
Bauernregeln für die Börse – macht das Sinn?
Jeder kennt den einen oder anderen mehr oder weniger sinnvollen Reim, der angeblich das Wetter und die Folgen für die Landwirtschaft vorhersagen. So etwas wie: „Wenn im September die Spinnen kriechen, sie einen harten Winter riechen.“ Auch unter Anlegern kursieren solche Sprüche, die helfen sollen, die Lage an den Kapitalmärkten vorherzusagen. Ähnlich wie bei Bauernregeln findet sich darin oft eine Portion brauchbares, über die Jahre gesammeltes Erfahrungswissen. Aber welche Regeln stimmen und sind sie wirklich eine gute Grundlage für Investmententscheidungen? Schauen wir uns einmal fünf bekannte Beispiele an:
Hin und Her macht Taschen leer!
Diese Regel macht Sinn, denn tatsächlich ist es für Privatanleger grundsätzlich keine gute Idee, den Depotbestand ständig umzukrempeln. Denn einerseits kostet jede Transaktion von Wertpapieren Geld und andererseits steckt dahinter die Idee, man würde den Zeitpunkt für Kauf- und Verkaufsgelegenheiten besser als die meisten anderen erkennen. Das perfekte Timing an der Börse gelingt aus meiner Erfahrung aber nur selten und ist selbst bei Profis oft eher Glück als Können. Letztlich steckt dahinter die Grundsatzentscheidung, ob kurzfristig auf schnelle Gewinne spekuliert oder langfristig in solide und zukunftsträchtige Geschäftsmodelle investiert wird. Die allermeisten werden eher mit der zweiten Variante ein Vermögen aufbauen. Das heißt aber nicht, dass es nicht in manchen Situation Sinn machen kann, Gewinn zu realisieren oder einzelne Positionen durch bessere Kandidaten auszutauschen.
Sell in May and go away, but remember to come back in September.
Die Grundidee von Börseninvestoren, die Sommermonate quasi wegzulassen, stammt wohl noch aus viktorianischen Zeiten. Die englische Oberschicht verbrachte diese Zeit traditionell auf ihren Landsitzen und an den Märkten in London fehlten sie damit als Investoren. Diese saisonale Nachfragdelle sprach eher für Kursschwächen, die nach der Rückkehr im Herbst beendet waren. Auch heute gehören typische Urlaubszeiten oft nicht gerade zu den stärksten Phasen an den Börsen, aber deswegen ein strategisch weitsichtig zusammengestelltes Portfolio aufzulösen und ein paar Monate später wieder zusammenzukaufen, wird sich in den allermeisten Fällen nicht lohnen. Hier stimmt wieder „Hin und Her macht Taschen leer!“.
Greife nie nach einem fallenden Messer!
Ohne Frage, Aktien eines Unternehmens zu kaufen, die gerade einen Kursabsturz erleben, kann eine sehr schlechte Idee sein. Trotzdem muss die Messer-Regel nicht immer stimmen. Denn gar nicht so selten lohnt es sich, sogar genau dann zuzugreifen. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum eine schlechte Bewertung an der Börse übertrieben sein und sich hier eine langfristige Kaufgelegenheit verbergen kann. Die Regel stimmt also nur teilweise und sollte eher lauten: „Schau lieber zweimal hin, bevor Du nach einem fallenden Messer greifst.“
Kaufen, wenn die Kanonen donnern!
In eine ähnliche Richtung geht der markige Kanonen-Spruch, der dem Bankier Carl Mayer von Rothschild zugeschrieben und gelegentlich noch um „Verkaufen, wenn die Violinen spielen!“ ergänzt wird. Dahinter steckt die Idee des antizyklischen Investierens. Also dann in Märkte einzusteigen, wenn alle anderen in Panik davonlaufen, und das Weite zu suchen, wenn die Mehrheit in Euphorie verfällt. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass es sinnvoll ist, eine schlechte Nachrichtenlage genauso wenig wie einen Jubelsturm überzubewerten. Es macht sehr viel Sinn, im Kopf zu behalten, dass es immer ein „Danach“ gibt, egal ob in Krisenzeiten oder bei Börsenpartys. Soll Vermögen über Jahrzehnte gebildet werden, sollten Investmententscheidungen deswegen besser aufgrund von langfristigen Zukunftsaussichten getroffen werden.
Politische Börsen haben kurze Beine
Wer sich die Kurven von großen Börsenbarometern über einen längeren Zeitraum ansieht, wird immer wieder Zacken nach unten entdecken, die schnell wieder aufgeholt wurden. Zeitlich passen sie nicht selten mit politischen Entscheidungen zusammen. Typische Beispiele sind etwa die Kursverluste zu Beginn des Irakkriegs oder in Europa nach der Brexitentscheidung, die nach kurzer Zeit wieder ausgeglichen waren. Insofern stimmt die Regel und oft ist die Anpassungsfähigkeit der wirtschaftlichen Kräfte letztlich entscheidender als die Politik. Das heißt nicht, dass Kriege oder weitreichende Regierungsentscheidungen keine langfristigen Auswirkungen haben können, insbesondere in direkt betroffenen Branchen. Aber überbewerten sollten Anleger die letztlichen Auswirkungen der „großen Politik“ auch nicht.
Keine Börsenweisheit ist eine Gewinngarantie
Diese fünf Beispiele sind nur eine kleine Auswahl. Aber allen ist eins gemein: Es steckt nur ein Teil der Wahrheit in ihnen. Das gilt selbst dann, wenn sie von Börsenlegenden wie André Kostolany oder Warren Buffett stammen. Wirklich strategisches Investieren erfordert in der Realität eben doch mehr, als Schlaftabletten zu nehmen oder einfach nur einen Dollar für 50 Cent zu kaufen. Keine der Regeln ist eine geheime Formel, die automatisch Gewinne generiert. Ein Vermögen sollte auf verschiedenen, möglichst voneinander unabhängigen starken Säulen stehen, um es langfristig zu erhalten. Das ist auch unser Credo als Vermögensverwalter, um die Risiken unserer Kunden zu minimieren und trotzdem langfristig die Chancen der wirtschaftlichen Kräfte zu nutzen. Wenn es in diesem Sinne eine Bauernregel gibt, die ohne Einschränkung für die Geldanlage gilt, dann die: „Man sollte nie alle Eier in einen Korb legen!“
Mit unseren Social Media Kanälen bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Sie finden uns auf: Facebook | LinkedIn | YouTube | Instagram | Pinterest