Börsenausblick 2023: Vermögensverwalter beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Geldanlage im neuen Jahr

Börsenausblick 2023: Vermögensverwalter beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Geldanlage im neuen Jahr


Das neue Börsenjahr 2023 wird sicherlich anspruchsvoll. Doch mit der richtigen Anlagestrategie wird sich auch dieses Jahr an der Börse Geld verdienen lassen. Wir haben Vermögensverwalter aus ganz Deutschland gefragt, was es dieses Jahr bei der Geldanlage zu beachten gibt.

Glauben Sie, das Jahr 2023 wird vielversprechend für die Geldanlage in Wertpapiere?

Andreas Görler: Ich erwarte zumindest eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, da die Inflation und die damit verbundene Zinsentwicklung extrem steil war. Immerhin hat der Staat nun auch den Sparer-Pauschbetrag um knapp 25% erhöht, das ist wenigstens ein kleines Signal in Richtung privater Altersvorsorge.

Riklef von Schüssler: Ja, das Jahr 2023 sehen wir vielversprechend. In den letzten drei Jahren ist die Welt auf den Kopf gestellt worden und damit die Mehrzahl der Kapitalmärkte. Und auch wenn es nicht danach aussieht, es wird in 2023 in vielerlei Hinsicht eine Normalisierung eintreten. Inflation, Zinsen und Rohstoffe werden durch Angebot und Nachfrage wieder einen fundamentalen Einklang finden. Einige deutlich überbewertete Börsensegmente normalisieren sich und andere fundamental interessante Segmente kommen wieder. Wichtig dabei ist es zu verstehen, dass „normalisieren“ nicht zwangsläufig „beruhigen“ bedeutet. Normalisierung kann auch eintreten, wenn neue Umstände als dauerhaft vertretbar akzeptiert werden. Konjunkturell wird 2023 kein einfaches Jahr, aber die zuvor beschriebene Normalisierung wird der Börse im Ganzen gut tun.

Ungünstig an der Börse ist, wenn nichts passiert.

“Wir gehen davon aus, dass Anleger mit Aktien und Anleihen in diesem Jahr wieder gutes Geld verdienen können.” – Adrian Roestel

Adrian Roestel: Wir gehen davon aus, dass Anleger mit Aktien und Anleihen in diesem Jahr wieder gutes Geld verdienen können. Allerdings wird das Jahr zweigeteilt sein: in der ersten Jahreshälfte erwarten wir Kursgewinne bei Anleihen, da der geldpolitische Kurs weitgehend abgesteckt ist und sich schnelle Anfangserfolge bei der Inflationsbekämpfung einstellen dürften. Für Aktien wird die erste Jahreshälfte holprig, denn hier kommt Unsicherheit über die Tiefe der Wachstumsabschwächung zum Tragen. In der zweiten Jahreshälfte kehrt sich das Bild um. Aktien haben jetzt das Gröbste hinsichtlich Wirtschafts- und Gewinnentwicklung hinter sich. Die Inflation wird sich allerdings als zäh herausstellen, so dass wir nicht an die vom Markt erwarteten Zinssenkungen der US-Notenbank glauben. Dann steigen die Anleihezinsen tendenziell wieder.

Rezessionsjahre sind gute DAX Jahre

Lohnt sich ein Einstieg für alle diejenigen, die noch keine Aktien, Fonds oder Anleihen haben?

Hermann Ecker: Der Einstieg in Aktien lohnt sich definitiv unter der Voraussetzung einer breiten Streuung in aktive Fonds, ETFs oder Einzeltitel.

Görler: Definitiv. Der Aufbau eines vernünftig strukturierten Portfolios aus liquiden, börsengehandelten Wertpapieren ist stets sinnvoll. Durch die plötzlich angestiegenen Zinssätze ergeben sich nun auch, seit Jahren, wieder Opportunitäten im Anleihebereich.

Außerdem sollte sich jeder junge Arbeitnehmer klar sein, dass unser aktuelles Rentensystem durch Demografie, Frühverrentung und auch der schleppenden Integration ausländischer Arbeitskräfte an die Grenzen gekommen ist. Eine private Altersvorsorge wird daher immer wichtiger.

