
Die dunkle Seite der ETFs

Wenn ich einen ETF als Anleger kaufe, habe ich alles richtig gemacht, weil ETFs breit streuen und günstig sind – richtig?
Thomas Freiberger: Nein, ein ETF ist letztlich nur ein Werkzeug. Das tollste Werkzeug nützt nichts, wenn man es nicht benutzen kann oder falsch anwendet.
Aktive Fondsmanager schlagen in 9 von 10 Fällen nicht den Markt, deshalb bin ich mit einem ETF immer vorne mit dabei – richtig?
Freiberger: Nein, unter dem Titel “The dark side of ETFs” erschien im Jahr 2013 eine Studie, in der untersucht wurde, welchen Effekt die Investition in ETFs für das Depot von Privatanlegern hat. Die Daten wurden bei einem großen deutschen Online-Broker erhoben. Während eines Zeitraums von etwa 2,5 Jahren (August 2006 bis März 2009) wurde eine Gruppe von mehr als 4.000 Privatanlegern untersucht, von denen 473 zum ersten Mal in indexorientierte Anlageprodukte (ETFs) investierten. Die Ergebnisse sind ernüchternd:
Die Gruppe der ETF-Käufer schnitt im Mittel signifikant schlechter als diejenigen Anleger ab, die nicht in passive Anlageprodukte investiert hatten. Bedenklich stimmt vor allem, dass sich die Portfolio Performance der ETF-Investoren auch risikoadjustiert verschlechterte. Das bedeutet, dass nicht bloß weniger Rendite erzielt wurde, sondern die ETF-Anleger dabei auch noch ein höheres Risiko eingingen.

Gibt es überhaupt Fälle, in denen ein aktiver Fonds seinem ETF-Gegenspieler überlegen ist? Wo setzen Sie ETFs in der Umsetzung der Anlagestrategie für Ihre Kunden ein?
Freiberger: Ja, wenn es aktive Fonds sind, die kein Market-Timing und Stock-Picking betreiben, sondern eine Anlageklasse nachbilden und kostengünstig sind.
Unsere Anlagestrategie wird vorwiegend mit kostengünstigen Anlageklassenfonds umgesetzt. Diese haben niedrige Gebühren und werden ohne Ausgabeaufschläge gehandelt. Anlageklassenfonds verursachen aufgrund einer niedrigeren Portfolioumschlagshäufigkeit im Vergleich zu ETFs weniger Transaktionskosten, was der Gesamtkostenbelastung zu Gute kommt. Wir setzen ETFs nur ein, wenn es keinen kostengünstigen Anlageklassenfonds gibt.
Bei der Auswahl des ETFs muss ich nicht auf den dahinter liegenden Index nicht achten, weil es wird doch immer der ganze Markt abgedeckt und eine neutrale Instanz wacht über die Zusammensetzung des jeweils hinterlegten Aktienkorbes – richtig?
Freiberger: Nein, es gibt die unterschiedlichsten ETFs – für verschiedene Regionen, Branchen, Themen und weitere Aspekte. Wer nur auf Europa setzt, deckt zirka 17 Prozent des weltweiten Aktienmarktes nach Markkapitalisierung ab, und Anleger, die ETFs auf alle deutschen Aktiengesellschaften kaufen, decken noch nicht einmal 3 Prozent ab.

Es gibt keine amtliche Instanz, die die Bildung oder Zusammensetzung der zugrunde liegenden Indizes überwacht:
Diese Indizes werden von verschiedenen kommerziellen Anbietern angeboten – ursprünglich aber nicht, wie vielfach vermutet, um eine Orientierung für eine effiziente Portfoliogestaltung nach den Grundsätzen der empirischen Kapitalmarktforschung zu schaffen, sondern aus Gründen der Markttransparenz. Deshalb stammen viele Indexanbieter aus dem Nachrichtengewerbe.
Was muss ich sonst bei einem ETF-Kauf beachten: physisch hinterlegend oder replizierend, hebelend beziehungsweise shortend, Kosten oder equal weight?
Freiberger: Die meisten ETFs enthalten dieselben Aktien wie der Index, auf den sie sich beziehen (direkt replizierende ETF). Es gibt aber auch ETFs mit künstlicher Nachbildung (Swaps), die teilweise völlig andere Aktien enthalten. Über Tauschgeschäfte (Swaps) wird die Indexentwicklung quasi dazugekauft. Bei diesen Tauschgeschäften könnten Insolvenzrisiken der Gegenparteien bestehen. Anleger, die diese Geschäfte nicht völlig durchschauen, sollten in direkt replizierende ETFs anlegen.
Anleger sollten die Finger von Short- und Hebel-ETFs lassen: Mit Short-ETFs würden sie auf fallende Kurse wetten. Mit Hebel-ETFs können sie die Indexentwicklung und damit auch das Risiko verdoppeln. Diese ETFs sind etwas für Spekulanten und nicht für Investoren.
Wie finden Sie den richtigen ETF? Gibt es Suchmaschinen oder Listen, die Sie empfehlen können?
Freiberger: Die Zeitschrift der Stiftung Warentest „Finanztest“ bietet eine gute Übersicht über ETFs an.
Haben Sie einen Lieblings-ETFs und wenn ja, welchen?
Freiberger: Wir möchten keine konkreten Produktempfehlungen abgeben. Aber unsere Anforderungen an unsere Lieblinge verrate ich:
Die ETFs, die wir bevorzugen, decken den Weltaktienmarkt mit über 12.000 Aktien ab. Darüber hinaus gewichten diese Fonds neben dem klassischen Aktienmarktrisiko zusätzlich günstigere und kleinere Aktiengesellschaften gegenüber dem Gesamtmarkt über. Wenn diese Gesellschaften dann noch eine höhere Profitabilität als der Durchschnitt aufweisen, dann werden wir und alle unsere Mandanten mit diesen Fonds große Freunde.
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