Steigende Zinsen – geht in Deutschland dem Immobilienboom bald die Luft aus?

Steigende Zinsen – geht in Deutschland dem Immobilienboom bald die Luft aus?


Dass die Zinsen weiter steigen, gilt als sicher. Gleichzeitig gehen die Baukosten massiv nach oben. Für Eigentümer von selbst genutzten Immobilien wie für Kapitalanleger ist das zusammen mit dem hohen Preisniveau am Immobilienmarkt ein gefährlicher Mix. Die wichtigsten Fragen beantwortet Vermögensverwalter Samir Zakaria im Interview.
Samir Zakaria
Samir Zakaria ist Vermögensverwalter bei der Hansen & Heinrich AG in Frankfurt

Was bedeutet es in diesem Umfeld für die Immobilienmärkte, wenn nun die Zinsen steigen (und zusätzliche die Lieferengpässe die Baukosten in die Höhe treiben)?

Samir Zakaria: Seit Jahren kennen die Preise am Immobilienmarkt nur eine Richtung: aufwärts. Bundesweit haben sich Ein- und Zweifamilienhäuser zwischen 2010 und 2020 um rund 65 Prozent verteuert. Begünstigt durch das historisch niedrige Zinsniveau konnten sich trotzdem viele Menschen ihren Traum vom Eigenheim erfüllen.

Doch nun spricht immer mehr dafür, dass sich die historisch niedrigen Bauzinsen einem leichten Aufwärtstrend unterziehen. Bereits seit Jahresanfang sind die Bauzinsen sichtbar gestiegen, was wiederum die Kreditnehmer zu spüren bekommen. Bereits schon wenige Prozentpunkte können bei den aktuellen Immobilienpreisen schnell Tausende Euro ausmachen. Steigende Zinsen und gleichbleibende oder weiter steigende Immobilienpreise werden dann bei vielen Menschen den Traum vom Eigenheim nicht in Erfüllung gehen lassen.

Auch der seit Anfang 2021 bestehende deutliche Mangel an Baumaterialien treibt die Baukosten sowie Kaufpreise weiter in die Höhe. Der Holzpreis verteuerte sich im vergangenen Jahr um mehr als 400 Prozent. Betonstahl im Vergleich um fast 30 Prozent.

Kaufen oder bauen wird perspektivisch weiter teurer.

Wie hoch könnten die Bauzinsen in den kommenden Monaten steigen könnten und worauf sich Käufer einstellen müssen?

Zakaria: Entgegen der Meinung von vielen Experten sind die Baufinanzierungszinsen seit Jahresbeginn stärker und schneller gestiegen als erwartet. Bundesweit sind die Bauzinsen Anfang März von einem Prozent auf über 1,6 Prozent gestiegen. Der Krieg in der Ukraine treibt die bereits hohen Energiepreise weiter an und damit auch die Inflationsraten. Im Februar erreichte die Inflation in der Währungsunion mit 5,8 Prozent einen neuen Rekordwert. Die EZB hat nun reagiert und wird die milliardenschweren Anleihenkäufe schneller als geplant drosseln. Zwar bleibt der Leitzins zunächst weiterhin bei den historisch niedrigen null Prozent, wird laut Experten aber spätestens 2023 angehoben.

Zugleich notierten die zehnjährigen Bundesanleihen Mitte Januar erstmals seit Mai 2019 wieder bei einem Plus von 0,025 Prozent. Das bedeutet: Anleger bekommen für einen Kredit an den Staat wieder Geld. Die Renditeentwicklung bei den Anleihen ist eine Reaktion des Marktes auf die hohe Inflation.

Neben den Leitzinsen sind die Renditen für Staatsanleihen ein wichtiger Indikator für die Bauzinsen. Denn wohin die Staatsanleihen und Renditen tendieren, dahin entwickeln sich auch die Bauzinsen. Ein steigender Leitzins sowie höhere Renditen bei Staatsanleihen werden mittelfristig steigende Zinsen in der Baufinanzierung zur Folge haben. Immobilieninvestoren müssen sich in Ihren Planungen darauf einstellen.

Macht es für denjenigen, der einen Kauf oder den Hausbau plant, Sinn, jetzt ein Forward-Darlehen zu abzuschließen und das aktuelle Niveau zu sichern?

