
Börsenausblick 2021 mit Jan-Patrick Weuthen (3): "Asien, insbesondere China, wird bei der Geldanlage eine wichtige Rolle spielen"

Herr Weuthen, wenn Sie zurückblicken: Wie kann man das Jahr 2020 aus Anlegersicht zusammenfassen?
Jan-Patrick Weuthen: Das Anlagejahr 2020 war für private und professionelle Anleger gleichermaßen sicherlich das herausforderndste der letzten Jahre. Für eine weltweite Pandemie und den künstlich herbeigeführten globalen Wirtschaftsstillstand im Zeitalter der Digitalisierung fehlte sicherlich nahezu allen Marktteilnehmer die Erfahrung.
Im Rückblick war es einfacher, auf den Kurseinbruch im März zu reagieren, als beim sehr schnellen darauf folgenden Kursanstieg wieder rechtzeitig investiert zu sein. Viele Titel stehen auf ähnlichem Niveau wie vor der Krise. Dabei hat die Realwirtschaft noch längst nicht wieder zu ihrem Vor-Covid-Niveau aufgeholt. In kaum einem Jahr war es daher wichtiger, die richtigen Branchentrends bzw. Pandemiegewinner und -verlierer rechtzeitig heraus zu filtern.
Welche Anlageklasse hat funktioniert, welche nicht?
Weuthen: Beim Einbruch im Frühjahr 2020 verloren Anleger nahezu mit jeder Anlageklasse. Aktien, Anleihen aber auch das Krisenmetall Gold verzeichneten Verluste. Natürlich waren die einzelnen Drawdowns unterschiedlich, aber das korrelative Zusammenspiel der bekannten Assetklassen wurde kurzzeitig und nicht zum ersten Mal außer Kraft gesetzt.
Welche Erfahrungen kann man aus diesem Jahr mitnehmen?
Weuthen: Die Erfahrung des Jahres 2020 zeigt, dass es überraschende Ereignisse gibt, die auch gut diversifizierten Depots zumindest kurzfristig Probleme bereiten und die klassische Risikobetrachtung an ihre Grenzen bringt.
Die Aktie als Assetklasse zeigt sich mehr denn je als alternativlos. Innerhalb dieser Klasse ist ein selektives Agieren am Puls der Zeit am besten möglich und sinnvoll. Das aktive Wechseln zwischen den „Stay-at-Home“-Aktien zu Beginn der Pandemie und der „Back-to-Normal“-Aktien mit positiven Impfstoffmeldungen zeigte sich in 2020 als erfolgreichste Strategie.
Einige Firmen bzw. Branchen sind an den Aktienmärkten stark gestiegen. Sollten solche Bereiche eher gemieden werden oder bieten sie noch Chancen?
Weuthen: Das hängt natürlich sehr stark von der Betrachtung des einzelnen Unternehmensmodells ab. Aber grundsätzlich sollten die Folgen der Pandemie das Thema Digitalisierung eher beschleunigen. Zudem hatte die asiatische Region die Pandemie überraschend schnell im Griff, gerade im Vergleich zum Rest der Welt. Damit sollte sie im globalen volkswirtschaftlichen Vergleich deutlich aufholen.
Spezielle Gesundheitsthemen wie Impfstoffe scheinen schon im Vorfeld mit sehr vielen Vorschusslorbeeren ausgezeichnet zu sein. Damit gibt es bei einigen Branchen durchaus Raum für Enttäuschungen.
Die Corona-Pandemie wird auch im kommenden Jahr eine Rolle spielen. Wie können sich Anleger aufstellen, die 2021 erfolgreich Vermögen aufbauen wollen?
Weuthen: Grundsätzlich bleibt eine breite Depotaufstellung das A und O, um zu starke Schwankungen zu reduzieren.
Eine zentrale Rolle bei der Geldanlage wird in den nächsten Jahren u.a. die Region Asien, allen voran China spielen. Mit dem neuen Freihandelsabkommen RCEP, dem stetigen Ausbau der neuen Seidenstraße, sowie dem hohen Anteil an Millennials mit teils großem Vermögenserbe wird die weitere Entwicklung Asiens von enormer Bedeutung für die Weltwirtschaft sein.
Außerdem wird die Digitalisierungsbranche, allen voran die Bereiche IT/Cloud und Datensicherheit, weiter wachsen. Die Vorherrschaft in den Technologien der Zukunft wie Artificial Intelligence, Clean Energy und Future Mobility werden nach Corona ebenfalls im Fokus stehen.
Zudem werden die zyklischen Branchen mit dem Eindämmen der Pandemie auch operativ ein Comeback feiern können.
Und wie sieht es mit der nachhaltigen Geldanlage aus?
Unter einem US-Präsidenten Joe Biden sowie weiteren Regulierungen im Bereich nachhaltige Investments wird das Thema ESG (Anlagekriterien im Bereich Umwelt, Soziales und verantwortungsvoller Unternehmensführung) eines der meist diskutierten Themen werden. Auch wenn Branchen wie Clean Energy bereits in 2020 enorm gestiegen sind, sollte das breiter gefasste Segment der Nachhaltigkeit in 2021 weiteres Momentum erfahren.
Welche Risiken könnten im nächsten Jahr lauern?
Das ab dem ersten Quartal wieder einsetzende Insolvenzrecht wird sicherlich das ein oder andere Opfer fordern und kann die derzeit sehr positive Stimmung der Märkte empfindlich beeinträchtigen. Ganz abgesehen von exogenen überraschenden Schockszenarien.
Eng zu beobachten ist das Thema Inflation. Hier warnten zuletzt zahlreiche Asset Manager und Ökonomen vor einem potenziell schnellen Anstieg. In diesem Zusammenhang stehen vor allem die Notenbanken im besonderen Fokus. Nach dem enormen Geldmengenwachstum in 2020 stehen diese vor nicht beneidenswerten Aufgaben zur Manövrierung in 2021.
Diese weiteren Teile sind in unserer Reihe “Experten zum Börsenausblick 2021” erschienen:
- Börsenausblick 2021 (1) mit Petra Ahrens: “Konsum, Pharma oder Technologie sind aussichtsreiche Branchen”
- Börsenausblick 2021 (2) mit Frank Wieser: “Anleger sollten auf einen guten Themen- und Ländermix setzen”
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