
„Must have“ Ehevertrag - wer braucht das wirklich?
14,9 Jahre, so lange halten laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich Ehen in Deutschland. Rund 150.000 werden pro Jahr geschieden. Zumindest galt das vor der Corona-Pandemie. Denn laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey könnten sich die Scheidungsanträge nach der Lockdown-Zeit verfünffachen. Aber nicht nur angesichts dieser Zahlen raten Notare, Anwälte und Vermögensverwalter oft dazu, vorsorglich oder auch während einer Ehe über eine vertragliche Reglung nachzudenken.
1. Vermögen schützen
Bringt ein Ehepartner deutlich mehr Vermögen mit oder ist im Besitz eines Unternehmens, ist es nur vernünftig, über einen Ehevertrag nachzudenken. Denn kommt es zu einer Scheidung, kann der Zugewinnausgleich sonst über Generationen aufgebautes Familienvermögen zerschlagen. Oder eine Ausbezahlung die geschäftliche Existenz bedrohen. „Ein Ehevertrag macht eigentlich immer Sinn, insbesondere wenn Unternehmen, Immobilien oder sonstiges Vermögen – oder eben auch Schulden – vorhanden sind“, sagt Lothar Koch, Leiter des Portfoliomanagements des Krefelder Vermögensverwalters GSAM + Spee Asset Management AG.
2. Schuldenrisiken senken
„Banken haben die Tendenz, wenn es schlecht läuft, möglichst viele Haftende mit ins Boot bei der Kreditvergabe zu holen“, warnt Lothar Koch. Sind die Vermögensverhältnisse durch einen Ehevertrag getrennt, können gerade Partner von Unternehmern bei einer Pleite besser vor den finanziellen Folgen geschützt werden. Durch geschickte Gestaltung kann trotz geschäftlicher Insolvenz so zum Beispiel ein Wohnhaus für die Familie erhalten werden.
3. Scheidungsstreit vermeiden
Schon eine einvernehmliche Scheidung kann selbst bei geringen Vermögenswerten einige tausend Euro kosten. Je mehr gestritten wird und je größer die hier im Raum stehenden Summen sind, desto teurer wird es. „Ein Ehevertrag schafft Klarheit für beide Ehepartner. Man kann sich auf die Partnerschaft konzentrieren und weiß immer, was eine Trennung finanziell bedeuten würde“, sagt Koch.
4. Rechtsordnung festlegen
Wer plant, auszuwandern oder einen Partner aus dem Ausland zu heiraten, sollte sich auf jeden Fall mit dem Thema Ehevertrag auseinandersetzen. Denn schon bei unseren direkten europäischen Nachbarn gelten teilweise völlig andere Regelungen für die finanziellen Folgen einer Scheidung. Um hier unliebsame Überraschungen zu vermeiden und sicherzustellen, dass auf jeden Fall deutsches Recht gilt, sollte die bevorzugte nationale Rechtsordnung vertraglich festgelegt werden.
5. Nachlassplanung optimieren
Wer langfristig denkt, bindet das Thema Ehevertrag gleich in die Nachlassplanung mit ein. Hierfür sollte unbedingt professioneller Rat zur Umsetzung bei einem Fachanwalt und dem Steuerberater eingeholt werden. Nur wer hier vorrausschauend handelt, kann bei einem Erbfall Freibeträge optimal nutzen. Am Ende kann sich auch herausstellen, dass ein Ehevertrag nicht nötig ist. „Aber einmal das Für und Wider abzuwägen, ist fast immer besser als die Vogelstraußtaktik, die sehr teuer werden kann“, weiß Vermögensexperte Lothar Koch.
Ehescheidung in Zahlen
Gibt es das verflixte siebte Jahr tatsächlich?
Nach sechs Jahren Ehedauer ist die Scheidungszahl deutschlandweit im Vergleich am höchsten. Das sprichwörtlich verflixte siebte Jahr landet nur auf Platz zwei.
Welche Überlebungschancen hat eine Ehe?
Ganz unromantisch betrachtet lag die Scheidungsquote vor Corona in Deutschland bei rund einem Drittel, exakt bei 32,94 Prozent. Das ist deutlich besser als im Jahr 2005, hier lag der Wert mit 51,92 Prozent noch über der Hälfte.
Wer will die Scheidung?
Rund 51 Prozent der Trennungsanträge kommen von Frauen, 41 Prozent von Männern und acht Prozent werden gemeinsam beantragt.
Gilt “bis der Tod uns scheidet” gar nicht mehr?
In den meisten Fällen schon. Von 100 Ehen halten immerhin 69 bis zum Tod eines der beiden Partner. Allerdings sind hier die neuesten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2016.
Ist die Ehe aus der Mode?
Ja, im Vergleich zu 1950 heiraten heute deutlich weniger Paare. Damals kamen auf 1.000 Einwohner noch 11,0 Eheschließungen im Jahr, heute sind es 5,4. In letzter Zeit steigt der Wert allerdings wieder leicht, der Tiefpunkt lag in den Jahren 2006 und 2007 bei 4,5.
(Quellen: Destatis, Datenbasis 2018, wenn nicht anders angegeben)
Güterstände für Ehen
Zugewinngemeinschaft, die gesetzliche Regelung
Bei Ehen ohne Ehevertrag gilt automatisch die Zugewinngemeinschaft. Im Prinzip bleiben dabei die Vermögen der Eheleute getrennt, also bestehendes Vermögen, zukünftige Erbschaften aber auch Schulden werden einzeln zugerechnet. Steigt das Vermögen allerdings während der Ehe, wird dieser Zugewinn bei einer Scheidung aufgeteilt. Während der Ehe können zum Beispiel Immobilien getrennt oder gemeinsam erworben werden oder Kreditverträge nur von einem oder beiden abgeschlossen werden.
Gütertrennung, die übliche Alternative
Um im Falle einer Scheidung auch die Vermögenssteigerung getrennt zu halten, kann notariell in einem Ehevertrag Gütertrennung vereinbart werden. Jeder Ehegatte kann dann allein über sein Vermögen verfügen. Es gibt bei einer Scheidung keinen Zugewinnausgleich. Allerdings hat das im Falle einer Erbschaft zwischen den Eheleuten auch steuerliche Nachteile im Vergleich zum gesetzlichen Standard.
Gütergemeinschaft, die seltene Variante
In einer Gütergemeinschaft wird das Vermögen beider Ehepartner grundsätzlich gemeinschaftliches Vermögen. Allerdings gilt das auch für Schulden, selbst wenn die nur von einem während der Ehe gemacht werden. Eheverträge mit Gütergemeinschaft sind kompliziert und werden nur noch selten bei Notaren beurkundet.
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