
Fällt in China ein Sack Reis um, dann erzittert die ganze Welt!
Was haben leere Regale in Geschäften in der Freiburger Innenstadt mit dem Fernen Osten zu tun? Oder warum wird wegen China die Auswahl an Waschmaschinen und Geschirrspülern im Elektronikmarkt um die Ecke immer kleiner? Sogar die Lieferzeiten deutscher Autos sind derzeit oft deutlich länger als gewohnt – die Ursachen liegen Großteils im Reich der Mitte. Viele Jahre haben wir uns an billige Produkte „Made in China“ gewöhnt. In Zeiten der Coronapandemie und darauffolgender Konsumspitzen stockt jetzt schlicht und ergreifend der globale Nachschub. Das lässt sich anschaulich an den Containerpreisen zeigen, die haben sich im Vergleich zu vor Corona circa verzehnfacht. Aber die Probleme haben zusätzlich eine neue Dimension, die über Frachtkapazitäten hinausgeht. Denn heute fehlt es nicht nur an billigen Turnschuhen oder Plastikspielzeug. Medizinprodukte, technische Bauteile, Computerchips und Vieles mehr – China ist nicht mehr einfach die verlängerte Werkbank der Welt. Der einst arme Spielball der Kolonialmächte ist auf dem Weg zum globalen Technologieführer. Und wenn heute in Peking ein Sack Reis umfällt, dann erzittert die Erde.
Auf dem Weg zur Weltmacht
Die chinesische Führung um Staatspräsident Xi Jinping hat ehrgeizige Pläne. Bis 2025 will man in künftigen Schlüsselbereichen, wie zum Beispiel Digitalisierung, Weltraumtechnologie und Energieversorgungstechniken konkurrenzfähig sein. Bis 2035 sollen dort die internationalen Standards mitbestimmt werden. Schon heute wird es in vielen zukunftsträchtigen Bereichen ohne chinesische Komponenten schwierig. Etwa beim Ausbau der 5G-Handytechnologie in Europa, die nur mit großen Mühen ohne den technologischen Marktführer Huawei realisiert werden kann. Hinzu kommen die geopolitischen Bestrebungen Chinas, eine neue Seidenstraße zu etablieren. Der Kauf des griechischen Hafens Piräus 2016 war hier nur einer von vielen Schritten. Die Volksrepublik ist inzwischen an über einem Dutzend europäischer Häfen entweder beteiligt oder betreibt eigene Terminals. Es spricht viel dafür, dass wir in den nächsten Jahren Zeuge eines weiteren Aufstiegs werden. Bis zum hundertjährigen Geburtstag der Gründung der Volksrepublik im Jahr 2049 will zumindest die chinesische Führung mindestens mit der Weltmacht Amerika gleichziehen. Also müssen wir uns alle darauf einstellen, von China abhängig zu sein? Sollten Investoren lieber Geld an der Börse in Shanghai statt in New York oder Frankfurt anlegen?
Unkalkulierbares einkalkulieren
Die chinesische Entwicklung ist schon heute für den Motor der Weltwirtschaft enorm wichtig. Aber um in China zu investieren, müssen Anleger oft gar nicht in die Ferne schweifen. Beim Autobauer VW wurden im ersten Halbjahr 2021 rund 41 Prozent der Absätze in der Volksrepublik erzielt, bei Daimler 34 Prozent. Deswegen beobachten wir die Verschiebung der wirtschaftlichen Schwerpunkte ganz genau und bewerten auch den Einfluss auf die Unternehmen außerhalb Chinas. Trotzdem halten wir uns bei chinesischen Einzelwerten derzeit eher zurück. Denn es gilt auch die politischen Risiken bei Anlageentscheidungen einzuberechnen. Ein Beispiel dafür ist der Einbruch des Aktienkurses von Alibaba, quasi das chinesische Pendant zu Amazon. Hier reichten ein paar kritische Worte des inzwischen verschwundenen Firmengründers Jack Ma und der Börsenkurs des Unternehmens halbierte sich nach politischen Eingriffen. Hinzu kommt etwas ganz Grundsätzliches: Das stark auf soziale und technische Kontrolle ausgelegte politische System kann für die Ewigkeit funktionieren. Aber es wäre auch nicht das erste Regime, das plötzlich zusammenbricht. Deswegen empfehlen wir Vermögen strategisch breit zu streuen, um bei unerwartet auftauchenden schwarzen Schwänen aus China gewappnet zu sein. Das sollten sich vielleicht auch Händler und Unternehmen bewusst machen, damit Regale in Zukunft nicht öfter leer bleiben.
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