Marian Henn: Es ist immer der richtige Zeitpunkt, mit der Vermögensbildung über Kapitalmarktinvestitionen zu beginnen. Es gibt aber Einschränkungen: Wer einen großen Kapitalbetrag anzulegen hat, dem empfehlen wir, die Investition stückweise vorzunehmen und nicht alles auf einmal zu investieren. Bei uns hat es sich beispielsweise bewährt, mit der Hälfte oder einem Drittel der Zielgröße einer Position zu beginnen. So bewahrt man sich die Chance, im Falle weiterer Kursverluste zu noch günstigeren Kursen zukaufen zu können. Wer stattdessen mit einem Sparplan dauerhaft Einzahlungen ins Depot plant, der sollte sich nicht mehr nur auf Aktien fokussieren. Mit der Renaissance des Zinses sind Anleihen wieder zu einem veritablen Bestandteil jedes Portfolios geworden. Hochzinsanleihen bieten derzeit ein besonders ausgeprägtes Renditepotenzial, sodass man hierauf einen Teil der monatlichen Sparrate verwenden kann.

Welche Wertpapier-Arten sind besonders aussichtsreich?

Görler: Rentenpapiere im Laufzeitbereich von ca. 3 Jahren mit ordentlicher Bonität von Unternehmen, mit akzeptablen Fundamentaldaten.

Bekannte Substanzwerte mit gutem Management und bewährtem Geschäftsmodell, die bereits seit Jahrzehnten am Markt sind.

Das Thema Nachhaltigkeit sollte ein relevanterer Bestandteil des Portfolios sein auch wenn im letzten Jahr der Eindruck entstehen konnte, dass fossile Brennstoffe, Atomkraft, Rohstoffe oder auch Militärprodukte reüssieren. Es wäre naiv anzunehmen, dass man diese Produkte nicht benötigt, die Zukunft liegt aber eher bei erneuerbaren Energien, Recycling, Erhaltung und Verbesserung der Wasserinfrastruktur und den entsprechenden Aktien, Anleihen und Aktienfonds.

Roestel: Unternehmensanleihen von Emittenten guter Bonität, Qualitätsaktien mit starken Bilanzen, robustem Geschäftsmodell und stabilen Margen sind aussichtsreich. Wir glauben auch, dass Schwellenländer-Aktien in diesem Jahr gut performen werden.

Jürgen Mehrbrei: Auf Sicht der nächsten Monate bieten sich bei europäischen Aktien, sowie Titeln aus den Bereichen Luxus-Konsum, Cyber-Security und Robotik sehr gute Einstiegsmöglichkeiten. Aber auch hier sollten Anleger wie immer darauf achten die Spreu vom Weizen zu trennen und in solide Qualitätsunternehmen zu investieren.

Worauf sollten Börsen-Neulinge achten, die bislang keine oder wenig Erfahrung haben?

Roestel: Die Schwankungen an Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkten werden auch in diesem Jahr hoch bleiben, denn die Marktliquidität wird tendenziell abnehmen. Neulinge sollten sich von diesen Schwankungen nicht nervös machen lassen, sondern einen langfristigen Blick als Investor einnehmen. Das verhindert ein zu schnelles Hin- und Her-Traden, welches nur Geld kostet.

Dr. Markus C. Zschaber ist Gründer der V.M.Z. Dr. Markus C. Zschaber mbH in Köln
“Zur Anlage gehört Zeit, Augenmaß, Professionalität bei der Auswahl der einzelnen Werte, ein gutes Management und vor allen Dingen Geduld.” – Markus C. Zschaber

Markus C. Zschaber: Generell muss man sagen, wenn Geld angelegt werden soll, geht es immer um Zeiträume von mehr als 5 Jahren und da ist ein gutes Aktiendepot unschlagbar im Vergleich mit Festgeldern oder den meisten anderen Anlagen. Ideal wären natürlich 10 Jahre, denn wenn man dann einen Blick auf das Verhältnis Rendite und Risiko wirft, ja dann hat sich das Aktienkapital immer frühlingshaft vermehrt. Zur Anlage gehört Zeit, Augenmaß, Professionalität bei der Auswahl der einzelnen Werte, ein gutes Management und vor allen Dingen Geduld.

Chancen gibt es genug auf diesen Bewertungsniveau, sogar große, aber es gilt das Gesamtumfeld zu betrachten und dann taktisch zu agieren. Es gab bereits diverse Bodenbildungen, die wir sahen, bei denen der nächste Aufwärtstrend hätte starten können, insbesondere im Juni 2022 und im Oktober 2022, dieses wurde aber dann durch die Handlungen der Notenbanken wiederum gebremst, was man eben nicht prognostizieren kann und so wird es auch dieses Jahr sein, Geduld zahlt sich aus – nur viel viel mehr als wir alle derzeit denken.

