investmentlegende Warren Buffett)
- „Es ist unmöglich, überdurchschnittliche Renditen zu erreichen, wenn man nicht anders handelt als die Mehrheit.“ (Fondsmanager Sir John Templeton)
- „Geduld ist die oberste Tugend des Investors.“ (Begründer des Value-Investings Benjamin Graham)