Zakaria: Ein Forward-Darlehen kann nur im Rahmen einer Anschlussfinanzierung für ein bereits vorhandenes Immobiliendarlehen in Anspruch genommen werden. Ohne bestehende Finanzierung kann kein Forward Darlehen abgeschlossen werden. Um das aktuelle Zinsniveau dennoch zu sichern, empfiehlt sich ein Beratungsgespräch bei einem Finanzierungsexperten.

Wie viel (Zins-) Puffer braucht ein Immobilienkäufer oder Häuslebauer, um bei steigenden Zinsen nicht in Schwierigkeiten zu geraten?

Zakaria: Viele Verbraucher sehen zurzeit nur die historisch niedrigen Zinsen und vergessen dabei, dass das Zinsniveau aufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklungen wieder steigen wird. In Verbindung mit einem niedrigen Tilgungssatz kann das bei einer Anschlussfinanzierung dazu führen, dass die Rate nicht mehr bezahlt werden kann und die Immobilie verkauft werden muss.

Um dem entgegenzuwirken empfiehlt sich die Vereinbarung von einem Tilgungssatz über der gesetzlichen Mindesttilgung von einem Prozent. Viele Banken und Sparkassen erwarten zurzeit eine Mindesttilgung von zwei bis drei Prozent. Und dies ist sinnvoll, denn ein (Zins-) Puffer kann über die Höhe des Tilgungssatzes gesteuert werden. Ein hoher Tilgungssatz bietet bei einer Anschlussfinanzierung die Möglichkeit auf den gesetzlichen vorgeschrieben Mindesttilgungssatzes zu reduzieren und so einen möglichen Zinsanstieg auszugleichen.

Wie sieht es mit Immobilienbesitzern aus, die bereits eine Immobilie haben und bei denen die Anschlussfinanzierung demnächst fällig wird? Was können sie tun?

Zakaria: Eine Anschlusskondition für eine laufende Baufinanzierung kann über ein Forward-Darlehen gesichert werden. Oftmals können bis zu drei Jahre vor Ablauf einer Baufinanzierung die aktuellen Zinsen gesichert werden. Zu beachten gilt, dass für ein Forward-Darlehen ein Zinsaufschlag von durchschnittlich 0,25 Prozentpunkte auf den aktuellen Zins erhoben wird. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Abschluss eines Forward-Darlehen verbindlich ist. Das Darlehen muss, auch wenn die Zinsen in der Zwischenzeit gesunken sind, abgenommen werden.

Sollte man eine laufende Finanzierung haben, so ist aufgrund der aktuellen Bauzinsprognosen ein Beratungsgespräch bei einem Bankberater oder Vermögensverwalter empfehlenswert.

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Auch dürften sich in der Folge davon wohl weniger Menschen eine Immobilie leisten, weshalb die Nachfrage und die Preise am Immobilienmarkt zurückgehen könnten. Sollten Immobilienbesitzer, sofern sie die Immobilie nicht selbst nutzen, also jetzt besser verkaufen?

Zakaria: Ein dauerhaftes Ende des Immobilienbooms ist nicht in Sicht. Zwar werden immer mal wieder Einbrüche vorhergesagt, diese fanden in den letzten Jahren allerdings nicht statt. Fast überall sind die Preise am Immobilienmarkt gestiegen. Insbesondere in deutschen Großstädten hat sich der Trend zu höheren Immobilienpreisen noch verschärft. Ein überschaubares Angebot und eine hohe Nachfrage treiben weiterhin die Preise am Immobilienmarkt.

Grundsätzlich ist der Verkauf einer Immobilie aber nicht nur eine Frage der einfachen Ökonomie, sondern eben auch der Gesamtumstände. Wie risikofreudig sind die Eigentümer? Wie lange soll die Immobilie gehalten werden? Werden die Immobilien selbstgenutzt oder vermietet? Wird Kapital benötigt? Welche Nutzungsoptimierungen sind möglich? Welche Anlagealternativen gibt es für den immobilienaffinen Investor?

Ein möglicher Verkauf ist daher von unterschiedlichen Faktoren abhängig.

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