Mehrbrei: Auch in der aktuellen Marktphase gilt für Anleger mehr denn je „streuen, streuen, streuen“. Um die Gefahr weiterer kurzfristiger Marktturbulenzen zu minimieren, sollten Anleger Ihr Vermögen unbedingt schrittweise investieren und über mehrere Regionen und Branchen streuen. Dabei müssen Anleger jedoch stets darauf achten in wirtschaftlich gesunde Regionen und zukunftsreiche Branchen zu investieren. Nur diese werden auch in Zukunft Schutz in unruhiger See bieten.

Börsenausblick 2023

Weitere Experteneinschätzungen, was die Börse 2023 für Anleger bereithält, finden Sie hier.

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Was sollten alte Hasen zu ihrem Depot wissen und beachten?

Ecker: Alte Hasen sollten Verlustpositionen entweder durchhandeln oder sich davon trennen, um den Verlust mit späteren Gewinnen verrechnen zu können und Steuern zu sparen. Sie sollten die Depotstrukturen im Auge behalten und ggf. Gewinne abschöpfen und weniger gut gelaufene, aber weiterhin aussichtsreiche Aktien kaufen. 

Mehrbrei: Anleger, die ihr Kapital bereits investiert haben, müssen aktuell überprüfen, ob Ihre Investments auch in Zeiten stark gestiegener Zinsen noch Sinn ergeben. Unternehmen mit schwacher Marktstellung und geringen Margen, werden in den kommenden Monaten und Jahren deutlich stärker zu kämpfen haben, als solide aufgestellte Marktführer mit starken und einzigartigen Produkten.

Andreas Görler ist senior Wealth Manager bei der Wellinvest - Pruschke & Kalm GmbH
“Das aktuelle Stressszenario hat gezeigt, dass es auch mal schnell in die falsche Richtung gehen kann.” – Andreas Görler

Görler: Das aktuelle Stressszenario hat gezeigt, dass es auch mal schnell in die falsche Richtung gehen kann. Sollte das Anlageziel in Richtung Altersvorsorge verordnet sein, ist ggfs. eine frühe Umstrukturierung des Depots erforderlich. Hierbei können dann kurze Rentenlaufzeiten und dividendenstarke Aktien gewählt werden. Natürlich fällt beides dann auch aber nicht so stark oder ich erhalte wenigstens eine erträgliche Dividende, ohne zu viel verkaufen zu müssen.

Wovon sollten Neulinge wie Fortgeschrittene auch in 2023 unbedingt die Finger lassen?

Görler: Tech-Erfolgsstorys haben Anlegern extreme Kursgewinne beschert. Doch wer kann schon sagen, welche Technologie oder Entwicklung sich künftig durchsetzen wird? Für einen Einsteiger ist es besser, zunächst in Substanzwerte und nur einen kleinen Teil des Vermögens in Wachstumswerte zu investieren. Sonst besteht das Portfolio nur noch aus Metaverse-, Cannabis-, Lithium-, Start-up- oder Krypto-Investments. Das Rückschlagpotenzial ist überproportional. Die Erholungsphasen dauern deutlich länger als bei bewährten Unternehmen, die Gewinne generieren und über ein krisenerprobtes Management verfügen.

Trotz der anhaltenden Diskussion zum Thema Inflation, sollten Anleger nicht versuchen die aktuelle Inflationsrate von ca. 10% durch eine Portfoliostruktur zu überkompensieren. Das würde bedeuten, dass man ein Depot kreiert, dass ca. 11% Rendite erwirtschaften müsste. Das notwendige Risikoprofil werden Neuanleger nicht aushalten. Daher sollte eine Ausrichtung auf die mögliche Inflation in einigen Monaten, die bei 3,505 – 4,50% liegen könnte, im Fokus stehen.

Mehrbrei: Auch 2023 bleiben Kryptowährungen und Beteiligungen am grauen Kapitalmarkt reine Spekulationsobjekte. Zu groß sind die Wertschwankungen und Verlustrisiken. Hier sollte man nur Gelder investieren, deren Verlust man ohne Probleme verkraften kann.

Riklef von Schüssler: US-Technologie Aktien, weil Bewertungen überwiegend noch zu hoch sind. Immobilienaktien, weil die Baisse gerade erst angefangen hat und Kryptowährungen, weil sie derzeit reine Spekulationsobjekte sind und die Branche anfällig für Betrug ist.

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