DAX-Erholung: Zwischen Aufatmen und Bullenfalle

DAX-Erholung: Zwischen Aufatmen und Bullenfalle


Der deutsche Leitindex DAX brach zu Kriegsbeginn kräftig ein. Doch inzwischen hat er die Verluste wieder wettgemacht. Dabei sind viele Risiken und Unsicherheiten nach wie vor gegeben. Nicht zuletzt ist die weitere Entwicklung in der Ukraine unklar. Wie es jetzt mit deutschen Aktien weitergeht, erklärt der unabhängige Finanzexperte Adrian Roestel im Interview.
Adrian Roestel, Leiter Portfoliomanagement HUBER, REUSS & KOLLEGEN Vermögensverwaltung GmbH
Adrian Roestel ist Leiter Portfoliomanagement bei der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH in München.

Handelt es sich bei der Kursentwicklung im DAX um eine echte Erholung oder eine klassische Bullenfalle, auf die ein erneuter Rückschlag der Aktienkurse folgt?

Adrian Roestel: Wir erwarten, dass diese Erholung nur vorübergehend ist. Die Unsicherheit über ein sich monatelang hinziehenden Krieg, eine aus unserer Sicht wahrscheinliche Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, die geldpolitische Reaktion in den Industrieländern und die heftigen Verluste an den Anleihemärkten. Das alles spricht dafür, dass wir erneute Abgaben an den Aktienmärkten sehen werden.

Welche Argumente sprechen für eine nachhaltige Erholung?

Roestel: Der erste Schock hinsichtlich des Ukrainekriegs ist verdaut und es tritt ein Gewöhnungseffekt an den Kapitalmärkten auf. Gleichzeitig sind die Unternehmen gut aufgestellt. Die Bilanzen vieler Unternehmen sind gesund, die Gewinnmargen auf hohen oder sogar Rekord-Niveaus und viele Firmen haben sich in den beiden Corona-Jahren effizienter aufgestellt. Das Gros der Unternehmen plant zudem, die gestiegenen Kosten an den Endverbraucher weiterzugeben – und in einem Umfeld nach wie vor starken Wachstums der Nachfrage sollte dies recht gut gelingen. Zudem sollten die nachlassende Corona-Pandemie und die hohe erzwungene Ersparnis der Nachfrager während der Lockdown-Zeiten nicht unterschätzt werden.

Welche Punkte sprechen dagegen?

Roestel: Wir sehen uns einem Potpourri an Belastungsfaktoren gegenüber, die in Summe die Aktienmärkte nach unten treiben dürften. Die aktuelle Situation in der Ukraine spricht gegen eine schnelle Verhandlungslösung – und für eine Verschärfung der Sanktionen. Selbst bei einer Verhandlungslösung dürfte das Gros der Sanktionen längerfristig erhalten bleiben. Daher werden die Preise vieler wichtiger Rohstoffe nicht schnell sinken.

Ein Teil der Kostensteigerungen wird von den Unternehmen selbst getragen werden müssen, die Margen und damit die Gewinne belasten. In Kombination mit unerwartet restriktiveren Tönen seitens der Notenbanken, anhaltenden und vermutlich sich noch ausweitenden Problemen bei den Lieferketten und noch recht ambitionierten Gewinnschätzungen besteht viel Potenzial für sinkende Kurse.

Zudem wirken die hohen Energiepreise für die Konsumenten wie eine Steuer und man sieht bereits, dass die Stimmung der Verbraucher dadurch erheblich belastet wird. In den USA sind die langfristigen Hypothekenzinsen seit Jahresbeginn um fast 50% gestiegen. Das wird den Immobilienmarkt sicherlich belasten. Wir steuern auf eine Phase niedrigeren Wachstums bei weiter steigenden Preisen zu – das lässt für die Aktienmärkte wenig Raum nach oben.

Wie stellen Sie aktuell die Depots ihrer Kunden in dieser Situation auf?

Roestel: Wir nutzen Erholungen, um die Aktienquote tendenziell zu verringern und gewichten jene Branchen verstärkt, die sich ein einer Stagflationsphase gut halten. Dazu zählen unseres Erachtens neben Energie- und Rohstoffwerten vor allem Pharmatitel und Basiskonsumwerte, die über ausreichend Preissetzungsmacht verfügen. Auf der Seite der Anleihen fokussieren wir auf Spezialsituationen, die nur begrenzt unter steigenden Zinsen leiden, halten die Duration (Zinsänderungsrisiko) niedrig und nehmen Staatsanleihen nur unter taktischen Gesichtspunkten, das heißt kurzfristig, auf.

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